# taz.de -- Willi Lemke über Fuball und UN-Missionen: "Ich bin überall willkommen"
       
       > Einst gestartet als Asta-Sportreferent an der Uni Hamburg, düst der
       > Marathonläufer Willi Lemke jetzt als Sportberater von UN-Generalsekretär
       > Ban Ki Moon von Kontinent zu Kontinent.
       
 (IMG) Bild: Willi Lemke, UN-Sonderbeauftragter für Sport und Urgestein bei Werder Bremen
       
       taz: Herr Lemke, wie weit sind Sie als Aufsichtsratsvorsitzender von Werder
       Bremen noch am täglichen Geschäft dran? 
       
       Willi Lemke: Überhaupt nicht. Das gibt nur Unruhe, und die braucht man im
       Bundesligageschäft nicht. Wir lassen die sportliche Leitung in Ruhe
       arbeiten, auch in schlechten Phasen. Das hat uns über Jahrzehnte Erfolg
       beschert.
       
       Wie ist dieser Erfolg zu erklären? 
       
       Wir haben Kontinuität und jeder weiß, was er zu tun hat. In den achtziger
       Jahren hatte Otto Rehhagel vier Sterne auf der Schulterklappe, ich drei.
       Heute arbeiten Klaus Allofs und Thomas Schaaf, obwohl Klaus formal der
       Vorgesetzte ist, auf Augenhöhe. Die Aufgaben sind klar verteilt.
       
       Jahrelang war nur Bayern München wirtschaftlich für Werder unerreichbar.
       Nun sind Hoffenheim, Wolfsburg und Leverkusen dazugekommen. Wird die Lücke
       größer? 
       
       Die Lücke ist größer geworden. Wer Erfolg hat, bekommt durch die Champions
       League die finanziellen Möglichkeiten, weiter erfolgreich zu sein. Ich kann
       nichts dagegen sagen, wir sind Nutznießer der Situation. Klar ist: Die
       Kluft zwischen den erfolgreichen, die auch wirtschaftlich erfolgreich sind,
       und den weniger erfolgreichen, wächst. Für Vereine, die nicht die
       wirtschaftlichen Voraussetzungen haben, wird es schwieriger. Trotzdem
       kommen Underdogs nach oben.
       
       Wie Hoffenheim. 
       
       Ja. Ich habe niemals einen so guten Aufsteiger wie die TSG Hoffenheim in
       der vergangenen Saison hier im Weserstadion gesehen. Da habe ich gedacht:
       Siehste, geht doch noch, natürlich mit dem entsprechenden Pulver. Werder
       Bremen ist solide geführt, steht wirtschaftlich gut da. Deshalb bin ich
       auch nicht aufgeregt, wenn wir mal Sechster sind. Wir arbeiten ruhig
       weiter, lassen uns nicht von einer schlechten Presse ablenken. Klaus
       Allofs, Thomas Schaaf und die Mannschaft haben unser Vertrauen.
       
       Ist ein Verein wie Hoffenheim nicht eine neue Form der Konkurrenz? 
       
       Eine besondere. Aber auch Wolfsburg ist eine besondere Konkurrenz. VW hat
       jetzt Freude daran, die sind Meister geworden, jetzt ist es leichter, Herrn
       Winterkorn davon zu überzeugen, noch mal ein paar Millionen locker zu
       machen. Das war auch bei Leverkusen so, auch die hatten eine
       Ausnahmestellung. Wenn da ein Loch war, wurde es gestopft, und gut ist.
       Diesen Luxus hatten wir nie. Wir müssen immer schauen, dass wir mit den
       Einnahmen die Ausgaben begleichen können.
       
       Das machen nicht alle. 
       
       Nein. Dass uns die Möglichkeit fehlt, das Geld rauszupfeffern, macht uns
       stark. Bremen ist ja keine Metropole, nicht mit Hamburg oder Berlin
       vergleichbar. Selbst Städte wie Frankfurt und Hannover haben
       Standortvorteile, wenn man die Zuschauerströme sieht. Was Wirtschaft und
       Zuschauer anbelangt, haben wir keine optimalen Bedingungen. Wir müssen
       besonders schlau sein, um dies zu kompensieren. Das gelingt uns.
       
