# taz.de -- FDP-Wahlkampf in Baden-Württemberg: Eiseskälte in der Heimat
       
       > In Baden-Württemberg ist die FDP historisch stark. Wenn es hier nicht gut
       > läuft, stehen ihre Chancen schlecht. Ein Besuch beim Wahlkampf.
       
 (IMG) Bild: 2021 gewann die FDP im Südwesten 15 Prozent der Stimmen, heute werden nur 5 Prozent vorhergesagt
       
       Stuttgart/Karlsruhe taz | Am Wahlkampfstand der FDP weht der Wind von
       vorne. „Schämt ihr euch nicht?“, blafft eine junge Frau Judith Skudelny an,
       als sie ihr einen Flyer in die Hand drücken will. Es ist ein kalter, aber
       sonniger Samstagmorgen, nach der Bundestagsabstimmung zur Migration, die
       Merz und die CDU am Schluss verloren haben – auch weil weite Teile der FDP
       nicht mit der AfD abstimmen wollten.
       
       „Ich hätte Sie ja gewählt“, sagt ein Passant mit Strickmütze, „aber Sie
       haben es gestern nicht gestanden.“ Skudelny, die selbst mit Merz gestimmt
       hat, verwickelt den Mann in ein Gespräch. Am Ende sagt er, er werde es sich
       noch mal überlegen. „Sehen Sie“, sagt Skudelny triumphierend, „[1][ich habe
       die besseren Argumente.]“
       
       Irgendwie scheinen die Liberalen seit dem Ampel-Aus vollständig zwischen
       allen Stühlen zu sitzen. Die einen nehmen ihnen übel, zu lange in der Ampel
       geblieben zu sein. Die anderen nehmen ihnen das D-Day-Papier und die Lügen
       darum krumm. In den Umfragen verharren die Liberalen damit bundesweit in
       allen Umfragen stabil auf 4 Prozent.
       
       Am Stand von Judith Skudelny am Stuttgarter Marienplatz an diesem Morgen
       gibt es Eiskratzer und Pixibücher für die Kinder, mit FDP-Logo natürlich.
       Auch gelb-blaue Pflaster haben sie im Sortiment. Man fragt sich, ob sie die
       Partei nach der Wahl nicht selbst brauchen wird. „Trostpflaster“, lästert
       eine Passantin. Skudelnys Wahlhelfer lachen süßsauer mit.
       
       ## Baden-Württemberg ist FDP-Stammland
       
       Im Bürgertum Baden-Württembergs [2][sind die Liberalen fest verankert]. In
       der FDP gilt der Glaubenssatz: Nur wenn die Liberalen in ihrem Stammland
       überdurchschnittlich abliefern, klappt es auch im Bund. 2021 waren es mit
       15,3 Prozent der Zweitstimmen fast 4 Prozentpunkte mehr als bundesweit.
       
       Der damalige baden-württembergische Landesvorsitzende Michael Theurer wurde
       mit einem Staatssekretärsposten im Verkehrsministerium belohnt. Inzwischen
       hat sich Theurer auf einen Vorstandsposten bei der Bundesbank gerettet.
       
       Mindestens ein zweistelliges Ergebnis würde die Landespartei gern in zwei
       Wochen beitragen, heißt es, aber danach sieht es überhaupt nicht aus. Eine
       Umfrage von infratest dimap von Mitte Dezember sieht die FDP im Stammland
       bei gerade mal 5 Prozent, einen Prozentpunkt vor dem BSW, das im Land kaum
       verankert ist.
       
       Solche Werte erinnern an 2013, als die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde
       scheiterte. Damals fuhr sie in Baden-Württemberg mit 6,2 Prozent ein
       historisch schlechtes Ergebnis ein.
       
