# taz.de -- das wird: „Es fehlt der persönliche Bezug zum Gebauten“
       
       > Lasse Fehmerling baut frugal, also saisonal, mit lokalen Materialien und
       > partizipativ. Das müsste gar nicht teurer sein als konventionelles Bauen,
       > wenn die Preise anders berechnet werden würden
       
       Interview von Quirin Knospe
       
       taz: Herr Fehmerling, Ihr Architekturkollektiv nennt sich „Frugal Bauen“.
       Was soll das bedeuten? 
       
       Lasse Fehmerling: Frugal hat für uns eine vielfältige Bedeutung. Wir wollen
       sparsam, einfach und mit wenig Mitteln viel bauen. Der Begriff, wie wir die
       Architektur verstehen, soll durch diese Verantwortung einen Rückschluss
       darauf ziehen, wie man auch mit lokalen Materialien nach lokaler Tradition
       bauen kann.
       
       taz: Sie verfolgen auch einen saisonalen und regionalen Ansatz. Wie sieht
       das aus? 
       
       Fehmerling: Das kann man gut an unserem Seegrasprojekt sehen. Es gibt
       Jahreszeiten, die für verschiedene Phasen des Bauens und der
       Materialbeschaffung gut passen. Seegras wird in großen Mengen und frei von
       großen Verunreinigungen vorwiegend in den Wintermonaten an die Ostsee
       geschwemmt. Danach muss man das Material aufbereiten, trocknen, waschen.
       Das zieht sich bis ins Frühjahr. Dann kann man die Sommermonate für das
       Bauen nutzen. Dieses materialgerechte Bauen kann man auf viele Roh- und
       Baustoffe, die regional verfügbar sind, beziehen. Wir wollen, dass man
       wieder mehr mit den Jahreszeiten denkt.
       
       taz: Das klingt im Vergleich zur konventionellen Bauweise ganz schön
       aufwendig. 
       
       Fehmerling: Das kommt darauf an. Wir versuchen wiederverwendbare Stoffe
       einzubeziehen. Wir haben letztens einen Schafstall gebaut und den Dachstuhl
       einer alten Schule wiederverwendet. Da muss man prüfen: Wo sind
       Beschädigungen? Wo ist das Holz vielleicht morsch? Welche Grundrisse hat
       der Dachstuhl? Das muss man in die Planung einbeziehen und das kann
       aufwendiger und kostenintensiver sein. Betrachtet man aber zum Beispiel
       Aufwand und Kosten, den die Entsorgung von Sondermüll bei chemischen
       Baustoffen bereitet, relativiert es sich. Ähnliches gilt für den
       Wartungsaufwand komplexer Gebäudetechnik im Vergleich zu Lowtech-Lösungen.
       
       taz: Dieses Bau-Ideal wird sich also aufgrund der Wirtschaftlichkeit nicht
       etablieren? 
       
       Fehmerling: Die politischen und baurechtlichen Bedingungen sprechen zurzeit
       dagegen, sodass wir vor allem mit idealistischen Auftraggebenden arbeiten.
       Schaut man aber auf konventionelle Dämmmaterialien, sieht man, dass
       Umweltschäden nicht in die Abrisskosten eingepreist werden und die Lobby
       extremen Einfluss auf den Markt und damit auf die Normung und das
       Fachwissen hat. Man muss nicht unbedingt ökologische Materialien
       bezuschussen, aber man müsste für alle Materialien einen reellen Preis
       festlegen, der auch die Entsorgung oder Gesundheitsschäden mitdenkt. Dann
       würde man zum Schluss kommen, dass lokale, nachwachsende und rückbaubare
       Materialien mehr Sinn ergeben.
       
       taz: Für den Workshop in Schwerin haben Sie eine soziale Architektur
       entworfen. Was hat es damit auf sich? 
       
       Fehmerling: Wir wollen partizipativer bauen und dass Leute Lust haben, sich
       einzubringen. Das kann identitätsstiftend sein, weil auch Laien am
       Gesamtergebnis mitwirken. Ich glaube, das Problem der aktuellen Bauwelt
       ist, dass meistens irgendwelche Bauträger Fertighäuser hinstellen. Man
       setzt sich nicht mehr mit der bebauten Umwelt auseinander. Es fehlt der
       persönliche Bezug zum Gebauten und zum Alten. Außerdem wollen wir die
       Bautradition wiederfinden.
       
       taz: Das Wissen wollen Sie auch in Universitäten lehren. 
       
       Fehmerling: Wir haben uns während des Studiums gegründet, weil die
       Lehrinhalte uns zu wenig nachhaltig waren. Wir haben dort eine Lücke
       gesehen und diese geschlossen. Weil wir das Wissen nicht selber hatten,
       haben wir bekannte Architektinnen, die im Thema Nachhaltigkeit renommiert
       sind, angefragt. Später hat sich dann die Möglichkeit herauskristallisiert,
       selber Lehre zu betreiben. Aktuell haben wir mehrere Lehraufträge an
       Hochschulen und Universitäten. Dort wollen wir unser Wissen über die
       Materialität der Baustoffe, aber auch praxisorientierte Anwendungen lehren
       und erforschen.
       
       1 Aug 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Quirin Knospe
       
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