# taz.de -- Ausgehen und rumstehen von Marie Serah Ebcinoglu: Der Anzug lässig, das Englisch unentspannt
       
       Am Dienstagabend quetschen sich Studierende in Dahlem in einen Seminarraum
       zu Constance Debrés Antrittsvorlesung. Das „Enfant terrible“ des
       französischen Literaturbetriebs ist dieses Semester Gastprofessorin an der
       FU Berlin. Die ehemalige Pariser Strafverteidigerin turned Star-Autorin ist
       neben ihren autofiktionalen Romanen vor allem auch für ihren, sagen wir,
       interessanten Ruf bekannt. Kühl und distanziert soll sie sein, bisweilen
       übellaunig.
       
       Das Publikum ihrer Lesung am Berliner Institut Français vor zwei Wochen
       scheint das bestätigen zu können – allerdings hätte mich jener Abend auch
       eher in schlechte Stimmung versetzt, von dem, was man so hört. Debré las
       dort aus ihrem Roman „Playboy“ (2018), der nun auf Deutsch übersetzt wurde.
       In dem kurzweiligen Band erzählt sie vom Bruch mit ihrem alten Leben, mit
       der bourgeoisen Familie (der Opa war Premierminister, die Eltern
       aristokratisch und drogenabhängig) und dem Ehemann, mit ihrem Job als
       Strafverteidigerin und vor allem mit sich selbst. Distanziert und sachlich
       wird in knappen Sätzen von ihrem lesbischen Awakening berichtet, von
       Kontemplation über Lust und sehr viel Sex, von den Körpern der Frauen, die
       sie aufreißt und ihrem eigenen. Forsch und direkt, als würde eine
       Außenstehende beschreiben. Kaltherzig kann es einem vorkommen, oder auch
       einfach: ehrlich und effizient. Nun liegt ihr Ruf (an dem sie fleißig
       mitarbeitet) sicherlich nicht nur in ihrer literarischen Radikalität
       begründet, sondern auch in der Tatsache, dass sie nach ihrem Outing in
       einen Sorgerechtsstreit um ihren Sohn verwickelt wurde. Mutter, weiblich,
       queer: die heilige Dreifaltigkeit der üblen Nachrede.
       
       Der Institutsabend soll wohl für alle unbefriedigend gewesen sein: für
       Debré, die aufgrund fehlender Übersetzung wenig verstand, für die
       Moderation, die auch noch übersetzen sollte. Und für das Publikum –
       hauptsächlich Berliner Queers – das davon irritiert war, wer als
       Moderatorin ausgewählt worden war: eine Emma-Autorin und Welt-Redakteurin.
       Was für eine Idee.
       
       Heute ist es dementsprechend voll. Wie wird dieser Abend verlaufen? Debré
       lehnt lässig an der Wand hinter dem Pult. Hochgewachsen, rasierter Kopf.
       Guter Anzug, denke ich, brauch' ich auch. Mit ungewöhnlich viel
       Enthusiasmus für akademische Kontexte wird Debré vom Institutsleiter
       vorgestellt und begrüßt. Sie strahlt – danke, danke – und wirkt einfach
       nett. Keine aufgesetzte Coolness, kein arroganter Vibe, ernst, aber
       aufgeschlossen. Und vor allem: lustig. Was wird sie nun zu ihrer
       Vorlesungsreihe sagen? Wie reflektiert sie ihr eigenes Schreiben?
       
       Eine Vorlesung wolle sie jetzt heute nicht halten, beginnt sie, sie wird
       etwas lesen aus einem neuen Buch. Das sei nun leider auf Französisch
       geschrieben und auch noch nicht fertig, deswegen gäbe es jetzt eine
       „schlechte Übersetzung eines unvollendeten Romans“. Es folgt eine sehr
       lange, sehr akribische Beschreibung der Todesstrafe durch den elektrischen
       Stuhl. Wie viel Volt fließt wo, was passiert mit dem Körper. Langweilig bis
       grausam. Dann folgt ein Abschnitt Hook-Up-Story, dann wieder Todesstrafe.
       Wie beides zusammenhängt – nicht ganz klar. Applaus, Applaus und
       Fragerunde. Hier wird’s doch jetzt bestimmt interessant, geht es ums
       Ästhetische. Jein. Auf inhaltliche Fragen gibt sie Antworten mit wenig
       Substanz. Vielleicht liegt’s am Englisch, das wirkte etwas unentspannt,
       vielleicht an ihrem Myth-Building. Sie kommentiere ihre Arbeit nicht gern,
       erklärt sie. Nun sitzen wir aber doch in einer Poetikvorlesung? Vielleicht
       lag es auch teilweise an den Fragen: Auch heute haben die männlichen Studis
       mit ihren als Frage getarnten Co-Referaten nicht enttäuscht. Vielleicht hat
       sie aber auch nicht viel über das Schreiben zu erzählen und macht es
       einfach sehr gut. Davon kann man ja auch was lernen.
       
       13 May 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marie Serah Ebcinoglu
       
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