       ## Eigentlich geht es der FDP im Südwesten gut
       
       Bereiten die Umfragen Judith Skudelny Sorgen? Sie macht eine wegwerfende
       Handbewegung und greift zur üblichen Replik: Umfragen seien ja noch keine
       Wahlen. Aber das Problem für den Einzug in den Bundestag sei weniger das
       prognostizierte Ergebnis im Südwesten als die drohenden Ergebnisse in
       Ostdeutschland: „Da sind wir teilweise kaum existent.“
       
       Im Südwesten geht es den Liberalen vergleichsweise gut. Eine Ampelregierung
       in Stuttgart ist ihnen 2021 erspart geblieben, vor allem weil Kretschmann
       und der miesepetrige FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nicht miteinander
       können. Stattdessen hat sich der grüne Ministerpräsident gegen große
       Widerstände in seiner eigenen Partei ein weiteres Mal für die handzahmere
       CDU entschieden. Darüber beschwert sich nach dem Desaster in Berlin bei den
       baden-württembergischen Grünen niemand mehr.
       
       Der mutmaßliche Spitzenkandidat der Landes-CDU für die Landtagswahl 2026,
       Manuel Hagel, dagegen geht mit Rülke wandern, man besucht sich gegenseitig
       auf Parteitagen und zeigt offen, dass man in der Zeit nach Kretschmann gern
       gemeinsam regieren würde. Auch die Spendenkasse, so ist zu hören, ist gut
       gefüllt. Die Stimmung könnte also gut sein. Wäre da nur nicht diese Wahl,
       die die FDP selbst verursacht hat.
       
       „Was mich am Ende der Ampel am meisten nervt, ist der Winterwahlkampf“,
       sagt Skudelny und zieht ihre Wollmütze tiefer ins Gesicht. Als Kritik am
       Parteichef will sie das nicht verstanden wissen, sie ist wie viele in der
       Partei eher der Meinung, man hätte früher Schluss machen müssen. Auf den
       Terminen mit Lindner darf sie die Versammlung warm reden, bis der
       Spitzenkandidat kommt.
       
       ## Skudelny ist eine der profilierten Frauen der FDP
       
       Ein harter Job etwa in den Studentenstädten Heidelberg und Freiburg, [3][wo
       Tausende Protestierende die paar Hundert FDP-Anhänger übertönen.] Auf einer
       Versammlung im Schloss in Karlsruhe-Durlach geht es dagegen gesittet zu.
       Keine Proteste, lobt Lindner, nicht mal vor der Tür. „Wir machen hier auch
       gute Kommunalpolitik“, ruft ein Mann dazwischen. Geradezu ein
       Wohlfühltermin, sagt Skudelny.
       
       Sie ist eine der profilierten Frauen in der Partei: Generalsekretärin der
       Landes-FDP, Anwältin für Insolvenzrecht im Brotberuf und begeisterte
       Pferdesportlerin, die lange über verschiedene Haferqualitäten dozieren
       kann. Im Bundestag ist sie Umweltpolitikerin ihrer Partei.
       
       In Diskussionen rattert sie gern Details herunter, Fakten schlagen
       Argumente, findet sie. Politik aber sei zu mindestens 50 Prozent Stimmung.
       Und die versucht sie im Wahlkampf hochzuhalten. Immerhin war sie schon 2009
       im Bundestag, hat sich mit ihrer Partei 2017 zurückgekämpft, gute und
       schlechte Zeiten mit der FDP erlebt.
       
       Ein Passant bleibt an diesem Morgen nach der gescheiterten
       Migrationsabstimmung am liberalen Wahlstand stehen. „Na, habt ihr
       schlechte Laune?“, fragt er. Nein, beteuert Skudelny und lacht. Eigentlich
       finde er die Liberalen ganz gut, grinst der Passant: „Bei euch darf ja
       jeder selbst entscheiden, ob er für oder gegen den Merz stimmt“. Ob er aber
       einer solchen Partei die Stimme gibt? Da ist er nicht so sicher.
       
       11 Feb 2025
       
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