# taz.de -- Kolumne American Pie: Verlust der Unschuld
       
       > Er ist der Ausnahmespieler und nun der größte Schummler der NFL: Wegen
       > entlüfteter Bälle werden Tom Brady und die Patriots hart sanktioniert.
       
 (IMG) Bild: Lächelt gern: Tom Brady. Ob er es auch nach der Strafe noch tut, ist nicht überliefert.
       
       Tom Brady lächelt gern. Es ist das Lächeln eines Jungen, ein unschuldiges
       Lächeln. Dieses Lächeln hat Tom Brady in den 15 Jahren, die er nun schon
       sehr erfolgreich Profi-Football spielt, viele Sympathien eingebracht, noch
       mehr lukrative Werbeverträge und eine Ehefrau namens Gisele Bündchen. Das
       Lächeln hat einen sehr guten Sportler zum Schwiegermutterliebling,
       Aushängeschild und größten Football-Star seiner Generation befördert.
       
       Ob Tom Brady am Montag das Lächeln vergangen ist, das ist nicht bekannt.
       Bekannt ist nur, dass der Quarterback des aktuellen Super-Bowl-Champions
       New England Patriots nun auch noch zum größten Schummler seiner Generation
       erklärt wurde – und das ganz offiziell. Die NFL fand es angemessen, ihn für
       vier Spiele zu sperren für seine Rolle in dem Skandal, der als
       „Deflate-Gate“ in die amerikanische Sportgeschichte eingehen wird. Eine
       Strafe, die im Unterhaltungsbetrieb NFL sonst nur Dopingsünder aufgebrummt
       bekommen.
       
       Das Vergehen von Brady nimmt sich dagegen vergleichsweise harmlos aus.
       Während des Halbfinal-Spiels im Januar gegen die Indianapolis Colts
       stellten die Schiedsrichter fest, dass ein Großteil der zwölf Spielbälle
       der Patriots nicht den in den Regeln festgelegten Luftdruck besaß. Die
       schlappen Bälle, die für einen Quarterback im kalten und regnerischen
       Januar-Wetter in Boston wohl leichter zu greifen und zu werfen waren,
       wurden wieder aufgepumpt, New England gewann das Spiel deutlich mit 45:7
       und zwei Wochen später auch das Endspiel gegen Seattle. Brady wurde zum
       herausragenden Spieler des Finales gekürt und zog mit seinem vierten
       Super-Bowl-Erfolg mit seinem großen Vorbild Joe Montana gleich.
       
       Doch der 37-Jährige hatte keine Zeit, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen.
       Die NFL setzte einen Ermittler ein, der das „Deflate-Gate“ aufklären
       sollte. Ein Vierteljahr später liegt nun das Ergebnis vor: Auf 243 Seiten
       stellt der Untersuchungsbericht fest, dass zwei Equipment-Manager der
       Patriots verantwortlich waren für das Luftablassen. Es könne nicht
       ausgeschlossen werden, dass die Patriots diese Praktik schon früher
       anwendeten.
       
       Aufgrund des Berichts sperrte die Liga Brady nun für ein Viertel der
       regulären Saison, suspendierte die Zeugwarte auf unbestimmte Zeit und
       bestrafte auch die Patriots. Der Klub muss eine Million Dollar zahlen und
       verliert jeweils einen Pick in den beiden kommenden Drafts. So schwer hat
       die NFL noch nie eine ihrer Franchises sanktioniert.
       
       ## Bradys Agent: „lächerlich“
       
       Die Reaktionen kamen prompt. Brady selbst hielt sich – wie üblich – vornehm
       zurück, schickte aber seinen Agenten Don Yee vor, der die Bestrafung als
       „lächerlich“ bezeichnete. Sie sei „ohne gesetzliche Grundlage“ zustande
       gekommen. In einem Statement klagte er, die Untersuchung habe „keine
       signifikanten Beweise“ für die Schuld seines Mandanten erbracht, und
       kündigte an, Einspruch gegen die Sperre einzulegen.
       
       Tatsächlich kommt der Untersuchungsbericht nur zu dem auf Indizien
       beruhenden Schluss, dass Brady „eher wahrscheinlich als nicht“ von den
       Aktionen der Patriots-Zeugwarte wusste. Allerdings genießt Brady den Ruf,
       ein nachgerade manischer Perfektionist zu sein. Es ist unvorstellbar, dass
       ein paar kleine Angestellte es wagen würden, gegen den ausdrücklichen
       Willen des Superstar-Quarterbacks dessen Handwerkszeug zu manipulieren.
       
       Trotzdem gehen die Meinungen über die Sperre weit auseinander. Das Time
       Magazine findet Bradys Bestrafung „irrwitzig“, während USA Today
       kommentiert, die NFL hätte „es schlussendlich doch noch hinbekommen“.
       Tatsächlich scheint die Strafe angesichts anderer Vergehen vergleichsweise
       harsch.
       
       Das größere Problem für Brady dürfte allerdings der Fleck auf seinem
       bislang blütenweißen Image sein. Zum Vermächtnis des Tom Brady gehören nun
       nicht mehr nur die vielen Rekorde und Erfolge, sondern auch die Hauptrolle
       in einem der größten Skandale der NFL. Da hilft auch kein noch so
       unschuldiges Lächeln mehr.
       
       12 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
       
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