# taz.de -- 3.000 ANSCHLÄGE AUF DIE KOALITION (11): PETER KRUCKENBERG FORDERT, PSYCHIATRIE NICHT AUF KOSTEN DER SCHWEREN FÄLLE ZU REFORMIEREN: Grundrechte stehen auf dem Spiel
       
       Eigentlich ist das Behandlungs- und Hilfesystem für Menschen mit
       psychischen Erkrankungen in Bremen auf einem guten Weg – mit lebendigem
       Engagement vieler Beteiligter: Die Bürgerschaft hat ein umfassendes
       Reformprogramm einstimmig beschlossen. Arbeitsgruppen mit VertreterInnen
       der Leistungserbringer, PatientInnen, Angehörigen und Beschäftigten fördern
       Projekte zur Qualitätsverbesserung. Für Bremerhaven ist ein Verbund zur
       verbindlichen Überwindung von Versorgungs-Bruchstellen durch Kooperation
       und Steuerung der Dienste und Einrichtungen unter Mitarbeit der
       Krankenkassen in intensiver Vorbereitung.
       
       Aber bei der Behandlung von schwer akut kranken PatientInnen, die am
       stärksten gefährdet und deren Angehörige besonders belastet sind, bleiben
       die Verantwortlichen untätig. Grund ist ein widerrechtlicher Personalabbau:
       Für diesen Zweck vorgesehene Gelder werden zum Ausgleich von Defiziten in
       anderen Bereichen eingesetzt. Besonders im Klinikum Bremen-Ost: Zur
       Bewältigung kritischer Situationen muss das überlastete therapeutische
       Personal vermehrt Medikamente einsetzen, Stationen schließen und die
       Behandlungs- und Entlassungsplanung reduzieren. Der Krisendienst ist
       überlastet, seine Existenz durch Personalabbau gefährdet. Dabei nimmt die
       Zahl der Zwangseinweisungen weiter zu.
       
       Die auch mit Bürgerschaftsabgeordneten besetzte Besuchskommission klagte
       wiederholt über unerträgliche Zustände auf bestimmten Stationen.
       Gleichzeitig wird eine freundliche Station mit vielen
       Aktivitätsmöglichkeiten und Freigelände ohne Abstimmung mit Fachleuten von
       der Geschäftsleitung überfallartig geschlossen.
       
       Dies alles war unbestritten bei dem öffentlichen Wahlprüfungsgespäch der
       Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) im Februar – mit den
       gesundheitspolitischen Sprechern der Bürgerschaftsfraktionen im Beisein der
       Abteilungsleiterin der senatorischen Behörde. Man war sich einig, dass
       dringend notwendig sei, die vorgeschriebene Personalausstattung unter
       externer Kontrolle wiederherzustellen. Ein kooperativer Führungsstil der
       Gesundheit Nord mit zielorientierter Hierarchie-übergreifender Abstimmung
       der fachlichen und strukturellen Erfordernisse müsse eingerichtet werden
       und die verbindlich vereinbarte Zusammenarbeit gefördert werden. Für mehr
       Transparenz und Qualitätsförderung sollten die unabhängigen Fürsprache- und
       Beschwerdestellen unterstützt sowie mehr Psychiatrie-erfahrene
       Genesungsbegleiter eingestellt werden.
       
       Das war vor 100 Tagen, in denen nichts passiert ist. Dabei könnten Menschen
       mit schweren psychischen Erkrankungen bei angemessener Behandlung
       entscheidende Fortschritte in seelischer Gesundheit erreichen. Wenn die
       Geschäftsführungen von öffentlichen Betrieben nicht bereit sind, diese so
       zu führen, dass Grundrechte angemessen beachtet werden – dann ist der vom
       neuen Gesundheitssenator geleitete Aufsichtsrat in der Verantwortung. Die
       DGSP hat ihn angeschrieben.
       
       20 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) PETER KRUCKENBERG
       
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