# taz.de -- Die Wahrheit: Lasst Mohnblumen sprechen
       
       > Die Engländer haben so manchen Krieg gewonnen. Hatten sie nicht
       > wenigstens einen Koch dabei? Und kann es sein, dass er Ire war?
       
       In dieser Jahreszeit trägt der Brite gerne eine Mohnblume am Revers. Am
       gestrigen Sonntag war nämlich „Remembrance Sunday“, der aus dem „Armistice
       Day“ hervorgegangen ist. Der markiert die Unterzeichnung des
       Waffenstillstandsabkommens am 11. November 1918 um 11 Uhr 11, womit der
       Erste Weltkrieg endete. Im Vereinigten Königreich hat man den Tag auf den
       Sonntag gelegt, der dem 11. November am nächsten liegt.
       
       Die Mohnblume geht auf das Gedicht „In Flandern Fields“ zurück, in dem John
       McCrae diese Blumen auf den Schlachtfeldern des 1. Weltkriegs beschreibt.
       Es gibt sie in verschiedenen Farben für unterschiedliche Aspekte des
       Gedenkens – schwarze Mohnblumen für gefallene schwarze Soldaten, weiße für
       Pazifismus und violette für gefallene Tiere. Die Royal British Legion
       verkauft jedes Jahr 30 Millionen Mohnblumen.
       
       Heutzutage gedenkt man an aber nicht nur der Weltkriegstoten, sondern auch
       der britischen Soldaten, die in allen Konflikten mit britischer Beteiligung
       ums Leben gekommen sind. Doch schon seit Wochen bemängeln die englischen
       Boulevardblätter die mohnblumenfreien Kragen der irischen Sportler und
       Sportlerinnen, die in britischen Vereinen spielen. Diesmal traf die Wut
       Arsenals Kapitänin Katie McCabe, die als Hassobjekt den langjährigen
       Lieblingsschurken James McClean, Kapitän von Wrexham, abgelöst hat. Als
       LGBTQ+-Sportlerin hat sie schon früher Angriffe eingesteckt.
       
       ## Nichts Eigenes
       
       Man monierte, dass die Iren nicht der „britischen Armee gedenken, die
       Irland vor böswilligen Ländern schützt, während die Iren buchstäblich
       nichts Eigenes haben“. Interessante Sichtweise, waren die Böswilligen in
       Irland doch die Soldaten der britischen Armee. Die meisten Menschen, die
       von ihnen im Laufe der Jahrhunderte getötet wurden, waren Zivilisten und
       keine bewaffneten Kämpfer. Meistens versuchte die Armeeführung, die Morde
       zu vertuschen – zum Beispiel in Derry, McCleans Heimatstadt, wo die
       britische Armee 1972 am „Bloody Sunday“ 14 unbewaffnete Demonstranten
       erschoss. „Deshalb habe ich nie eine Mohnblume getragen und werde es auch
       nie tun“, sagte der Fußballer.
       
       In Deutschland symbolisiert der 11. 11. um 11 Uhr 11 nicht das Ende der
       Weltkriegsgräuel, sondern den Beginn der Karnevalsgräuel. An diesem Datum
       wird in Hochburgen wie Köln und Mainz die fünfte Jahreszeit eingeläutet.
       Auf Amazon kann man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und einen
       Gothic-Karnevalsumhang mit Mohnblumendruck kaufen.
       
       Dabei kann man mit Mohn noch viel vernünftigere Sachen machen, als ihn am
       Revers oder als Umhang zu tragen. Der Schlafmohn liefert Körner, die schon
       seit Jahrtausenden auf unterschiedliche Art eingesetzt werden: für Gebäck,
       als Tierfutter oder aber als Rauschmittel. Und wer sich friedlich zudröhnt,
       zieht in keinen Krieg und karnevalisiert auch nicht.
       
       10 Nov 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Irland
 (DIR) Britische Armee
 (DIR) Soldaten
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Gottes martialischer Hooligan
       
       Der misogyne Kampfsportler Conor McGregor gilt unangefochten als
       unangenehmster Ire der Welt. Willkommen ist er nur noch im Weißen Haus.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Tanten, die trinken und tanzen
       
       Sie war Grafikerin und Malerin, eine große Irlandfreundin und die
       Schwägerin eines bekannten Liedermachers. Nachruf auf Gertrude Degenhardt.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Geklaute Juwelen
       
       Nicht der erste Fall, dass königliches Geschmeide wie im Louvre gestohlen
       wurde. In Irland kamen royale Schmuckstücke schon im Jahr 1907 abhanden.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Halb vergrabene Leichen
       
       Im 19. Jahrhundert exportierten irische Immigranten etwas in die USA, das,
       aufgeblasen zu Halloween, als überdimensioniertes Volksfest zurück kam.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Verdächtig runde Steine
       
       Bei den abseitigsten Sportarten gibt es oft die merkwürdigsten Betrügereien
       von Teilnehmern, die offenbar alles tun, um Rekorde aufzustellen.