# taz.de -- Der einsame Kampf des Albert B.
       
       > Deutschlands größter Verlag für Verschwörungstheorien sitzt in Rottenburg
       > am Neckar. Gegründet von einem ehemaligen Polizisten und Ufologen. Jochen
       > Kopp verlegt Bücher über Außerirdische, die Madonnenerscheinungen auf die
       > Erde projizieren, über Freimaurer oder die angebliche jüdische
       > Weltverschwörung. Der Kopp-Verlag kann die 68er-Bewegung nicht leiden und
       > Linke sowieso nicht. Nun will er expandieren. Das scheint kaum einen zu
       > stören. Außer Albert Bodenmiller, Vorsitzender der Rottenburger
       > Fraktionsgemeinschaft BFH, „Bürgerfreundliche Heimat“/Die Linke. Er
       > findet, der Kopp-Verlag sei ein „brauner Fleck“ in der Bischofsstadt
       
       von Anna Hunger (Text) und Martin Storz (Fotos) 
       
       Albert Bodenmiller kämpft seit fast genau einem Jahr gegen die Expansion
       des Kopp-Verlags im Rottenburger Industriegebiet Siebenlinden III. Es geht
       ihm in dieser Frage nicht um Geld, nicht mal ums Recht. Es geht ihm um die
       Moral, um Anstand und darum, Rückgrat zu beweisen. „Ich bin doch Demokrat
       und Christ!“, sagt er aufgebracht und rudert mit den Armen über dem Tisch
       mit der Spitzendecke. Hinter ihm hängen Zinnteller an der Wand, auf dem
       Fensterbrett lebt eine Orchideensammlung, im Regal stehen ein paar
       Bergkristalle und eine Menge Bücher, „Ägypten“, „Frankreich“, „Degas“,
       „Unser Baden-Württemberg“, was sich eben so ansammelt in einem 73-jährigen
       gutbürgerlichen Leben. Und als Demokrat und Christ, sagt er, könne er drei
       Dinge nicht vertragen: Erstens Verschwörungstheorien gegen Juden und
       Freimaurer. Zweitens Ausländer- und Islamfeindlichkeit. Drittens
       Geschichtsrevisionismus.
       
       Albert Bodenmiller lebt in Bad Niedernau, einem winzigen Ort westlich von
       Rottenburg, hier war er mal Ortsvorsteher, und die Leute lieben ihren
       Albert, sagt Albert Bodenmiller über sich selbst.
       
       Im Rottenburger Gemeinderat lieben ihn die Leute nicht, weil er unbequem
       ist und immer mal wieder aus nicht öffentlichen Sitzungen plaudert, weil er
       findet, öffentliche Sitzungen sind nicht öffentlichen meistens vorzuziehen.
       Seine Ratskollegen nennen ihn einen „Querulanten“. Beim Brauchtumsabend zu
       Fasching attestierten die Lausbühlhexen der Narrenzunft Ergenzingen
       Rottenburgs Oberbürgermeister Stephan Neher sogar eine
       „Bodenmiller-Allergie“.
       
       ## Bodenmiller leidet unter einer Kopp-Allergie
       
       Kopp hat eine eigene Online-Nachrichtenseite. Dort schreiben vor allem
       Verschwörungstheoretiker. Wie Gerhard Wisnewski, Journalist für diverse
       Frankfurter Regionalblätter, der davon überzeugt ist, die Attentate von
       Oslo, der Bombenanschlag in der Stadt und das Massaker im Jugendlager auf
       der Insel Utøya, bei denen der Attentäter Anders Breivik 77 Menschen
       umbrachte, seien von „oben“ geplant worden seien.
       
       Bis zu 3.000 Büchersendungen verschicken die Kopp-Mitarbeiter nach eigener
       Auskunft am Tag, das Geschäft brummt. Und weil der Verlag noch mehr
       verkaufen will, braucht er mehr Platz.
       
