# taz.de -- Costa Rica - Italien (Gruppe D): Locker durch die Todesgruppe
       
       > Costa Rica schlägt Italien mit 1:0. Mit ihrem zweiten Sieg sind die
       > Mittelamerikaner vorzeitig für das Achtelfinale qualifiziert – und
       > England ist raus.
       
 (IMG) Bild: Costa Ricas Joel Campbell behauptet sich gegen Andrea Pirlo.
       
       Die Startbedingungen: Die beiden Sieger der ersten Runde in der Gruppe D
       treffen aufeinander – und haben Uruguay auf den Fersen, das sich am
       Donnerstag mit seinem [1][2:1 gegen England] wieder ins Rennen gebracht
       hat. Trotzdem dürfte der Gewinner des Matches Costa Rica gegen Italien die
       besten Chancen auf den Gruppensieg haben.
       
       Italien ist natürlich gnadenlos im Vorteil. Die Mannschaft ist erfahren,
       gewieft und auf fast allen Positionen gleichmäßig gut besetzt. Die Spieler
       kennen sich untereinander bestens – spielen doch fast alle regelmäßig in
       der italienischen Liga mit- und gegeneinander –, während sich die Costa
       Ricaner in beinahe sämtlichen europäischen Ländern tummeln – meist eher in
       der zweiten Klasse. Und allein Balotelli ist mit aktuell 30 Millionen Euro
       auf dem Transfermarkt so viel wert, wie die gesamte gegnerische Mannschaft
       zusammen.
       
       Kein Wunder, dass die Wettquoten 1,5 zu 7 stehen. Italien wird gewinnen.
       Wahrscheinlich. Schade.
       
       Das Spiel: Schiri Enrique Osses macht „Tröt“ – das Spiel hat begonnen.
       Rückpass Italien, dann gleich nach vorn. Guter Pass ins Abseits. Der erste
       Torroller kommt von Costa Rica, verheddert sich aber im Strumpf eines
       italienischen Verteidigers und hüpft gemütlich in die Arme Buffons. Los ist
       in diesen ersten Minuten wenig, man tastet sich ab.
       
       Mit gestrecktem Bein und offener Sohle ins Sprungelenk. Schiri Osses sitzen
       die Karten nicht wirklich locker. Dabei dürfte er bei der beiderseitigen
       brutalen Spielweise schon gar keine mehr haben! Die Spieler purzeln wie
       junge Hunde übereinander. Man verbeißt sich jeweils 30 Meter vor dem Tor.
       Der Ball streunt übers Gras dahin, Achtung Einschlafgefahr!
       
       Auch technisch ist einiges zu bemängeln. So ist das Spiel in die Spitze
       beiderseits recht laienhaft. Der ein oder andere könnte Gefahr laufen, noch
       mal die A-Jugend wiederholen zu müssen. Jetzt wieder weniger schön:
       Gestrecktes Bein, Reinfliegen mit den Stollen voraus, bei dieser WM wird
       draufgehauen und kaum mal einer vom Platz gestellt. Aber zu was anderem als
       Umtreten sind diese neuen hässlichen karrierten Fußballschuhe auch nicht
       gut.
       
       Italien wird immer besser. Selbst wenn Costa Rica im Angriff ist, wundert
       man sich: Wieso haben die Italiener immer noch so viele Leute hinten, wo
       doch schon so viele vorn stehen? Aber Vorsicht, Italien, du musst deine
       Chancen auch mal nutzen. Die 36. Minute beweist: Costa Rica zieht an.
       Bolaňos zieht ab. Buffon muss sich richtig lang machen. Dann kommt‘s dicke:
       Campbell kreuzt zwei italienische Abwehrspieler im Strafraum, prima
       gelaufen, umgeschubst. Jetzt liegt er da und wartet auf den Pfiff. Wie so
       oft entscheidet der Schiedsrichter falsch und lässt weiterspielen.
       