       Werder hat ja mit der Gründung der GmbH & Co. KG die Möglichkeit,
       Investoren Anteile zu verkaufen. Warum passiert das nicht? 
       
       Weil wir unsere Eigenständigkeit bewahren wollen. Wir wollen nicht abhängig
       werden von Menschen, Firmen, Organisationen. Wir wollen ein
       mitgliedergeführter Verein sein, wir wollen, dass die Mitglieder das Sagen
       haben. Das ist ein hoher Wert bei Werder Bremen, ähnlich wie die Tatsache,
       dass das Bremer Weserstadion immer noch Bremer Weserstadion heißt. Darauf
       sind alle handelnden Personen sehr stolz, sonst wirds beliebig.
       
       Da sind Sie konservativ. 
       
       Das widerspricht meinem Verständnis von Tradition und Fußball. Wir müssen
       auch keine Anteile verkaufen, um Riesentransfers zu stemmen, denn man kann
       Tafelsilber nur einmal verkaufen, dann ist es weg. Werder Bremen, die
       Werder Bremen GmbH & Co. KG gehört Werder Bremen, uns allen, den
       Mitgliedern.
       
       Da herrscht Einigkeit im Aufsichtsrat? 
       
       Ja. Es kann eine Situation entstehen, in der wir reagieren müssen, aber wir
       wollen das alle nicht. Wir wollen die Strukturen der Kapitalgesellschaft so
       halten, wie sie sind, dafür kämpfen Aufsichtsrat, Geschäftsführung und
       Präsidium. Und im Moment stehen wir glänzend da.
       
       Besonderer Glanz umgibt Sie, seit Sie ehrenamtlicher Sonderberater für
       Sport im Dienst von Entwicklung und Frieden bei den Vereinten Nationen
       sind. Welche Idee steckt hinter diesem Amt? 
       
       Zum einen repräsentiere ich den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban
       Ki-moon, bei großen Sportveranstaltungen und Konferenzen, wie gerade bei
       den Olympischen und Paralympischen Winterspielen in Vancouver. Ich habe die
       Möglichkeit genutzt, die Direktoren von Sportverbänden zu treffen, um
       zusammen mit weiteren Partnern, Regierungen und
       Nichtregierungsorganisationen, Entwicklungsprojekte im Sportbereich zu
       initiieren.
       
       Welche Bereiche umfasst Ihr Mandat noch? 
       
       Ich setze mich dafür ein, das Verständnis zu stärken, den Sport als
       Instrument für Entwicklung und Frieden zu nutzen. Viele Regierungen sagen:
       Sport ist Luxus und keine staatliche Aufgabe. Da ist die UN anderer
       Auffassung. Ebenfalls koordiniere ich die Tätigkeiten innerhalb der
       Vereinten Nationen und agiere als Schnittstelle zwischen den UN, den
       Mitgliedsstaaten, der Zivilgesellschaft, den internationalen
       Sportverbänden, den Medien und der Privatwirtschaft. Es ist meine Aufgabe,
       verschiedene Partner und Akteure zusammenzuführen. Dafür habe ich
       mittlerweile ein sensationelles Netzwerk aufbauen können. Für die
       Fußballweltmeisterschaft in Südafrika zum Beispiel versuche ich, zwischen
       den einzelnen UN-Agenturen zu koordinieren, um deren Aktivitäten
       abzustimmen und Synergien zu nutzen. In einigen Entwicklungsprojekten
       werden leider manchmal Fehler gemacht, auch weil sie oft von oben
       aufgesetzt sind. Aber es gibt auch viele gelungene Beispiele. Von denen
       müssen wir lernen, sie weiterverfolgen und die positiven Erfahrungen
       austauschen.
       
       Können Sie uns ein Beispiel nennen? 
       
