# taz.de -- Weiblicher Sextourismus: Verbrämte Lusttäterinnen
> Sommer, Sonne und große Gefühle im Sonderangebot. Warum viele Frauen
> kleine Liebesflüsterer zu großen Liebhabern stilisieren.
(IMG) Bild: Der Traum von einem Mann.
Erst erobern sie dein Herz, dann räumen sie dein Konto ab: 5.000 deutsche
Touristinnen fallen jedes Jahr auf Beznesser rein", schreibt Bild der Frau
und schickt zwei Reporterinnen auf verdeckte Recherche nach Kenia. In einer
dreiteiligen Serie wird über die Tricks der "Liebesbetrüger" berichtet. In
Internetforen wie [1][www.1001geschichte.de], inszeniert von Evelyne Kern,
selbst Opfer eines sogenannten Beznessers, werden die "Gefühlsgangster" an
den Pranger gestellt.
Ihre weiblichen Opfer finden ein bisschen Sex, Erotik und Anerkennung und
halten es für Liebe, auch wenn der Eroberte 20 Jahre jünger, die eigene
Attraktivität längst verflogen ist. Die Beach Boys von Kenia, die
Strandadonisse von Sousse oder die Strandläufer von Antalya sind
trickreiche Einzelunternehmen in Sachen Sex. Ihr Kapital ist der eigene
Körper und Charme, ihr Bordell der ganze Strand.
Der Körper als käufliche Ressource der Dritten Welt - Business as usual in
einem globalen Markt mit seinen strukturellen Ungleichheiten. Frauen,
Männer, selbst Kinder sind als Sonderangebot zu haben. Der Motor für die
Entwicklung des Sextourismus ist vor allem das Wohlstandsgefälle zwischen
den Reisenden und den Ländern, meist im Süden, die sie bereisen. In dem
Moment, in dem das ökonomische Gefälle beseitigt ist, würden sich die
Verhältnisse rasch normalisieren. Der Papagallo im Italien der sechziger
Jahre, der Latin Lover an den Stränden Spaniens hat sich in einem
wirtschaftlich saturierten Europa - zumindest bis zur Finanzkrise - längst
im eigenen Ferienhaus zur Ruhe gesetzt.
Doch vom schönen Macho aus Berufung und Beruf will frau nichts wissen. Das
ist der entscheidende Unterschied zum zielstrebigen Bordellbesuch der
Männer in Thailand mit wechselnden Partnerinnen. Bei den männlichen
Sextouristen ist Vögeln auf dem Reiseplan vorprogrammiert. Dies stünde den
weiblichen Freierbedürfnissen konträr entgegen: Die funktionale
Eindeutigkeit zerstört die Lust der Vorlust und alle Liebesillusion von
vornherein.
Doch die Frauen sind keine Opfer patriarchaler Selbstherrlichkeit,
hereingelegt und ausgebeutet von polygamen männlichen Strandschönheiten.
Sie sind romantisch verbrämte Lusttäterinnen, die sich holen, was sie
brauchen - ein bisschen Erotik von gut aussehenden Männern. Sie sind Opfer
ihrer eigenen Naivität, ihres Mangels und der Sehnsucht nach dem großen
Gefühl. Und dafür zahlen sie manchmal einen hohen Preis: Sie bauen sich und
dem Geliebten ein Haus im fernen Urlaubsparadies ohne rechtliche
Absicherung, sie zahlen für die Familie oder sie holen ihren Prinz gleich
nach Europa, wo er sich als glitschiger Frosch entpuppt. Denn der
verführerische Macho ist meist wenig anpassungsfähig, noch weniger
emanzipiert.
Dabei durchstreiften Frauen schon viel selbstbewusster die Strände dieser
Welt. Sie machten Urlaub von der Political Correctness des Feminismus der
Siebzigerjahre. Ihr Credo: entdecken, welche Art von Lust sie als Frau
wollen. Sie machten sich auf nach Jamaika, zu Reggae und Rastas, um sich
ohne Gewissensbisse an der Schönheit männlicher Körper zu erfreuen: "Welche
Frau hier könnte es sich leisten, ihre männliche Muse stundenlang versonnen
zu betrachten, wie es die Frauen auf Jamaika von sich berichten?", fragten
sich Autorinnen des Frankfurter Szenemagazins Pflasterstrand. Frauen
experimentierten mit Fischern in Griechenland, mit arabischen Wüstenprinzen
und brasilianischen Strandurlaubern. Sie suchten den besonderen, vielleicht
den archaischen, auf jeden Fall den erotischen Mann.
Auch die amerikanische Dozentin Maryse Holder machte in den Siebzigern Jagd
auf mexikanische Machos. Sie rauchte, trank und liebte hemmungslos. Im
Vorwort der Buchausgabe "Give sorrow words - Maryse Holders letters from
Mexico" würdigt die amerikanische Feministin Kate Millet die Sprengkraft
dieser Thematik: hemmungsloser Sextourismus, praktiziert von einer Frau.
Sie sah in Maryse Holder "eine Schwester, Abenteurerin, eine Verrückte, so
kühn wie früher Henry Miller, so selbstzerstörerisch wie Janis Joplin, die
Stimme Genets in einer Frau […]."
Von Wildheit und Abenteuer, geschweige denn Selbstbewusstsein ist in den
Geschichten der ewig Betrogen wenig zu spüren. Vielleicht sollten die
Pauschalflieger nach Kenia, Ägypten oder Mali den Film "In den Süden" mit
Charlotte Rampling zeigen. Auch da geht es um die ungleiche Liebe zweier
älterer Frauen zu einem jungen Haitianer. Ohne Reue, Ausbeutung und vor
allem ohne Illusion. Ein subtiler, ein zärtlicher Film.
17 Dec 2011
## LINKS
(DIR) [1] http://www.1001geschichte.de/
## AUTOREN
(DIR) Edith Kresta
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