# taz.de -- taz🐾thema: Der Traum von der grünen Schifffahrt
       
       > Die Technik zur Reduzierung der Emissionen auf See ist zwar vorhanden,
       > doch die Infrastruktur für die Herstellung alternativer Kraftstoffe fehlt
       > bislang
       
 (IMG) Bild: LNG-Terminal Wilhelmshaven: Der fossile Brennstoff Flüssiggas ist keine nachhaltige Alternative für den Schiffsantrieb
       
       Von Joachim Göres
       
       Die internationale Schifffahrt verursacht derzeit rund drei Prozent der
       klimaschädlichen CO2-Emissionen durch die im Seeverkehr hauptsächlich
       eingesetzten Kraftstoffe Diesel und Schweröl. Sie ist zudem für 13 Prozent
       der weltweiten Schwefeldioxid- und für 15 Prozent der Stickoxidemissionen
       verantwortlich. „Fossile Brennstoffe sind zukünftig keine Option“, betont
       Katharina Beck, finanzpolitische Sprecherin bei Bündnis 90/Die Grünen im
       Bundestag, die Rolle der Schifffahrt beim Gelingen der Energiewende. Hat
       die Branche das verstanden? So scheint es zumindest: Das Thema
       Dekarbonisierung der Schifffahrt war auf der maritimen Weltleitmesse SMM
       (Shipbuilding, Machinery and Marine Technology trade fair) kürzlich in
       Hamburg eines der Hauptthemen, zu der viele Aussteller Neuheiten zeigten.
       
       So präsentierte MAN Energy Solutions Schiffsmotoren, die mit Ammoniak und
       Methanol betrieben werden. Dabei geht es sowohl um die Ausstattung neuer
       Schiffe als auch um die Umrüstung bestehender Motoren. „Die Umrüstung mit
       synthetischen Kraftstoffen ist für eine klimaneutrale Schifffahrt von
       entscheidender Bedeutung“, sagt der Vorstandsvorsitzende Uwe Lauber und
       fügt hinzu: „Neben neuen Motoren brauchen wir auch Konzepte, um die
       Bestandsflotte zu dekarbonisieren, schließlich haben Schiffe eine
       Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren.“
       
       Es fahren bereits einige Containerschiffe mit Methanol-Motoren von MAN
       Energy Solutions auf hoher See. „Wir haben mehr als 200 Bestellungen für
       Methanol-Schiffsmotoren. Große Reedereien waren die Vorreiter, andere
       ziehen jetzt nach. Das ist ein sehr starker Wachstumsmarkt“, sagt Lauber.
       Er tritt für einen globalen CO2-Preis in der Schifffahrtsindustrie ein,
       damit fossile Kraftstoffe künftig mehr kosten und das derzeit noch
       wesentlich teurere grüne Methanol auch wirtschaftlich für immer mehr
       Auftraggeber eine Alternative darstellt. Methanol ist ein Gemisch aus
       Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid, das bisher meist aus fossilen Rohstoffen
       erzeugt wird. Methanol kann aber auch auf Basis von erneuerbaren Energien
       hergestellt werden.
       
       Auch andere alternative Antriebe sind im Kommen. Dazu zählen moderne
       Segelkonstruktionen, über die der Wind einen Teil der Antriebsenergie
       beisteuert. Bei Fähren und anderen kleinen Schiffen sorgen zunehmend
       Batterien zusammen mit herkömmlichen Systemen für den Antrieb.
       
       Weiterhin auf Diesel als Kraftstoff setzt die Augsburger Alternative Energy
       Solutions (AES). Dass ein Unternehmen mit diesem Namen an einem fossilen
       Brennstoff festhält, wirkt erstaunlich. Mitarbeiter Rainer Sakowsky
       begründet dies so: „Weltweit fahren 200.000 Schiffe, davon sind 180.000 mit
       Diesel unterwegs. Mit unserem Produkt ist die Nachrüstung von
       Diesel-Motoren möglich.“ AES vertreibt ein in Schweden hergestelltes
       Abgasrückführungssystem, mit dem nach eigenen Angaben Diesel-Motoren
       schneller und billiger als durch Katalysatoren ihre Stickstoffemissionen
       reduzieren. Als Einsatzgebiet sieht Sakowsky vor allem maritime Fahrzeuge
       in Küstennähe wie Fähren und Hafenbagger.
       
       Das Umweltbundesamt spricht von mehr als 90.000 Schiffen, die weltweit auf
       den Meeren unterwegs sind – Tendenz steigend. Dazu zählen Frachtschiffe,
       über die 90 Prozent des internationalen Warenverkehrs abgewickelt werden,
       Passagierschiffe sowie Serviceschiffe wie Schlepper. Fischereischiffe sind
       in dieser Zahl nicht enthalten.
       
       Skeptisch beim Thema Umweltschutz zeigt sich Franziska Saalmann, für das
       Thema Meere bei Greenpeace zuständig: „Die Schifffahrt will bis 2050
       klimaneutral sein, einige große Reedereien wollen das Ziel bis 2040
       erreichen. Doch dafür liegt noch kein Fahrplan vor, die jetzigen
       Anstrengungen reichen nicht aus.“ Vor allem seien mehr Anreize und
       Investitionen nötig, damit ausreichend grünes Methanol als klimaneutraler
       Kraftstoff künftig zur Verfügung stehe. „Dafür muss es mehr Förderung von
       Seiten der Politik geben.“ Seit diesem Jahr müssen Reedereien, deren
       Schiffe mit einer Bruttoregisterzahl ab 5.000 in Häfen der EU anlegen,
       Emissionszertifikate für den Treibhausgasausstoß kaufen. Dieses Geld sollte
       für den Ausbau der Produktion von grünem Schiffstreibstoff investiert
       werden.
       
       An den Emissionswerten wird sich so schnell nichts Grundlegendes ändern:
       Mehr als die Hälfte der in diesem Jahr gebauten neuen Schiffe werden nach
       Angaben des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik mit konventionellem
       Treibstoff fahren.
       
       Laut Naturschutzbund Deutschland gibt es trotz technischer Verbesserungen
       kein Kreuzfahrtschiff, das Umwelt und Klima nicht belastet. Im vergangenen
       Jahr sind die Emissionen für Schwefel, Stickoxide und Ruß durch immer mehr
       Kreuzfahrten deutlich gestiegen. Am stärksten sind die Menschen in den
       Städten betroffen, in denen Kreuzfahrtschiffe anlegen. Nach Berechnungen
       der Nichtregierungsorganisation Transport und Environment haben 2022 alle
       Kreuzfahrtschiffe in Europa viermal so viel Schwefeldioxid ausgestoßen wie
       alle Autos zusammen in Europa.
       
       2 Nov 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Joachim Göres
       
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