# taz.de -- Wahlen in Moldau: Prowestliche Präsidentin Maia Sandu siegt
       
       > Moldau ist zwischen Russland und dem Westen hin- und hergerissen. Bei der
       > Stichwahl ums Präsidentenamt kann sich schließlich die Amtsinhaberin
       > behaupten.
       
 (IMG) Bild: Fröhliche Wahlgewinnerin: Die amtierende Staatschefin Maia Sandu
       
       Chișinău dpa | Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in der Republik
       Moldau hat die prowestliche Staatschefin Maia Sandu nach Auszählung fast
       aller Stimmen gewonnen. Die 52-Jährige kam auf 55,1 Prozent der Stimmen,
       wie die Wahlleitung in der Hauptstadt Chisinau nach Auszählung von über 99
       Prozent der Wahlzettel mitteilte. Sandus Herausforderer, der ehemalige
       Generalstaatsanwalt Alexandr Stoianoglo, der eine Zusammenarbeit auch mit
       Russland wollte, unterlag demnach mit 44,9 Prozent der Stimmen.
       
       Sandu wandte sich nach ihrem absehbaren Sieg Medien zufolge auch auf
       Russisch an die Moldauer und erklärte, eine Präsidentin für alle sein zu
       wollen – auch für die, die nicht für sie gestimmt hatten. „Wir brauchen
       Zusammenhalt“, sagte sie.
       
       Sandu siegte vor allem dank Stimmen der zu Hunderttausenden im Ausland –
       vor allem in der EU – lebenden Moldauer. [1][Die Staatschefin von der
       Partei Aktion und Solidarität (PAS)] will in ihrer zweiten Amtszeit in dem
       völlig verarmten Agrarland mit seinen 2,5 Millionen Einwohnern, das
       EU-Beitrittskandidat ist, Reformen durchsetzen. Dabei gilt die im Sommer
       bevorstehende Parlamentswahl als nächste politische Herausforderung. Denn
       Sandu kann die Veränderungen nur angehen, wenn sie die bisherige Mehrheit
       in der Volksversammlung verteidigt.
       
       Die Wahlbeteiligung lag höher als bei der [2][ersten Runde am 20. Oktober],
       und zwar bei über 54 Prozent. Die Führung in Moldau warf Russland am
       Wahltag massive Einmischung vor. Der Kreml hatte ähnliche Vorwürfe beim
       ersten Wahlgang zurückgewiesen und Beweise verlangt.
       
       ## Stoianoglo ruft Anhänger zur Ruhe auf
       
       Sandu hatte schon im ersten Wahlgang die meisten Stimmen (42,45 Prozent)
       unter den insgesamt elf Kandidaten erhalten. Stoianoglo, der für die Partei
       der Sozialisten des moskaufreundlichen Ex-Präsidenten Igor Dodon antrat,
       kam auf 25,98 Prozent.
       
       Der 57-Jährige, der im Land selbst die Mehrheit mit 51,19 Prozent der
       Stimmen erhielt, wandte sich in Chișinău auch auf Russisch an seine
       Landsleute und bat alle, Ruhe zu bewahren. „Moldau braucht Stabilität und
       keinen künstlichen Konflikt“, sagte er. Die Zeit des Hasses und der
       Spaltung im Land müsse enden. [3][In seiner Heimatregion Gagausien, einem
       autonomen Gebiet,] kam er sogar auf 97,04 Prozent.
       
       Sandu galt zwar als Favoritin, stand aber auch in der Kritik wegen
       mangelnder wirtschaftlicher und sozialer Fortschritte. Ihrem Gegner
       Stoianoglo werfen Kritiker vor, er sei eine Marionette korrupter Oligarchen
       und ein Kandidat Moskaus. Der Westen schaut genau auf die Ergebnisse.
       
       ## Chișinău: Illegaler Wählertransport
       
       Sandus nationaler Sicherheitsberater Stanislav Secrieru warf Russland
       massive Wahleinmischung vor. Er warnte auf der Plattform X vor der Gefahr
       eines verzerrten Ergebnisses. Die Behörden seien alarmiert. In der von
       Moldau abtrünnigen Region Transnistrien, wo russische Truppen stationiert
       sind, gebe es organisierte Wählertransporte zu den Abstimmungen; das sei
       illegal, sagte er.
       
