# taz.de -- WTO-Tagung diese Woche: Verhandlung über Impfstoffpatente
       
       > Die WTO berät über die globale Verteilung der Coronavakzine. Der Globale
       > Süden und NGOs machen Druck.
       
 (IMG) Bild: Ahmedabad, Indien: nur wenig Corona-Impfstoff steht der Bevölkerung bisher zur Verfügung
       
       Berlin taz | Sollen die Patentschutzrechte großer westlicher Pharmakonzerne
       vorübergehend ausgesetzt werden, um die globale Produktion von
       Corona-Impfstoffen deutlich zu steigern und sie gerechter verteilen zu
       können? [1][Der Streit darüber] [2][dauert seit mehr als acht Monaten an].
       
       In dieser Woche könnte er zu einem Ende gelangen: Am Dienstag und Mittwoch
       steht bei der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf ein Antrag Indiens und
       Südafrikas auf der Tagesordnung. Eingereicht hatten die beiden Länder ihn
       bereits Anfang Oktober 2020, inzwischen wurde er modifiziert, um Bedenken
       der nördlichen Industriestaaten auszuräumen.
       
       Zwar haben die USA, Neuseeland, Japan und die EU-Staaten Frankreich und
       Polen sowie auch China in den letzten vier Wochen ihre anfängliche
       Ablehnung einer Aussetzung der Patentschutzrechte aufgegeben. Doch
       Deutschland, Großbritannien, die Schweiz und die EU-Kommission blockieren
       den für eine positive Entscheidung erforderlichen Konsens in der WTO.
       Spätestens am Donnerstag will das EU-Parlament zum zweiten Mal innerhalb
       von drei Wochen eine Resolution verabschieden, in der die Abgeordneten die
       Kommission und die bislang noch widerständigen EU-Mitgliedstaaten zur
       Korrektur ihrer Haltung auffordern.
       
       Um diese Forderung zu unterstützen, planen zahlreiche humanitäre und
       Menschenrechtsinitiativen bis zum Sonntag Aktionen und Kundgebungen vor den
       Regierungssitzen in Berlin, Bern und anderen Hauptstädten sowie an den
       Standorten von Pharmakonzernen. Sollte es bis zum Wochenende keine Einigung
       geben, dürfte das Thema auch den G-7-Gipfel im britischen Cornwall und das
       Treffen von US-Präsident Joe Biden mit der EU-Kommission Anfang kommender
       Woche beschäftigen.
       
       In ihrem ursprünglichen, von weit über 100 WTO-Mitgliedstaaten
       unterstützten Antrag forderten Indien und Südafrika, die Patentschutzrechte
       „für Gesundheitsprodukte und -technologien ohne zeitliche Begrenzung“
       auszusetzen. Das hatten alle Industriestaaten und auch China abgelehnt.
       
       Der am 25. Mai vorgelegte revidierte Antrag, über den die Botschafter der
       WTO-Mitglieder nun verhandeln, listet im Detail alle zur Bekämpfung von
       Covid-19 erforderlichen Impfstoffe, Grundsubstanzen, Herstellungsverfahren
       und medizinische Ausrüstung, für die die Rechte ausgesetzt werden sollen –
       und begrenzt die Aussetzung auf maximal drei Jahre.
       
       ## Gegenvorschlag der EU-Kommission
       
       Am Freitag veröffentlichte die EU-Kommission einen Gegenvorschlag. Dieser
       sieht lediglich vor, den Einsatz von Exportbeschränkungen zu begrenzen und
       Lieferketten offen zu halten. Zudem sollen die Mitgliedsregierungen
       „Impfstoffhersteller und -entwickler nachdrücklich ermutigen und
       unterstützen, die Produktion auszuweiten“. Drittens plädiert die
       EU-Kommission dafür, notfalls Zwangslizenzen für die Impfstoffproduktion zu
       erteilen.
       
       Diese Maßnahme wäre allerdings nach dem WTO-Vertrag zum Schutz
       handelsrelevanter geistiger Eigentumsrechte, TRIPS, schon jetzt möglich und
       bedarf keiner weiteren Entscheidung in der WTO. Die Hilfsorganisation Ärzte
       ohne Grenzen kritisiert zudem, „Zwangslizenzen dauern zu lange und brauchen
       zu viel Zeit – die die Weltgemeinschaft aktuell nicht hat“. Es sei
       „offensichtlich, dass der Vorschlag der EU eher das Ziel hat, die
       notwendigen Verhandlungen zur Aussetzung geistiger Eigentumsrechte zu
       verzögern“.
       
       Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, erklärte, dass die
       alarmierende Situation in Ländern des Globalen Südens eindrücklich zeige,
       wie nötig eine Patentfreigabe sei. Medico International und andere
       Hilfsorganisation verweisen auf eine kürzlich vorgelegte Studie der NGO
       Public Citizen. Danach könnten bei einer Patentfreigabe und einem von der
       Weltgesundheitsorganisation koordinierten Technologietransfer für 10
       Milliarden US-Dollar binnen eines Jahres 8 Milliarden Dosen der
       rnNA-Impfstoffe von Biontec/Pfizer und Moderna hergestellt werden – genug
       für die ganze Weltbevölkerung.
       
       8 Jun 2021
       
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