# taz.de -- nord🐾thema: „Es entstehen vor allem sehr teure Wohnungen“
       
       > Überall heißt das Zauberwort gegen die Wohnungsnot: Bauen. Der
       > Wohnforscher und Autor Daniel Fuhrhop findet das falsch und sagt sogar:
       > Bauen muss verboten werden
       
 (IMG) Bild: So wie hier in Bremen stehen viele Menschen dem aktuellen Bau-Boom kritisch gegenüber
       
       Interview Harff-Peter Schönherr
       
       taz: Herr Fuhrhop, Wohnen ist ein Menschenrecht. Gibt es auch ein Recht auf
       Luxussanierungen? 
       
       Daniel Fuhrhop: Zumindest ist es nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, dafür
       zu sorgen, dass Reiche sich eine Zweit- oder Drittwohnung leisten können.
       Dafür, dass jeder von uns einen
       
       angemessenen Wohnraum hat, allerdings schon.
       
       Kürzlich sorgte in Bremen ein Positionspapier der Grünen für Empörung bei
       CDU und FDP. Ihr Vorschlag: Ältere, denen ihre Wohnungen zu groß werden,
       sollten diese mit jungen Familien tauschen. Klingt das nicht eigentlich
       ganz vernünftig?
       
       Klar, zumal es da ja nicht nur um Wohnraum geht. Es ist ein Akt der
       Menschlichkeit, Älteren zu helfen, die sich in ihrem Haus einsam fühlen,
       weil die Kinder ausgezogen sind, der Partner verstorben ist. Ihre Wünsche
       können vielfältig sein: Ein Wohnungstausch, oder man trennt eine
       Einliegerwohnung ab...
       
       Das Zauberwort gegen Wohnraum-Mangel heißt Bauen. Sie allerdings sagen:
       „Verbietet das Bauen!“ Trägt Ihnen das Ärger ein? 
       
       Viele Lobbyisten aus der Bau- und Immobilienwirtschaft regen sich natürlich
       auf: Das sei zu radikal. Aber was wirklich radikal ist, ist die Art, wie
       wir bisher bauen und wohnen, wie wir mit unseren Ressourcen umgehen, wie
       wir dadurch in den Städten Kleingärten und Parks kaputt machen. Im
       Vergleich dazu wäre es erheblich vernünftiger, das Bauen zu verbieten. Auf
       Neubau zu setzen, macht auch ökonomisch keinen Sinn.
       
       Trotzdem denken das viele, auch Kommunen. 
       
       Politiker und Verwaltungsleute unterliegen oft dem Dogma des Neubaus und
       können sich gar nicht vorstellen, dass sich viele Wohnbedürfnisse auch mit
       Altbauten befriedigen lassen.
       
       Ein Gegenbeispiel: Das Programm „Jung kauft Alt“. In über 50 Städten
       fördert es Familien, die in ein leer stehendes Haus ziehen. Start war in
       einem kleinen Ort bei Herford. Da war eigentlich ein neues Baugebiet
       geplant, und stattdessen hat man Fördergelder für den Kauf eines Altbaus
       vergeben. Das war enorm erfolgreich.
       
       Sie sind Teil des Forschungsprojekts „OptiWohn“ an der Universität
       Oldenburg. Auf was zielt das? 
       
       Wir suchen nach Wegen, wie sich die vorhandene Wohnfläche unserer Altbauten
       optimieren lässt. Das schließt auch gemeinschaftliches Wohnen ein – mehrere
       Menschen eines Wohnprojekts, die sich Räume teilen. Räume für Besucher zum
       Beispiel oder die Küche.
       
       Eines der Modelle ist „Wohnen für Hilfe“ ... 
       
       Meist wohnen dabei Jüngere, Studierende etwa, bei Älteren. Die Jüngeren
       helfen im Haushalt und im Garten, die Älteren können im Gegenzug vielleicht
       ein bisschen Lebenshilfe geben.
       
       Viele sagen ja: Der Markt wird es schon regeln. Was ist denn mit privaten
       Investoren? 
       
       Was der Markt verursacht, sehen wir insbesondere in Hamburg: Es entstehen
       vor allem sehr teure Wohnungen. Wenn wir ein Sozialmodell wie „Wohnen für
       Hilfe“ wollen, brauchen wir Vermittlungsstellen, die Menschen
       zusammenbringen, und es ist unerklärlich, warum das in Bremen nur in
       bescheidenen Ausmaßen und in Hamburg überhaupt nicht gemacht wird. Allein
       in Hamburg könnten jedes Jahr bis zu 600 junge Leute zu Älteren vermittelt
       werden. Nehmen wir Oberbillwerder: Dieses neue Stadtviertel dürfte 600
       Millionen Euro allein für Planung und Erschließung kosten. Das sind dann
       80.000 Euro pro Wohneinheit, ohne dass ein einziger Stein gesetzt wurde.
       Wenn wir stattdessen einige Vermittlungsstellen mit Personal ausstatten,
       die dann Hunderte Menschen unterbringen, ist das im Vergleich ökonomisch
       unschlagbar günstig.
       
       Bis 2002 gab es in Osnabrück die kommunale „Osnabrücker
       Wohnungsbaugesellschaft“, rund 3.700 Wohnungen stark. Sie wurde verkauft,
       für einen Spottpreis. Jüngst hat ein Bürgerentscheid den Rat zu einer
       Ersatzgründung gezwungen. Was können Bürger sonst noch tun?
       
       Man sollte auch als protestierender Bürger nicht nur auf die Politik
       schauen, sondern auch darauf, wie man selbst wohnt. Oft wird ja Leuten, die
       gegen ein neues Baugebiet protestieren, Egoismus vorgeworfen – nur weil sie
       sich drum kümmern, dass eine Grünfläche erhalten bleibt, zum Beispiel beim
       Streit um die Galopprennbahn in Bremen. Es könnte den Kritikern die
       Argumente rauben, wenn man sich fragt: Vielleicht finden wir ja sogar
       innerhalb unserer Gruppe freien Wohnraum, in dem sich noch jemand
       unterbringen ließe?
       
       Wären Sie und nicht der Innenminister für das Bauen zuständig: Was wäre
       Ihre erste Maßnahme?
       
       Ich würde das Bau- in Umbauministerium umbenennen.
       
       8 Aug 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harff-Peter Schönherr
       
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