# taz.de -- Roland Schill ist zurück: Der Mann mit dem Koks
       
       > Eigentlich hatten wir Hamburgs Ex-Innensenator Roland Schill gerade
       > erfolgreich vergessen. Jetzt ist er wieder im Gespräch - weil ein
       > YouTube-Video ihn beim Koksen zeigt.
       
 (IMG) Bild: Nach seinem Rauswurf als Innenminister: Roland Schill, mit "Hitler-Herpes" verziert.
       
       Der Mann mit dem tollen Zweitnamen ist wieder da. Ronald Barnabas Schill.
       Auf der Videoplattform YouTube ist ein [1][Video aufgetaucht], das
       angeblich den ehemaligen Hamburger Innensenator beim Koksen in seiner neuen
       Heimat Rio de Janeiro zeigt. O-Ton: "Aber jetzt wirkt das Koks bei mir,
       du!" Die Hamburger Staatsanwaltschaft prüft derzeit, "ob ausreichende
       tatsächliche Anhaltspunkte für ein eventuell strafrechtlich relevantes
       Verhalten vorliegen könnten". Immer dann, wenn die Erinnerungen an den
       Law-and-Order-Mann gerade anfangen zu verblassen, taucht er wieder auf. Ein
       Wiedergänger. Doch wofür stand er eigentlich?
       
       Allein die Geschichte der von Schill gegründeten Partei Rechtstaatliche
       Offensive (PRO) ist eine Geschichte des Scheiterns, von der sich Schill
       jedoch nie beirren ließ: Er errichtete 2000 eine Partei um seine Person.
       Irgendwie Führerprinzip, obwohl die Partei sich nicht in die Kategorien
       links und rechts einordnen lassen wollte. Doch der Rechtspopulismus war
       immer allgegenwärtig. Zunächst beschäftigte man sich mit sich selbst: Die
       Abkürzung PRO musste abgelegt werden, weil die konkurrierende Partei Pro DM
       klagte. Aber die Lösung lag auf der Hand: Schill-Partei - nun war der Name
       Programm. Oder umgekehrt, wie auch immer.
       
       Dann der Höhepunkt: Bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen 2001 zog die
       Partei in die Hamburger Bürgerschaft ein. Die Schill-Partei hatte mit ihrer
       einzigen Stärke gepunktet: Protestpotenzial an sich zu binden.
       
       Schill hatte sein großes Ziel erreicht, die bislang über vier Jahrzehnte
       anhaltende Macht der Hamburger SPD war gebrochen, und Ole von Beust (CDU)
       holte ihn, kühl die Optionen der Macht im Visier, mit ins Boot -
       Regierungsbeteiligung! Der polternde Populist war nun Innenminister und
       Zweiter Bürgermeister.
       
       Von Beust hätte ahnen können, dass ihm diese Entscheidung noch mal auf die
       Füße fallen könnte. Und "Richter Gnadenlos" agierte auch auf politischer
       Ebene weiter mit starker Hand, "rechtsstaatliche Härte" genannt. Hamburg
       sollte zum Beispiel junkiefrei werden. Doch gleichzeitig geriet der
       Saubermann selbst in die Schlagzeilen: Schill kokst! Einziger O-Ton
       seinerseits: "Ich weiß, dass ich noch nie in meinem Leben illegale Drogen
       genommen habe - insbesondere kein Kokain." Ein Drogentest sprach ihn frei.
       
       Es folgten Highlights wie eine verkorkste - oder womöglich gar verkokste? -
       Rede vor dem Bundestag, bei dem ihm am Ende einfach das Mikrofon abgedreht
       wurde. Dann erste Einbrüche: Bei der Bundestagswahl 2002 erzielte er ein
       miserables Ergebnis, auch bei den Landtagswahlen lief es eher traurig.
       Jetzt wurde Schill zickig: Walter Wellinghaus, Staatsrat der Innenbehörde
       und Schills Freund, geriet aufgrund von Nebentätigkeiten in die Kritik. Ole
       von Beust wollte ihn entlassen, ohne den Zweiten im Stadtstaat vorher zu
       fragen. Doch Schill glaubte sich bewaffnet: Er drohte von Beust, dessen
       Homosexualität öffentlich zu machen. Doch von Beust ließ sich nicht darauf
       ein und jagte Schill stattdessen als "charakterlich nicht geeignet" aus dem
       Amt. Ach was.
       
       Erstmaliges Ende. Schills Büroleiter Dirk Nockemann wurde neuer
       Innensenator, und Schill ging es erst mal nicht so gut, man las es ihm von
       den Lippen: "Hitler-Herpes" nannte die Presse die hässlichen Pusteln auf
       der Oberlippe, die aussahen, als hätte er von seinem Bürgermeister ein paar
       aufs Maul bekommen. Doch er kämpfte weiter. Ende 2003 entschuldigte sich
       Schill bei von Beust und wollte wieder mitmachen. Er bot seinem Nachfolger
       an, ihm bei der Ausübung seines Amtes zu helfen. Peinlich, sogar für
       hartgesottene Schillianer - von der eigenen Partei bekam der durchgebrannte
       Gründer einen Maulkorb verpasst: Meinungsäußerungen sollten vorher
       parteiintern abgesprochen werden. Auf diese "Mafiamethoden" ging er nicht
       ein. Besser wärs gewesen, denn stattdessen verbot man ihm nun für die
       nächsten beiden Jahre die Übernahme von Parteiämtern.
       
       Schill drehte durch und drohte mit dem Boykott sämtlicher
       Regierungsbeschlüsse. Ole von Beust setzte daraufhin Neuwahlen an - und
       Schill wurde in der Folge aus seiner eigenen Partei geschmissen. Fünf
       Parteimitglieder solidarisierten sich jedoch und machten gemeinsam mit
       Schill eine eigene Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft auf, die
       Ronald-Schill-Fraktion. Mit den ehemaligen Feinden von Pro DM wurde man
       gemeinsam zu Liste Pro-DM/Schill. Doch bei der Bürgerschaftswahl 2004
       blieben sämtlich Parteien, mit denen Schill mal was zu tun hatte, unter
       fünf Prozent.
       
       Schill verschwand, angeblich Richtung Südamerika. Schon immer ein beliebtes
       Exil für Politiker seiner Couleur. Ein Kamerateam des NDR erwischte ihn
       Ende September 2006 in Rio. Er habe sich aus Deutschland zurückgezogen,
       weil er sich hätte eingestehen müssen, dass er nichts an den Verhältnissen
       ändern könne.
       
       Man mag sich seiner nicht gerne erinnern. Besonders die Konservativen
       nicht, die ihn einst hofiert haben.
       
       8 Mar 2008
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.youtube.com/watch?v=IAR4smowzhU
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hendrik Efert
       
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