       Jochen Kopp, der Verlagschef, kaufte im vergangenen März ein Stück des neu
       geplanten Industriegebiets Siebenlinden III, 3,2 Hektar gleich neben
       Siebenlinden II, am östlichen Rand von Rottenburg, oberhalb des grasigen
       Wegs, auf dem Jogger joggen und Radfahrer Rad fahren. Dorthin will er eine
       Lagerhalle bauen. Das Gelände ist ein Wasserschutzgebiet. Eigentlich
       sollten dort Dienstleister angesiedelt werden, Institute, die mit der Uni
       Tübingen zusammenarbeiten sollten, Ingenieurbüros, Architekten und so
       weiter. Aber keiner wollte dorthin, weil Rottenburg eben doch zu weit von
       Tübingen entfernt ist. Jahre später beschloss die Stadt schließlich, das
       Grundstück an einen Elektrofachmarkt und ein Gartencenter zu verkaufen.
       Aber der Handels- und Gewerbeverein fand, damit würden die Geschäfte in der
       Innenstadt kaputtgehen.
       
       Im März 2011 meldete Jochen Kopp Interesse an. Stadtrat Albert Bodenmiller
       war damals überrascht. „Ich dachte, ich bin doch ein Büchermensch und kenne
       diesen Verlag nicht?“ Dann schaltete er den Rechner ein, googelte „Kopp“
       und war entsetzt. „Gefährliche rechtsextreme Elemente im Verlagsprogramm“,
       meint Bodenmiller und knetet die Hände über der Spitzentischdecke.
       
       Kopp hat zwei prominente Zugpferde, die zwar von Kritikern nicht in die
       rechtsextreme, dafür aber in die rechtspopulistische Ecke gestellt werden.
       Was Bodenmiller fast noch schlimmer findet, weil das Nationale dieses
       Unternehmens so im Gewand des Bürgerlichen daherkommt. Unauffällig, leise,
       unterschwellig, getarnt als ganz normal.
       
       Eine Prominente ist die Moderatorin Eva Herman, die 2007 beim NDR rausflog,
       weil sie öffentlich fand, im Dritten Reich sei nicht alles schlimm gewesen.
       Angefangen hat sie im Kopp-Verlag als Sprecherin für die Nachrichtensendung
       der Homepage Kopp-online. Eine Sendung, die seriös aussah wie „heute“ oder
       „Tagesschau“. Eva Herman überbrachte „Nachrichten, die die Massenmedien
       verschweigen“. Mittlerweile sind die Kopp-Nachrichten eingestellt, und Eva
       Herman schreibt auf Kopp-online Texte gegen Homosexualität und solche, die
       entlarven wollen, dass Medienkonzerne mitsamt der Regierung extra Brigitte
       Nielsen ins Dschungelcamp gesetzt haben, um Deutschland von all den
       wichtigen politischen Krisen auf der Welt abzulenken.
       
       Vor ein paar Jahren sorgte Eva Herman mit einem Artikel auf der
       Kopp-Homepage für einen Eklat und platzierte sich samt Verlag bundesweit in
       den Nachrichten. Die Opfer der Duisburger Loveparade, dieser „riesigen
       Drogen-, Alkohol- und Sexorgie“, seien gottgewollt gewesen, schreibt
       Herman. Und weiter: „Eventuell haben hier auch andere Mächte eingegriffen,
       um dem schamlosen Treiben ein Ende zu setzen. Was das angeht, kann man nur
       erleichtert aufatmen!“
       
       ## Der vermeintlich „Lustige Migrantenstadel“
       
       Auch Udo Ulfkotte arbeitet für Kopp. Der ehemalige Politikredakteur der
       FAZ, Geheimdienst- und Islamexperte, mittlerweile abgedriftet in einen
       regelrechten Hass auf den Islam. Ulfkotte, der Deutschland medienwirksam
       und in einer seiner Publikationen als einen „Lustigen Migrantenstadel“
       bezeichnet und statt Integrationsbeauftragten Rückführungsbeauftragte
       fordert. Außerdem Reparationszahlungen von Migranten – für die angefallenen
       Kosten, die Ausländer, vor allem Muslime, in Deutschland verursachen
       würden. Sein im Kopp-Verlag erschienenes Buch „Vorsicht Bürgerkrieg“
       schaffte es sogar auf die Titelseite des Blatts National-Zeitung, das vom
       Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem bezeichnet wird.
       
