# taz.de -- Als Assi keine Chance
       
       > JUSTIZ Der Obdachlose Gero W., bekannt als Taschenmann, kriegt drei
       > Monate Haft. Aber was ändert das?
       
       In der Serie „berlinfolgen“ von taz und 2470media ist Gero W. ein bekanntes
       Gesicht. Mehr als 30.000 Menschen haben die Geschichte des Obdachlosen auf
       [1][taz.de] geklickt. Der 52-jährige mit den strubbeligen Haaren vermutet,
       dass er derjenige in Berlin ist, der die meisten Hausverbote hat. W. lebt
       in dem Gefühl, dass alle an ihm ihr Mütchen kühlen, weil er ein „Assi“ ist,
       wie er sich selbst nennt. Sein Vorstrafenregister wegen Beleidigung und
       Widerstand ist lang. Am Freitag stand der Mann mit den Packtaschen wieder
       vor Gericht. Die Amtsrichterin entschied: Drei Monate Knast. Denn:
       „Erziehung ist angezeigt.“
       
       Der Prozess ist ein Schauspiel der Unfähigkeit der Justiz, mit Menschen wie
       Gero W. umzugehen. Der Vorwurf: W. habe sich im August 2011 auf dem
       U-Bahnhof Leopoldplatz der Forderung des Sicherheitspersonals widersetzt,
       den Bahnhof zu verlassen, obwohl er dort schon mehrfach Hausverbot bekommen
       hatte. W. verteidigt sich selbst. Er hat mal Jura studiert, ist zweimal
       durchs Staatsexamen gefallen, dann in die Heroinsucht abgerutscht. Seit 15
       Jahren erhält er einen Ersatzstoff. Laut Akte hatte er zum Zeitpunkt des
       Vorfalls 2,9 Promille Alkohol intus.
       
       Vor der Tür des Gerichtssaals warten vier BVG-Sicherheitsleute und
       Polizisten. Sie sollen bezeugen, dass sie von Gero W. als Idioten und
       Ähnliches beschimpft worden seien. Zu mehreren hätten sie anpacken müssen,
       um den wild um sich tretenden Mann aus dem Bahnhof zu befördern.
       
       ## Ein gepresstes Geständnis
       
       Gero W. sagt zur Richterin, er wisse, wie der Prozess ausgehe: Als „Assi“
       allein gegen vier Sicherheitsbedienstete habe er keine Chance. Die Justiz
       glaube diesen immer eher als ihm. Er demonstriert vor Gericht, dass er gar
       keinen Widerstand habe leisten können, weil er im Fesselgriff mit auf dem
       Rücken hochgezogenen Armen abgeführt wurde. „Ich möchte die Zeugen nicht
       hören“, sagt er dann. Das gehe nur, wenn er ein Geständnis ablege. „Ja, is
       richtig“, gibt er dann zu. Es klingt gepresst.
       
       Der Staatsanwalt fordert fünf Monate Haft. Als Gero W. bei dessen Plädoyer
       ein Kichern entfährt, verliert der Vertreter der Anklage die Contenance. Er
       haut wütend auf den Tisch, brüllt: „Können Sie nicht mal die Klappe
       halten?!“
       
       W. kann gegen das Urteil Berufung einlegen. Aber würde man ihm glauben? Auf
       [2][taz.de] sagt er: „Ich bin frech. Aber bei Polizei und
       Sicherheitsdiensten mittlerweile vorsichtig“. PLUTONIA PLARRE
       
       23 Jun 2012
       
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