# taz.de -- Entmietung in der Habersaathstraße: „Ein Beispiel, dass Kämpfen sich lohnt“
> Vor dem Bezirksamt Mitte demonstrieren Bewohner:innen der
> Habersaathstraße 40–48 gegen Abrisspläne, fehlende Heizung und die
> schweigende Politik.
(IMG) Bild: Machen Stimmung vor dem Rathaus Tiergarten: Unterstützer:innen der Habersaathstraße
taz | Statt „Spaghettiii“ rufen die Menschen „Habersaath bleibt!“, als sie
sich hinter dem Demobanner zum Gruppenfoto aufstellen. „Gemeinsam gegen
Verdrängung und Mietenwahnsinn“ steht auf dem, und: „Klimafeindlicher
Abriss ist das Verbrechen“. Vor dem Rathaus Tiergarten an der Moabiter
Turmstraße, einem Sitz des Bezirksamts Mitte, haben sich am
Donnerstagnachmittag mehr als 80 Personen versammelt, um für die Rechte der
Bewohner:innen der teilbesetzten Habersaathstraße 40–48 zu
demonstrieren. Die sind von massiven Entmietungsversuchen seitens des
Hauseigentümers betroffen. Und das Bezirksamt ist bisher weitgehend untätig
geblieben.
Andy dreht sich mit erhobener Faust zur Fassade des Gebäudes. „Werdet mal
wach, ihr da oben“, schreit er ins Mikrofon. Seine Stimme halt von den
Wänden wieder, die Menge gibt zustimmende Rufe. Andy wohnt seit drei Jahren
in der Habersaathstraße, davor war er obdachlos. Die Zustände der letzten
Wochen vergleicht er mit seiner Zeit auf dem Alexanderplatz: „Da wurde man
auch vermöbelt“, sagt er.
Vor zwei Wochen waren [1][Mitarbeitende einer Sicherheitsfirma] in
Wohnungen eingedrungen und versuchten, Bewohner:innen illegal zu
räumen. „Wir haben auch Rechte auf Rechte!“, ruft Andy. Zwischen den Sätzen
bläst er in die gelbe Trillerpfeife, die um seinen Hals hängt.
Der Besitzer des Gebäudekomplexes in der Habersaathstraße, Andreas
Pichotta, Geschäftsführer bei der Immobiliengesellschaft Arcadia Estates,
will die Häuser abreißen und an ihrer Stelle Luxuswohnungen bauen. 2021
wurden etwa 30 leerstehende Wohnungen von überwiegend wohnungs- und
obdachlosen Menschen besetzt. Darüber hinaus gibt es in den Häusern auch
Mieter:innen mit Vertrag sowie ein Hotel. Seit Jahren versucht Pichotta
mit allen Mitteln, die Bewohner:innen aus den Häusern zu bekommen.
## Fernwärmevertrag nicht verlängert
In den letzten Wochen hat sich die Situation immer weiter zugespitzt. Neben
den illegalen Räumungsversuchen wurde auch das [2][Trinkwasser zeitweise
abgestellt]. Seit dieser Woche sind die über 200 Bewohner:innen
außerdem [3][ohne Wärmeversorgung]. Pichotta ließ den Vertrag mit dem
Fernwärmeversorger Berliner Energie und Wärme (BEW) nicht verlängern.
Trotzdem sah das Bezirksamt Mitte bisher keinen ausreichenden
Handlungsbedarf. Auf taz-Anfrage teilt das Amt mit, dass für eine
sogenannte „Ersatzvornahme“ bisher die Grundlage fehle. In einem solchen
Fall würde das Bezirksamt auf Kosten des Besitzers die Mietmissstände
beseitigen. Dass Pichotta angab, die Mieter:innen ab November mit
Heizstrahlern zu versorgen, betrachtete das Bezirksamt als ausreichend. Es
teilte zudem mit, dass lediglich „circa vier Wohnungen“ betroffen seien –
gemeint sind offenbar diejenigen, für die Mietverträge vorliegen. Davon,
dass auch das Hotel seit Dienstag keine Fernwärme mehr bezieht, scheint das
Bezirksamt nichts zu wissen.
„Es ist vollkommen lächerlich, Heizstrahler in die Wohnungen zu stellen“,
ruft Valentina Hauser* den Unterstützer:innen der Habersaathstraße vor
dem Bezirksamt zu. Hauser ist von der Initiative „Leerstand hab ich saath“.
Der einzige Effekt der Heizstrahler sei die Gefahr eines Hausbrandes: „Die
Stromleitungen sind viel zu marode. Deswegen hat auch keine einzige Wohnung
eine Waschmaschine“, so Hauser. Im Übrigen sei bei den Mieter:innen
bisher keines der angeblich versprochenen Geräte angekommen.
## Die Bürgermeisterin ist nicht erschienen
Neben Hauser steht Fabian Jung, der in Hausnummer 44 wohnt. „Frau
Remlinger, Herr Gothe“, sagt Jung und wendet sich ersatzweise dem
Rathausgebäude zu – Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger und
Baustadtrat Ephraim Gothe sind nicht selbst bei der Demonstration
erschienen. Jung fordert sie auf, die Abrissgenehmigung für die Gebäude in
der Habersaathstraße nicht wieder zu verlängern. Die aktuelle ist nur bis
zum 31. Dezember gültig. „Wenn Sie das machen, unterzeichnen Sie Nötigung
und Körperverletzung“, ruft Jung.
Stattdessen fordern Bewohner:innen und Unterstützer:innen eine
Rekommunalisierung der Gebäude. [4][9.675 Unterschriften] hat eine
entsprechende Petition bereits erreicht, das Ziel sind 10.000. Am 21.
November plant die Gruppe, die Forderung an die
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zu übergeben.
Jung ist optimistisch. „Wir müssen ein Zeichen setzten, dass Kämpfen sich
lohnt“, sagt er zu der Menge. Die Habersaathstraße solle ein Beispiel dafür
werden, dass mal wieder ein Eigentümer verliert. Die
Unterstützer:innen halten ihre Plakate hoch: „Wohnungen sind kein
Aktienpaket“ steht da unter anderem. Ein Satz aus einem wegweisenden Urteil
in einer Räumungsklage gegen einen Mieter in der Habersaathstraße. Damals
wurde für den Bewohner und gegen den Besitzer entschieden.
7 Nov 2025
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## AUTOREN
(DIR) Clara Dünkler
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