       Costa Rica ist jetzt richtig sauer. Wiederum lange Flanke von Diaz, und
       länger und länger – der Ball findet auf den Kopf von Ruiz – der kloppt die
       Murmel mit dem ganzen Gehirn rein. Torlinienkamera überflüssig, 1:0 Costa
       Rica. Jetzt sind alle wach – statt ruhig in die Halbzeitpause zu gehen,
       schreien sich die Teams im Gang an – that‘s Fußball!
       
       Die zweite Hälfte beginnt flotter. Erst Innenverteidiger Matteo Darmian,
       dann Spielmacher Andrea Pirlo: Torhüter Navas muss Kopf und Kragen
       riskieren. Beim Gegenangriff kratzt Buffon den Ball fast an der Mittellinie
       aus dem Rasen. Gut, dass sich die Spieler in der Halbzeitpause in den
       Haaren hatten. Das setzt ja auch Energien frei. Jetzt gibt‘s richtig
       Fußball für die GEZ-Gebühr. 69. Minute Gelb für Balotelli. Doof. Aus Frust
       hat er seinen Gegner umgeschubst. Kann man verstehen, für Italien läuft es
       gar nicht gut, die sonst so gute Defensive benimmt sich wie die Berliner
       Mauer 1989.
       
       Costa Rica spielt so kontrolliert, da bleibt jeder italienische Angriff an
       der Strafraumgrenze hängen. Jetzt hacken sie sogar Pirlo um, die
       Höchststrafe: Ball gespielt! Wenn das so weitergeht, können sich die
       Italiener womöglich bald noch mit den Spaniern den Flieger nach Europa
       teilen. Was ist nur mit den Favoriten-Teams los? 1:0 halten, Gegner
       strampeln lassen – Costa Rica spielt sehr italienisch.
       
       Italien – weit entfernt von modernem Profi-Kick. Ach, gebt uns Trikots, wir
       kommen helfen, man kann es ja nicht mit ansehen. Hier ist richtig die Luft
       raus: Costa Ricas Brenes steht mindestens fünf Sekunden vor Italiens
       Strafraum auf dem Ball und kann sich in aller Ruhe überlegen, wie es
       weitergehen soll. Italien, wach doch auf! Die Fans machen einen fitteren
       Eindruck. Spielerisch ist hier nichts zu machen, taktisch sind die Ticos
       bestens aufgestellt. Da hilft nur noch die Einzelaktion! Wo ist eigentlich
       Silvio Berlusconi?
       
       Vier Minuten Nachspielzeit, drei sind schon um. Kriegen die Italiener
       Balotelli noch mal in Ballnähe?, fragt der Fernseher. Nein, kriegen sie
       nicht. Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist aus. Costa Rica gewinnt mit 1:0.
       
       Der Moment des Spiels: In der 58. Minute muss Buffon weit aus seinem
       Strafraum raus und zeigt dabei, dass er modernes Torwart-als-Libero-Spiel
       mindestens so sicher beherrscht wie sein so gern überschätzter deutscher
       Kollege Manuel Neuer. Unaufgeregt und schön anzusehen.
       
       Der Spieler des Spiels: Bryan Ruiz. Weil er unermüdlich den Ball fordert
       und genial verteilt. Und ihn schließlich kurz vor dem Halbzeitpfiff im Netz
       Buffons versenkt und Costa Rica verdient in Führung bringt.
       
       Die Pfeifen des Spiels: Giorgio Chiellini, der Joel Campbell den Ball in
       der 42. Minute perfekt serviert und sich dann nicht anders zu helfen weiß,
       als ihn im Strafraum brutal umzurennen. Teilen muss er sich den Titel
       allerdings mit Schiedsrichter Enrique Osses, der den fälligen Elfmeter
       verweigert.
       
       Die Schlussfolgerung: Europa ist nicht der Nabel der Welt. Nach Spanien
       fährt auch England nach Hause. Und nicht einmal Italien hat die
       Achtelfinalteilnahme sicher. Fußball – schöne Sache. Vielleicht gucken wir
       noch mal.
       
       Und sonst? Costa Rica hat die Todesgruppe bezwungen. Schon zwei von drei
       Weltmeistern. England, zieh Dich warm an! Und das gilt auch für den Rest.
       
       20 Jun 2014
       
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