# taz.de -- Neuwahl des IOC-Präsidenten: Vati hat einen Plan
       
       > Am Donnerstag stellen sieben Bewerber um den Posten des IOC-Präsidenten
       > ihre Agenda vor. Einer von ihnen ist der Japaner Morinari Watanabe.
       
 (IMG) Bild: Lobbyist des Turnsports: Morinari Watanabe (l.) mit dem noch amtierenden IOC-Chef Thomas Bach (M.)
       
       Selbst bei der Wahl zum neuen Präsidenten des Internationalen Olympischen
       Komitees, IOC, sind Aspekte der Aufmerksamkeitsökonomie zu beachten. Das
       hat auch Morinari Watanabe, 65, begriffen, der wie seine sechs Mitbewerber
       um den Posten des IOC-Chefs am Donnerstag eine Präsentation am Stammsitz
       der olympischen Gesellschaft in Lausanne abliefert; [1][die Wahl findet im
       Rahmen der 144. IOC-Vollversammlung vom 18. bis 21. März in Griechenland
       statt].
       
       Der Japaner, seines Zeichens Vorsitzender des internationalen
       Turnverbandes, hat neulich vorgeschlagen, Olympische Spiele in fünf Städten
       auf fünf Kontinenten auszurichten, also gleichzeitig. Aufgrund der
       unterschiedlichen Zeitzonen würden die Wettbewerbe dann rund um die Uhr
       abgehalten werden. Das klinge wohl ein bisschen verrückt, sagte Watanabe,
       aber er weiß natürlich, dass der große Eventsport sich dem unbedingten
       Wachstumsgedanken unterworfen hat und seine Idee daher gar nicht so
       irrsinnig klingt.
       
       Watanabe hat sich bisher eher im Hintergrund gehalten, zumindest im
       Olympischen Komitee. Er gilt als klassischer Funktionär: still, effektiv,
       durchaus loyal. Bevor er sein Amt antrat, war er Generalsekretär des
       japanischen Turnverbandes und hatte eine Führungsposition bei Aeon, dem
       größten japanischen Vertriebskonzern, inne; er war dort Direktor der Sport-
       und Freizeitabteilung.
       
       Die interessanteste biografische Notiz findet man in den 80er Jahren des
       vergangenen Jahrhunderts: Da studierte Watanabe eine Zeit lang [2][an der
       bulgarischen Sportakademie „Wassil Lewski“] im tiefsten Ostblock.
       Noch-IOC-Chef Thomas Bach besuchte diese Kaderschmiede auch schon mal,
       allerdings nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.
       
       ## Unort von Drill und Übergriffigkeit
       
       Als Turnchef betreibt Watanabe natürlich Lobbying auf hohem Niveau. Sein
       Sport, so hat er errechnen lassen, befindet sich im internationalen Ranking
       nur auf Platz 24. Das will er ändern, wie er in einem Zeitungsinterview
       sagte: „Mein Ziel ist es, dass das Turnen 2024 den zehnten Platz und
       langfristig sogar den ersten Platz erreicht.“ Das Zwischenziel hat er, wie
       nicht anders zu erwarten war, verpasst.
       
       Die Turner sind nach wie vor sehr weit weg von den Fußballern,
       Basketballern oder Handballern. „Im Jahr 2015 hatte der Fußball 3,5
       Milliarden Fans, und das Budget seines internationalen Verbandes betrug 1,3
       Milliarden Dollar“, analysiert Watanabe. „Im selben Jahr hatte das Turnen
       50 Millionen Fans, und das Budget der FIG (des Turnverbandes) betrug nur
       16,5 Millionen Dollar. Mit anderen Worten, der Weg ist noch lang.“
       
       Da das Turnen in den vergangenen Jahren nicht nur als ein Hort der
       Talententfaltung galt, sondern als ein Unort von Drill, Übergriffigkeit und
       Demütigung junger Sportlerinnen und Sportler, hat Watanabe zumindest
       versucht, das System vom Kopf auf die Füße zu stellen. Er nennt das die
       „umgekehrte Pyramide“: Ganz oben stünden nun die Athleten, dann kämen
       nacheinander die Trainer, die Wertungsrichter, die nationalen und
       kontinentalen Verbände.
       
       „Und ganz unten in der Hierarchie steht der internationaler Verband, der
       gewissermaßen der Vater der großen Familie der Gymnastik ist“, sagt
       Watanabe, „als Vater besteht meine Aufgabe nicht darin, von meinem
       Präsidentenbüro in Lausanne aus zu leiten, sondern ständig vor Ort zu
       arbeiten.“ Er sieht sich in der Rolle des „Beschützers“, insbesondere der
       Turnerinnen.
       
       Um des Problems des sexuellen bzw. sexualisierten Missbrauchs im
       internationalen Leistungsturnen vorgeblich Herr zu werden, hat der
       Turnverband 2019 die [3][Gymnastics Ethic Foundation gegründet], die sich
       hehren Zielen verschreibt: „Schutz von Athleten vor Belästigung und
       Missbrauch“, Sanktionen und Good-Governance-Prozesse, also die
       mustergültige Verbandsführung.
       
       Man merkt, dass Morinari Watanabe – [4][Leitmotiv: „Ich will nicht gelobt,
       ich möchte nicht verhätschelt werden“] – zumindest pro forma gewillt ist,
       gegen eine tief verwurzelte Unkultur in den Turnhallen anzugehen. Aber der
       Wandel, der ihm vorschwebt, ist schwieriger als ein Überschlag auf dem
       Schwebebalken oder ein Tsukahara am Sprung.
       
       Strukturwandel bedeutet, „dass einige alte, autoritäre Methoden – so
       erfolgreich sie in der Vergangenheit auch gewesen sein mögen – nicht mehr
       toleriert werden.“ Und weiter: „Ich möchte den Turnerinnen, die den Mut
       haben, sich zu äußern, sagen, dass ihre Stimmen wichtig sind.“
       
       29 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.reuters.com/sports/olympics-list-candidates-international-olympic-committee-presidency-2024-09-16/
 (DIR) [2] https://www.nsa.bg
 (DIR) [3] https://www.gymnasticsethicsfoundation.org/about-the-gymnastics-ethics-foundation
 (DIR) [4] https://stillmed.olympics.com/media/Documents/International-Olympic-Committee/president-election/manifesto/WATANABE-MORINARI-manifesto-EN.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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