       Ich habe in Bouaké an der Elfenbeinküste, mitten im Rebellengebiet, ein
       Judo-Projekt mit 200 jungen Teilnehmern besucht, darunter viele Mädchen und
       Frauen. Mit Hilfe des deutschen Außenministeriums konnten wir 200 vor Ort
       hergestellte Judoanzüge dorthin schicken. Als ich das Projekt besucht habe,
       wurde ich ins UN-Camp eingeladen. Der Kommandeur, ein Pakistani, zeigte mir
       stolz eine Ecke, wo sie einen Bolzplatz bauen wollten, unter anderem für
       Spiele gegen die Rebellenarmee. Da habe ich ihn gefragt, ob es nicht besser
       wäre, im Dorf einen Bolzplatz zu bauen, wo die Jungs des Dorfs rumgammeln
       und sich verleiten lassen, Knarren oder Drogen in die Hand zu nehmen. Ich
       habe dem Generalsekretär von der Idee erzählt, mit UN-Soldaten solche
       Projekte zu machen. Am 24. Dezember 2009 wurde der Bolzplatz im Dorf
       offiziell eingeweiht, eine pakistanische Armeeband spielte dazu. Die
       UN-Friedensmission in Abidjan hat mir mitgeteilt, dass sie versuchen,
       weiter in den Bau von Sportstätten zu investieren.
       
       Ecken Sie mit Ihrer direkten Art manchmal an? 
       
       Nein, ich habe es leicht, weil ich etwas bewege. Wenn ich Jugendcamps
       besuche, bin ich nicht auf der Ehrentribüne, sondern auf dem Feld. Mir ist
       es wichtig, Vorbilder zu fördern. Normalerweise fördern wir in Europa nur
       Leute mit Hochschulabschluss, aber niemand hat ein Programm für arme Leute
       ohne Ausbildung, die aus dem Nichts eine wunderbare Sozialisation
       hinkriegen. Im letzten Jahr habe ich Peter Ndolo, der im Mathare-Slum von
       Nairobi aufwuchs, ein Praktikum bei Radio Bremen vermittelt. Jetzt zeigt er
       den Jungen und Mädchen zu Hause, wie man fotografiert und Interviews macht.
       Mein Ziel ist es, jedes Jahr 200 junge Afrikaner aus armen Familien mit
       Hilfe vieler NGOs nach Europa zu vermitteln. Die sollen später die jetzige
       Politikergeneration ablösen, die sich oft die eigenen Taschen vollstopft.
       
       Wird es den Bremer Landespolitiker Willi Lemke, SPD, noch einmal geben? 
       
       Mit Sicherheit nicht. Auch wenn ich durch die vielen Reisen manchmal
       erschöpft bin - ich bin in meinem jetzigen Job glücklich, bin überall
       willkommen und muss mich nicht mit Haushaltslöchern herumärgern.
       
       Im Moment warnen einige, auch Ihr langjähriger Widersacher Uli Hoeneß, vor
       den Gefahren bei der Fußball-WM in Südafrika. Sind Sie da gefragt? 
       
       Die Fifa braucht keine Unterstützung. Dennoch glaube ich, dass es wichtig
       ist, deutlich zu machen: Es geht da um weitaus mehr als Fußball. Südafrika
       ist ein Leuchtturm für Afrika und Afrika braucht ein Erfolgserlebnis.
       Natürlich gibt es Kriminalität, aber die gibt es auch in amerikanischen
       Großstädten. Ich freue mich auf die WM. Die wird bunt und schön. Ich kann
       nur allen raten, hinzufahren und die Gastfreundschaft zu genießen. Niemand
       braucht Angst haben, überfallen zu werden, wenn er sich an die Regeln hält.
       
       28 Feb 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Lorenzen
 (DIR) Roger Repplinger
       
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 (DIR) Fußball
 (DIR) SPD Bremen
       
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 (DIR) Nachruf auf Willi Lemke: Er stand für das Soziale im Sport
       
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 (DIR) Uno-Berater Lemke über Fußball: „Wir setzen auf Nachhaltigkeit“
       
       Seit vier Jahren ist Willi Lemke Sonderberater des UN-Generalsekretärs. Mit
       der taz spricht er über Kopftücher im Fußball, afrikanische Vorbilder und
       geringe Budgets.