       Der Vertraute von Amtsinhaberin Sandu veröffentlichte auch Berichte über
       organisierte Transporte von Russland aus mit Bussen und Charterflügen, die
       Wähler in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku, in die türkische
       Metropole Istanbul und in die belarussische Hauptstadt Minsk gebracht
       hätten.
       
       Secrieru veröffentlichte zudem ein in sozialen Netzwerken kursierendes
       Video, auf dem Menschen angeblich ihre moldauischen Pässe in einem Flugzeug
       hochhalten und auf dem Weg nach Minsk sind. Zuvor hatte es Beschwerden
       gegeben, dass in Moskau nur zwei Wahllokale geöffnet wurden für die
       Stimmabgabe der in Russland lebenden Moldauer. Der Flug sei ein klarer
       Beweis von einem breit angelegten organisierten Wählertransport, sagte
       Secrieru.
       
       ## Schon im Vorfeld Verstöße gegen Wahlrecht beklagt
       
       Sicherheitsbehörden in der Hauptstadt Chișinău deckten schon im Vorfeld
       Desinformation und Wählerkauf durch prorussische Kräfte auf. In dem Land
       waren mehrere russischsprachige Fernsehkanäle und Internetplattformen
       blockiert worden. Auch am Wahltag selbst berichteten Menschen in der
       Hauptstadt Chișinău im Gespräch mit Reportern der Deutschen Presse-Agentur,
       sie hätten in der vergangenen Woche Anrufe erhalten mit der Bitte, für
       Stoianoglo zu stimmen. Einige sagten auch, dass ihnen dafür Geld angeboten
       worden sei.
       
       Sandu hatte nach der ersten Wahlrunde ebenfalls von Wählerkauf gesprochen.
       Sie hatte vor zwei Wochen zudem parallel ein Referendum angesetzt über die
       Verankerung des EU-Kurses in der Verfassung des Landes. Die Befürworter
       setzten sich mit hauchdünnem Vorsprung durch, das Verfassungsgericht
       bestätigte die Gültigkeit des Ergebnisses. Russland hingegen will das
       Agrarland, das wegen seiner landwirtschaftlichen Produkte wie Äpfel,
       Pflaumen, Weintrauben und Nüsse gefragt ist, in seinem Einflussbereich
       halten.
       
       ## EU-Politiker reagieren erleichtert auf Sandus Wiederwahl
       
       Führende EU-Vertreter und europäische Politiker reagierten erleichtert auf
       Sandus Wiederwahl. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
       gratulierte der Politikerin und lobte ihre Durchsetzungsfähigkeit. „Es
       erfordert eine seltene Art von Stärke, die Herausforderungen zu meistern,
       mit denen Sie bei dieser Wahl konfrontiert waren“, schrieb von der Leyen
       auf der Plattform X. „Ich freue mich, weiter mit Ihnen auf eine europäische
       Zukunft für die Republik Moldau und Ihr Volk hinzuarbeiten.“
       
       Die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, schrieb bei
       X, Sandu habe sich „für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und eine
       europäische Zukunft“ eingesetzt und dabei „außergewöhnlichen Mut und
       Führungsstärke bewiesen“.
       
       Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte sich ebenfalls erfreut. „Die
       Demokratie hat über alle Einmischungen und Manöver triumphiert“, schrieb er
       bei X.
       
       Auch Polens Regierungschef Donald Tusk äußerte sich vorsichtig
       optimistisch. „Trotz der aggressiven und massiven Einmischung Russlands“
       bei der Wahl habe die prowestliche Sandu „höchstwahrscheinlich den
       Favoriten Moskaus besiegt“, schrieb Tusk auf der Plattform X. „Hoffen wir,
       dass sich dieser Trend in den kommenden Tagen und Monaten auch in anderen
       Ländern fortsetzen wird“, fügte er hinzu.
       
       4 Nov 2024
       
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