       Im Kopp-Verlag gibt es Bücher aus dem als rechtsextrem eingeschätzten
       Ares-Verlag: „Zu den schlimmsten Verbrechen im Zweiten Weltkrieg gehören
       die Massenvergewaltigungen deutscher Frauen und Mädchen durch die
       sowjetischen Soldaten.“ Aus dem rechtsextremen Grabert-Verlag: „Verrat an
       der Ostfront: Warum der endgültige Sieg nicht unter Dach und Fach gebracht
       wurde.“ Aus dem rechten Bublies-Verlag: „Migrantengewalt gehört zu den
       großen tabuisierten Themen in unserer Gesellschaft.“ Ein Buch, das auch auf
       der islamfeindlichen Seite PI angepriesen wird. Aber wirklich
       beobachtungswürdig sei der Kopp-Verlag trotzdem nicht, findet der
       Verfassungsschutz.
       
       2008 kooperierte Kopp mit dem rechten Klosterhaus-Verlag Hans Grimm für
       einen Werbeprospekt. Er wird in der Jungen Freiheit beworben, die als
       Medium der neuen Rechten angesehen wird. Aber seine Prospekte und
       Werbeanzeigen fanden sich auch bei Schlecker, in der ADAC Motorwelt, in
       Readers Digest Deutschland, im Computermagazin Chip und als Beilage im
       Naturkostmagazin Schrot und Korn. Kopp soll bis vor einigen Jahren sogar
       Anzeigen im Magazin Der Spiegel geschaltet haben. Kopp wirbt vor allem mit
       Gesundheit: Homöopathie, die gesunde Schilddrüse, Saftfasten macht leicht.
       Verschwörungen und Islamfeindlichkeit erscheinen erst auf den hinteren
       Seiten.
       
       ## Unauffällig „den Boden des rechten Denkens bepflanzt“
       
       Jochen Kopp sei einer, der mit seinen Büchern schleichend und unauffällig
       den Boden des rechten Denkens bepflanzt, sagt Albert Bodenmiller. Und
       keiner tue etwas dagegen. Dabei habe die Kanzlerin doch zur Gedenkfeier an
       die Opfer des NSU, des Nationalsozialistischen Untergrunds, der Zwickauer
       Zelle, die über Jahre unbemerkt Morde beging, gesagt, man müsse gegen jede
       Form der Ausländerfeindlichkeit vorgehen.
       
       Seitdem er sich einsetzt gegen den Kopp-Verlag, wenden sich immer mehr
       Menschen in Rottenburg von ihm ab, erzählt Bodenmiller. Und die, die sich
       noch mit ihm unterhalten, sagen Dinge wie: Na ja, wenn die von der NSU
       getöteten Türken gar nicht erst nach Deutschland gekommen wären, wären sie
       nun auch nicht tot. Außerdem rufen ihn seit einigen Monaten dauernd Nazis
       an und bedrohen ihn, sagt Bodenmiller. Sein Leben und seine Gesundheit
       seien gefährdet, sagen sie.
       
       Udo Ulfkotte hatte Bodenmillers Telefonnummer und Adresse in einem
       zynischen wie zornigen Artikel auf Kopp-online veröffentlicht, als er von
       Bodenmillers Unwillen gegen den Verlag erfuhr. Ulfkotte empfahl seiner
       Leserschaft, sich doch selbst an den Stadtrat zu wenden. Der freue sich
       bestimmt. Ulfkotte äußert sich gerne, wenn einer den Verlag kritisiert,
       weil Jochen Kopp sich doch lieber im Hintergrund hält. Für ein Gespräch
       stand Kopp auch der Kontext-Wochenzeitung nicht zur Verfügung.
       
