# taz.de -- Pro & Contra: Ist der Euro jetzt gerettet?
       
       > Der Euro war von Anfang an eine Kunstwährung mit elementaren
       > Konstruktionsfehlern, findet Robert Kurz. Importe und Exporte müssen
       > wieder ins Gleichgewicht kommen, meint hingegen Nicola Liebert.
       
 (IMG) Bild: Ist der Euro haltbar oder nicht?
       
       PRO VON NICOLA LIEBERT
       
       Die europäischen Regierungen haben verhindert, dass die Währungsunion
       Schiffbruch erleidet. Immerhin. Doch jetzt muss das Boot noch so
       ausbalanciert werden, dass es beim nächsten starken Wind nicht gleich
       wieder auf Grund zu laufen droht.
       
       So eine Währungsunion ist eine feine Sache für Länder, die stark vom Export
       leben. Früher stellte die starke Mark für die deutschen Firmen ein Problem
       dar. Jedes Mal wenn die Mark wieder zulegte, wurden die deutschen Ausfuhren
       teurer und damit weniger wettbewerbsfähig. Auch die angeblich ach so hohen
       deutschen Löhne galten als Problem. Das hat sich alles geändert. In der
       Eurozone gibt es keine Mark-Aufwertung mehr. Und die Löhne sind dank der
       rot-grünen Arbeitsmarktreformen, dank Zeitarbeit und 400-Euro-Jobs
       inflationsbereinigt seit Jahren gesunken. Deutschland wurde
       Exportweltmeister.
       
       Die Sache ist nicht ganz so fein für Länder, wo die Löhne noch stiegen, wie
       Griechenland, Spanien oder Italien. Den relativen Rückgang ihrer
       Wettbewerbsfähigkeit konnten sie nun nicht mehr einfach durch eine
       Abwertung von Drachme, Peseta oder Lira ausgleichen. Jetzt werden Rufe
       laut, dann müssten sie eben dem leuchtenden deutschen Vorbild folgen. Aber:
       Wenn alle die Gürtel enger schnallen und zugleich wie die Weltmeister
       exportieren - wer kauft denn dann die ganzen Waren?
       
       Importe und Exporte, inländische und ausländische Nachfrage müssen wieder
       ins Gleichgewicht kommen, auch wenn in Deutschland das niemand hören mag.
       Noch nicht. Doch der Leidensdruck steigt. Die deutsche Wirtschaft hat ein
       starkes Interesse am Erhalt des Euro. Irgendwann wird auch die Regierung in
       Berlin einsehen, dass ein "Weiter so!" den Euro nicht rettet. Schon vor
       einer Woche hat sie entgegen allen bisherigen Beteuerungen einem Aufdrehen
       des Geldhahns in der Eurozone zugestimmt. Notgedrungen wird sie auch zu
       weiteren Kompromissen bereit sein. Am Ende wird es nicht nur eine
       gemeinsame Geld- und Währungspolitik, sondern auch eine gemeinsame
       Wirtschafts-, Lohn- und Sozialpolitik in Europa geben.
       
       ********
       
       CONTRA VON ROBERT KURZ
       
       Der Euro war von Anfang an eine Kunstwährung mit elementaren
       Konstruktionsfehlern. Formal entspricht ihm keine einheitliche politische
       Souveränität. Die europäische Zentralbank (EZB) ist aber dadurch nicht
       unabhängiger, sondern ihre Geldpolitik wird zum Zankapfel gegensätzlicher
       Interessen.
       
       Substanziell ist das Konstrukt erst recht prekär. Der Euro wurde völlig
       unterschiedlichen nationalen Niveaus von Produktivität und Kapitalkraft
       aufgesetzt. Diese in sich widersprüchliche Währungsunion war aber die
       einzige Möglichkeit, in der Globalisierung den anderen großen
       Wirtschaftsblöcken Paroli zu bieten. Das ging nur so lange gut, wie die von
       Finanzblasen genährte globale Defizitkonjunktur ihre Scheinblüte entfalten
       konnte.
       
       Nach dem fälligen Finanzkrach wurde die Krise überall verstaatlicht. Jetzt
       kommt die zweite Welle als allgemeine Krise des Staatskredits, weil die
       Geldschwemme der Notenbanken eine schon längst nicht mehr selbsttragende
       Konjunktur subventionieren muss. Die wild schwankenden Währungsrelationen
       spiegeln kein Verhältnis von ökonomischer Stärke und Schwäche mehr, sondern
       die augenblickliche Lage im Verfall der Geldpolitik. Das zeigt sich daran,
       dass alle Währungen dramatisch gegenüber dem Gold verlieren. Der Euro
       bildet nur das schwächste Kettenglied in einem globalen Entwertungsprozess.
       
       Diese Schwäche entspricht der Schieflage in der europäischen
       Binnenkonjunktur. Nationaler Chauvinismus ist ausweglos, denn die Defizite
       der angeprangerten "Sünder" sind nur die Kehrseite der deutschen
       Exportüberschüsse. Das enorme Rettungspaket wird entweder den Euro als
       erste zentrale Währung inflationieren oder einen deflationären Schock
       auslösen, wenn im Gegenzug extreme Sparmaßnahmen die innereuropäische
       Defizitkonjunktur abwürgen.
       
       So oder so ist der Euro nicht haltbar, aber es kann auch keine Rückkehr zu
       den alten nationalen Räumen geben. Der Zusammenbruch des Euro ist die
       nächste Etappe in der Desintegration des Kapitalismus. Seine
       Zauberlehrlinge flüchten vor einer Geldkatastrophe in die nächste.
       
       14 May 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) N. Liebert
 (DIR) R. Kurz
       
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