# taz.de -- Ein Bügel wird Zeuge
> Objekte sind ein Spiegelbild ihrer Besitzer. Von ihren Formen lassen sich
> drei Künstlerinnen anregen in Schloss Britz
Von Katrin Bettina Müller
Der Lieblingswandersocke hat ein Loch. Das wird gestopft. Der Stopfpilz ist
neu erworben und sieht aus wie ein Fliegenpilz. Die Verkäuferin lobt den
Erwerb: Egal wie stümperhaft [1][repariert], gilt das jetzt als nachhaltig.
Nachhaltigkeit ist zu einer wichtigen Aufgabe geworden, um der
Ressourcenverschleuderung zu begegnen. In früheren Jahrzehnten aber war der
pflegliche Umgang mit Tischdecken und Porzellan nicht nur notwendig, weil
die Dinge kostbar waren, sondern bedeutete auch Arbeit an der sozialen
Verortung. Davon zeugt die Ausstellung über Wohnkultur der Gründerzeit im
Herrenhaus [2][Schloss Britz], in einem dörflichen Zipfel von Neukölln. Mit
den Dingen und den Vorstellungen, Erinnerungen und Projektionen, die sich
an karierte Tischdecken, ein blaues Tassenmuster oder altes Spielzeug
haften, beschäftigen sich aber auch die drei Künstlerinnen Fides Becker,
Anja Teske und Julia Ziegler in ihrer Ausstellung „Mobilien – was man
mitnimmt, sind die Dinge“ in Schloss Britz.
Anja Teskes Fotografien von der Falte in einem Tischtuch oder Kronleuchtern
an der Decke sind delikat, der Print samtig, die Modulationen in den Farben
und Schatten wirken wie gemalt. Sie rückt damit zwei Gläser auf einem Tisch
in eine Distanz, als ob man durch einen langen Zeittunnel darauf blicken
könnte. Für die Bildserie „Erwachsen werden“ hat sie Spielzeuge in
Zeitungspapier verpackt, mit Lichttupfern und Schatten fotografiert. Man
denkt an den Wegzug aus dem Elternhaus, an Abschiednehmen von Begleitern
der Kindheit. In der Nachkriegszeit war in Schloss Britz ein Kinderheim
untergebracht, auch dazu lässt sich ein Bezug denken.
1924 wurde das Gut Britz an die Stadt Berlin verkauft, das Herrenhaus in
vier Wohnungen aufgeteilt. Der Bezug auf diesen Zeitraum spielt in der
Ausstellung vage mit. Zu den wenigen Dokumenten aus der Zeit gehört die
Fotografie einer Frau, die in ihrem Salon auf dem Sofa sitzt. Julia Ziegler
hat das Motiv mehrfach aufgegriffen. Einmal in Zeichnungen der Sitzenden,
überwölbt von einem konvexen Glas, mit dem das sich Entziehende der
Vergangenheit, ihr Schwinden betont wird. Ein anderes Mal sitzt die Figur
gemalt als Cutout in einer Zimmerecke, vor sich einen Glücksklee. Aus
Papier geschnitten flattern dessen Blätter über die Wände, wie ein
aufgescheuchter Vogelschwarm, ein Moment der Beunruhigung und Bedrohung.
Julia Ziegler arbeitet gerne mit vorgefundenen Mustern, etwa dem Design von
Geschirr. Das blaue Muster eines Wandtellers löst sie vom Teller,
vergrößert die Elemente und lässt sie über eine Wand im Kreis tanzen. Sie
sammelt Kuchenplatten auf Flohmärkten, deren Design Impulse der
[3][Bauhausmoderne] aufgegriffen hat. Einige davon sind jetzt auf den Tisch
im Jagdzimmer des Schlosses geschmuggelt, das von einem Wandbild mit
monumentalen Wildschweinen beherrscht wird.
Die Ausstellung „Mobilien“ findet eben sowohl in den Räumen der Gründerzeit
als auch in denen für die aktuellen Ausstellungen statt. Es gehört zum
Konzept der Kurator:innen Rebekka Liebmann und Martin Steffens,
Künstler:innen der Gegenwart dazu einzuladen, einen Bezug zur Geschichte
des Ortes herzustellen. Das war aber nur ein Anker für die drei
Künstlerinnen, die eine je eigene Auseinandersetzung mit dem
Gegenständlichen betreiben. Für die Malerin Fides Becker mögen konkrete
Momente der Ausgangspunkt sein, bevor eine Lampe oder ein Kleiderbügel zum
Sujet werden. Die Malweise aber, mit verwischten und zerfließenden Zonen,
lädt das Marginale theatralisch auf, macht den Bügel oder die Lampe zum
Zeugen einer emotionalen Geschichte, die wir nicht kennen. Wohl aber den
Moment, in dem Objekte des Alltags die Erinnerung triggern und den inneren
Film anwerfen.
„Mobilien – was man mitnimmt, sind die Dinge“, Schloss Britz, bis 28.
September
18 Aug 2025
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