       Kopp kaufte das Gelände Siebenlinden III. Wie viel er bezahlt hat, ist
       nicht öffentlich. Die Stadt war jedenfalls froh, die Wiese los zu sein. Die
       Verwaltung änderte sogar den Bebauungsplan für Kopps neue Lagerhalle, 35
       Meter breit, 70 Meter lang, 14 Meter hoch statt nur acht. „Der will sich da
       eine Wohnung hinbauen“, sagt Bodenmiller. „Oben drauf, auch noch mit Blick
       auf die Wurmlinger Kapelle.“
       
       Albert Bodenmiller tobte, als er davon erfuhr. Ein politischer Skandal sei
       das. Rottenburg habe ein „klares politisches Profil, das sich gegen den
       Nationalsozialismus richtet“. Mit Eugen Bolz, dem Widerstandskämpfer gegen
       das NS-Regime, der von den Nazis ermordet wurde. Oder Johannes Baptista
       Sproll, dem siebten römisch-katholischen Bischof der Diözese
       Rottenburg-Stuttgart, erklärter Gegner des nationalsozialistischen Regimes,
       Verfolgter, Verbannter. „Die würden sich im Grabe rumdrehen“, sagte
       Bodenmiller in der Ratssitzung. Die CDU, die Christdemokraten, lachten ihn
       aus, auch die SPD und der Oberbürgermeister.
       
       Alle außer den Grünen finden, der Kopp-Verlag sei ja nicht verboten, die
       Bücher bekomme man auch bei Amazon oder in Bibliotheken. Außerdem bringe er
       Arbeitsplätze, immerhin dreißig mehr durch den Ausbau, er ist einer der
       Hauptsponsoren des TV Rottenburg, und der Verkauf des Grundstücks und die
       Gewerbesteuer von Kopp bringen Geld in die Stadtkasse. Und: Viele kennen
       Jochen Kopp persönlich. Der sei schon in Ordnung, der Kopp, ein Typ, der
       sich aufopferungsvoll um seine Mitarbeiter kümmere und der Stadt, zum
       Beispiel durch sein Sportsponsoring, etwas zurückgebe. So was sei ja selten
       und eine gute Tugend, finden sie hier.
       
       Er wolle den Kopp-Verlag ja nicht verbieten, sagt Bodenmiller, Artikel
       fünf, Grundgesetz: Meinungsfreiheit. Er wolle nur nicht, dass die Stadt
       Rottenburg ihn auch noch unterstützt und ihm dieses Grundstück im
       Industriegebiet verkauft. In einer Bischofsstadt dürfe sich doch kein
       rechtes Gedankengut verbreiten. Das hat er auch Bischof Gebhard Fürst von
       der Diözese Rottenburg-Stuttgart mitgeteilt, aber der ließ ihm ausrichten,
       er wolle sich nicht in die Stadtplanung einmischen.
       
       „Man muss nicht gut finden, was die veröffentlichen, aber es gibt keinen
       Grund, warum er nicht in Siebenlinden III bauen sollte“, sagt Bürgermeister
       Stefan Neher. Keine Öle, keine Säuren, nichts, was das Grundwasser
       gefährden könnte. Eigentlich perfekt.
       
       Albert Bodenmiller sitzt in seinem Wohnzimmer unter den Zinntellern und
       ärgert sich. „Das ist wie Panzer nach Saudi-Arabien zu verkaufen oder
       Kriegsschiffe nach Angola. Moral gegen Geld, und in Rottenburg hat das Geld
       mal wieder gewonnen.“
       
       17 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Hunger
       
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