Ein Gespräch Mit Martin Heidegger

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Martin, ich habe nachgedacht, und kalkuliere mein Risiko,
doch möchte ich lieber zum Schweigen gebracht werden als schweigen.
Dies sind unsere Entscheidungen, hier steht es uns frei,
zu sehen oder nicht, wie wir wollen. Die Fragen, die du stellst
uber Schöpfung und Zerstörung, die Beziehung zu denen
die den Preis der Macht ernten in dunklen Schlachthöfen--laß mich:
Warum versteckt sich Gott? Ist Dichtung Quark? Wird er die
ausgestoßenen Armen nähren, die verwirrten Gefangenen?

Welche Spiegel ermöglichen Verkehr zwischen zerrissenem Europa
und denen die rissen? Sind unsere geschmeidigeren Obsessionen
leichter erziehbar als deine? Dein Schweigen und unseres
leisteten Beihilfe. Niemand ist unschuldig, doch keuchen Unschuldige
und sterben in deinen Sätzen, und in unseren.

Wir schlucken Blut alter Schriften, verschwenden braunhäutige Babys
als Terroristen, um Hollywood zu sichern, sorgen uns mehr
um Foeten als um die Abgeschlachteten, Ignoranten,
und (auf so vielen Arten) Verhungernden. Christus blutet
in Museen; wie balsamieren Kinder mit vertrockneten Ideen,
Angst-erstarrt vom alten Terror in der Blutbahn.
Martin, wir wissen noch nicht wer von uns beiden besser ist.

Loyalität von denen, deren Werk du verbrannt hättest
für Goebbels im Jahre deines lauten Aufstiegs, macht es
ebenso schwer dich zu übersehen wie dir zu vergeben. Du verdankst
jenen zuviel, die Schläge erhielten, denen du nicht entgegen getreten bist.
Sartre macht dich zum Haar-des-Hundes nach der Orgie.
Aber Gott ist nicht tot, antwortetest du, nur verborgen.
Ja, Martin. Er wurde zum Schweigen gebracht, alleine, im Gefängnis,
mit Dietrich Bonhoeffer. Bruder Dietrich starb dort.
Doch war er nur einer der Nummerierten und Unzähligen.


Translated by Josef Pesch
from the English of Van K. Brock

Ein Gespräch 13 | A Conversation 12
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