# taz.de -- Landtagswahl Brandenburg: Platzecks unmögliches Comeback
       
       > Ministerpräsident Platzeck ist nach seinem Wahlsieg der einzige
       > Siegertyp, den die SPD noch hat. Jetzt könnte sich die Partei an ihm
       > aufrichten. Doch Platzeck scheiterte schon mal als SPD-Chef - an Physis
       > und Nerven.
       
       Der Mann schien kurzfristig so angeschlagen wie seine Partei. Das Ergebnis
       bei der Bundestagswahl katastrophal, in der ersten ZDF-Prognose kurz nach
       18 Uhr auch im Land nur gleichauf mit der Linkspartei - die Brandenburger
       SPD war wie Matthias Platzeck in Schockstarre. Drei Stunden später steht
       der Ministerpräsident sehr entspannt bei der Wahlparty in einem
       Babelsberger Kino. Jede neue Hochrechnung hat seine Partei weiter nach oben
       gebracht, bis sie bei 33 Prozent landet, das ist klar besser als 2004.
       Beifall für seine Ansprache dringt auf die Straße. Jemand reicht ihm ein
       Glas Merlot. Dunkelrot schimmert der Wein in seiner Hand. So wie Zukunft,
       die er der SPD vorgeben könnte.
       
       11 Prozentpunkte hat die SPD auf Bundesebene verloren, über einen
       Prozentpunkt hingegen hat Platzeck auf Landesebene gewonnen - mehr als
       Linkspartei oder CDU. Die anfangs so maue Party wird umso lebhafter, je
       mehr der SPD dämmert, was ihr Spitzenkandidat geschafft hat. Selbst Klaus
       Wowereit, der vielfach als SPD-Geheimwaffe gehypte Regierende Bürgermeister
       im benachbarten Berlin, hat spätestens an diesem Abend seinen Glanz
       verloren. In der Hauptstadt stürzten die Sozis bei der Bundestagswahl sogar
       um 14 Prozentpunkte ab, und auch in der jüngsten landespolitischen Umfrage
       gingen sie unter.
       
       Bei der Suche nach einem Heilsbringer für die sieche Bundespartei liefe nun
       normalerweise alles auf Platzeck hinaus, den sympathischen, bürgernahen
       Wahlsieger gegen den Bundestrend. Er allein symbolisiert derzeit, dass die
       SPD doch noch gewinnen kann. Andere Landesfürsten kommen nicht infrage. Den
       rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck sägte die Partei 2008
       selbst ab, sein Kollege Erwin Sellering ist außerhalb
       Mecklenburg-Vorpommerns nahezu unbekannt.
       
       Platzeck ist volksnah wie Beck und wirkt doch nicht provinziell, ein
       Stratege genauso wie ein Dauerhändeschüttler, quasi eine intellektuelle
       Rampensau. "Er ist für die SPD eine erstaunliche, bundesweit einzigartige
       Erscheinung", sagt der Potsdamer Politologe Bernhard Muszynski. Platzeck
       könnte bereits mit einer Entscheidung für eine rot-rote Koalition in
       Brandenburg die künftige Richtung der SPD auch im Bund vorgeben - eine
       Rolle, die der durch immense Berliner Verluste geschwächte Wowereit kaum
       noch ausfüllen kann.
       
       Das Dilemma der SPD: Platzeck ist schon einmal als Parteichef gescheitert.
       Nicht durch ein Komplott wie Beck oder durch offenen Angriff wie früher
       Scharping. Als er im November 2005 für den überraschend abgetretenen Franz
       Müntefering einsprang, machten Körper und Nerven nach wenigen Monaten nicht
       mehr mit. Nach einem zweiten Hörsturz trat Platzeck im April 2006 zurück.
       
       Es gibt Beispiele für Comebacks nach noch gravierenderen Zusammenbrüchen.
       Horst Seehofer, (CSU) der nach einer Herzmuskelentzündung wieder auf die
       politische Bühne kam. Oder Gregor Gysi (Linkspartei) nach einer
       Kopfoperation und Herzproblemen. Platzeck aber, so wird kolportiert, sei
       von so einem Schritt weit entfernt. Zu sehr würden ihn die Folgen seines
       Hörsturzes weiter belasten.
       
       Ob es in Brandenburg überhaupt zu Rot-Rot kommt, hängt neben allem Streit
       über Inhalte - vor allem über die Braunkohle - auch am
       Zwischenmenschlichen: Platzeck kann dem Vernehmen nach gut mit
       CDU-Spitzenfrau Johanna Wanka; die Zusammenarbeit galt trotz Querelen bei
       der Union als gut. Dass die SPD zuerst mit der Linkspartei spricht, gilt
       nicht als Vorentscheidung.
       
       Wie es in Platzeck oder seinem lädierten Ohr aussieht, ist bei der
       SPD-Wahlparty nicht erkennbar. Längst hätte er sich mit dem Hinweis auf
       ermüdende 150 Wahlkampfauftritte verabschieden können. Er wohnt ja auch
       kaum einen Kilometer entfernt. Doch der Mann, der da mit seinem Merlot
       steht, Parteifreunde umarmt, für Fotos posiert, der wirkt so gar nicht müde
       - und durchaus fit für neue Aufgaben.
       
       POLITOLOGE BERNHARD MUSZYNSKI
       
       29 Sep 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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