# taz.de -- ,,Wir sind zu hochkulturig unterwegs“
       
       > Beim Lessing-Preis wird mit Birgit Weyhe erstmals eine Comic-Künstlerin
       > geehrt
       
 (IMG) Bild: Foto: Darjush Davar
       
       taz: Frau Weyhe, was fasziniert Sie am Medium Comic? 
       
       Birgit Weyhe: Dass es eben beides hat. Bild und Text. Das sind zwei ganz
       unterschiedliche Ebenen, die einen ganz eigenen Rhythmus ergeben, in dem
       man sie gemeinsam gebraucht. Es kann erzählt und gleichzeitig Zeit und Ort
       überbrückt werden. Wir denken Zeit- und Raumsprünge mit, die wir in einem
       reinen Text beschreiben müssten. Ein Comic kann filmischer erzählen als ein
       reiner Text und ist gleichzeitig viel günstiger zu produzieren als ein
       Film.
       
       Haben Comics in Deutschland einen schweren Stand, gerade im Vergleich zu
       Frankreich und Belgien, wo Comics selbstverständlich als Kunstform
       anerkannt werden? 
       
       Auf jeden Fall. Ich glaube nach wie vor, dass das auch mit der Nazi-Zeit zu
       tun hat. Es gab ja eine reichhaltige Illustrator*innen-Karikatur-Szene in
       den 1920er-Jahren oder auch schon in der Kaiserzeit mit dem Simplicissimus.
       Diese Menschen sind entweder umgebracht worden oder mussten ins Exil gehen.
       Jene, die geblieben sind, haben dann für den Stürmer und ähnliche Blätter
       gearbeitet. Deswegen gab es so eine große Lücke und ein Misstrauen gegen
       diese Art von Kunst. In den 1950er-Jahren wurden Comics dann als
       Pillepalle-Kunst aus den USA diffamiert, die die Jugend verblödet.
       Irgendwie tut Deutschland sich da echt schwer mit. Meine Bücher verkaufen
       sich in Frankreich besser, obwohl sie sehr eng mit deutschen Themen
       verknüpft sind. In Deutschland sind wir immer noch auf dem hohen Ross der
       Dichter und Denker. Wir sind zu hochkulturig unterwegs, als dass wir
       Bildgeschichten bräuchten.
       
       Welche Künstler*innen haben Sie denn besonders beeinflusst? 
       
       Tatsächlich hauptsächlich französische Zeichner*innen. Für mich war damals
       Marjane Satrapi mit „Persepolis“ ganz wichtig, weil sie eine Mischung aus
       autobiografischem und dokumentarischem Comic gemacht hat. Das fand ich ganz
       toll. Auch diese ganz reduzierte Art zu zeichnen. Genauso David B., der
       arbeitet ähnlich.
       
       Hat Sie das Lessing-Stipendium überrascht? 
       
       Total. Ich wusste überhaupt nicht, was die Senatskanzlei von mir will. Ich
       dachte, vielleicht soll ich denen so ’ne Weihnachtspostkarte zeichnen. Dann
       dachte ich: Ich hab’das doch gar nicht beantragt. Als ich dann verstanden
       habe, was es ist, war ich wahnsinnig stolz und froh, weil es ja wirklich
       eine große Ehre ist, als Comic-Zeichnerin in diesen elaborierten Kanon
       aufgenommen zu werden.
       
       Zumal Sie die erste Comic-Künstler*in sind, die den Preis erhält. Werten
       Sie das als einen Schritt in die richtige Richtung bezüglich der
       Anerkennung von Comic-Kunst im etablierten Kulturbetrieb? 
       
       Auf jeden Fall. Das finde ich daran am allerbesten, dass damit Comics mit
       aufgenommen und geehrt werden. Das finde ich ganz großartig.
       
       20 Jan 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lenard Brar Manthey Rojas
       
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