# taz.de -- Nadine Conti Provinzhauptstadt: Ein Comeback mit Ballast
       
       Huch, das ist doch… Ja, richtig, Anne Spiegel (Grüne) soll neue Dezernentin
       für Soziales, Teilhabe, Familie und Jugend in der Region Hannover werden.
       Man erkennt sie sofort wieder, aber das ist nicht unbedingt eine gute
       Nachricht.
       
       Dreieinhalb Jahre ist es her, dass sie nach einer denkwürdigen
       Pressekonferenz als Bundesfamilienministerin zurücktrat. Einer
       Pressekonferenz, die beim Hinschauen weh tat, so unbeholfen, schlecht
       beraten, emotional bloßgestellt und zum Fremdschämen war sie. Darüber wie
       es zu diesem Rücktritt kam und wie er zu deuten ist, ist auch in der taz
       viel diskutiert worden.
       
       In der Aufarbeitung der Ahrtal-Katastrophe waren Spiegel verschiedene Dinge
       vorgeworfen worden. Sie war damals Umweltministerin in Rheinland-Pfalz,
       auch in ihrem Haus war die Situation falsch eingeschätzt und nicht
       ausreichend gewarnt worden. Aus dem Untersuchungsausschuss wurde die
       Kommunikation zwischen Spiegel und ihrem Pressesprecher durchgestochen, die
       deutlich machte, dass sie sich am Tag nach der Katastrophe vor allem um die
       eigene Außendarstellung sorgte und nicht so sehr um die Opfer.
       
       Später kam dann heraus, dass sie zehn Tage nach der Katastrophe mit ihrer
       Familie in den Urlaub gefahren war. Anders als zunächst behauptet, hatte
       sie von dort aus nicht per Videokonferenz an Kabinettssitzungen
       teilgenommen.
       
       In der Pressekonferenz, die wohl als Flucht nach vorn gedacht war,
       begründete sie diese Auszeit mit der Krankheit ihres Ehemannes (er hatte
       2019 einen Schlaganfall) und den familiären Belastungen durch die
       Coronapandemie mit vier kleinen Kindern.
       
       Diese Belastungssituation bestand allerdings schon länger und hatte sie
       nicht daran gehindert, zeitweise zwei Ministerämter in Rheinland-Pfalz zu
       bekleiden, einen Wahlkampf als grüne Spitzenkandidatin zu führen,
       stellvertretende Ministerpräsidentin zu werden und dann in die
       Bundespolitik zu wechseln. Übel nahm man ihr auch, dass von den Belastungen
       der Toten, Verletzten und Traumatisierten im Ahrtal nicht so viel die Rede
       war.
       
       Nach ihrem Rücktritt entspann sich schnell eine Debatte darum, ob
       Frauen/Grüne/Mütter sich im Amt härteren Beurteilungen stellen müssen (die
       einfache Antwort lautet Ja/Ja und Ja).
       
       Was dass jetzt für die Vereinbarkeit von Karriere und Familie bedeutet
       (nix, alles genauso unvereinbar wie zuvor und eine blöde Arbeitsteilung
       wird auch nicht dadurch besser, dass man die Rollen umkehrt) und wie es
       eigentlich kommt, dass so Skandale und amtliches Vollversagen an Männern
       wie Andreas Scheuer, Jens Spahn, Helmut Kohl, Gehard Schröder oder wem auch
       immer regelmäßig abzutropfen scheinen, an Frauen aber eher selten?
       
       Vielleicht muss man das Comeback von Anne Spiegel in dieser Hinsicht als
       ermutigendes Zeichen lesen. Immerhin bekommt sie jetzt Gelegenheit, zu
       zeigen, dass man aus Fehlern lernen kann. Wenn ihr das gelänge, wäre das
       doch einmal ein echter Fortschritt.
       
       10 Oct 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Conti
       
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