# taz.de -- Die Wahrheit: Kramdrama
       
       > Tagebuch einer US-Wählerin: Um die Stimme bei der amerikanischen
       > Präsidentschaftswahl abzugeben, braucht es Geduld und Fingerfertigkeit.
       
       Alle vier Jahre erlebe ich meinen persönlichen Groundhog Day. Sobald ab
       August Lebkuchen und Spekulatius aus den Regalen deutscher Supermärkte
       quellen, fluten Aufrufe zur Teilnahme an den amerikanischen
       Präsidentschaftswahlen mein Mail-Fach. Als American Citizen soll ich mich
       zügig um die Voraussetzungen zur Erfüllung meiner staatsbürgerlichen
       Pflicht kümmern, was in Anbetracht der kombinierten Zuverlässigkeiten
       deutscher und amerikanischer Postdienste nur allzu verständlich ist.
       
       Es ist ja nicht so, dass man wie hierzulande einfach seinen Wahlschein nach
       Hause geschickt, also quasi in den Wählerarsch geschoben bekommt; man muss
       für seine bürgerlichen Rechte reichlich Papierkram vorweisen, wovon auch
       sogenannte Minorities in meinem Zweit-Homeland ein Lied singen können.
       Erinnerungen an die Dokumentenberge, die ich ehemals den Immigration
       Services präsentieren musste, werden wach. Alle Einwanderungsbehörden der
       Welt ähneln sich als Heimat des mulmigen Gefühls, etwas vergessen oder
       versäumt zu haben. Da ich grundsätzlich alles vergesse und versäume –
       Fristen, Geburtstage, Einkäufe und Wahltermine –, darf ich das Wahldrama
       immer wieder neu genießen.
       
       Als Erstes bricht das große Suchen aus. Um auf digitalem Weg meinen
       Wahlzettel zu beantragen, müsste ich wenigstens den Link für „Citizens
       Abroad“ wiederfinden, habe ihn aber wie immer nicht gespeichert. Hilfreich
       wäre jetzt, sich an die Bezeichnung für die Bundeswahlbehörde zu erinnern,
       irgendwas mit F wie Federal?
       
       Mehrere Suchanfragen und viele Fucks und Fehlanzeigen später: „FVAP“, das
       „Federal Voting Assistance Program“ ist für mich da! Ich soll meinen
       Mail-Antrag bitte ausdrucken und zusätzlich mit der Post hinterherschicken,
       damit irgendeine US-Voting-Sammelstelle ihn dann verschlampen kann. Der
       erste Schritt zum Wählerglück ist getan, es beginnt die hoffnungsvolle
       Phase des Wartens.
       
       Der Spaß geht dann richtig los, wenn nach Wochen tatsächlich eine Mail mit
       dem Wahlzettelanhang aufpoppt. Jetzt heißt es, alle Reserven zu aktivieren!
       Mit nervenaufreibenden Format-anpassungen an nicht kompatible amerikanische
       Dokumentvorlagen wird der potenziellen Wählerin ausgiebig Lebenszeit
       ausgesaugt, bis endlich das klorollenlange und winzig bedruckte Ballot und
       ein Umschlagvordruck aus dem Drucker quellen. Euphorisch mache ich Kreuze,
       obwohl meine Favoriten in meinem Wahlort New York auch ohne mich locker
       durchmarschieren können, aber: Dabei sein ist alles!
       
       Es naht der Höhepunkt, das Umschlagfalten, in all den Jahren habe ich es zu
       wahrer Meisterschaft gebracht. Entlang gestrichelter Linien und
       Knickanweisungen zur Überkreuz- und Mehrfachfaltung bastelt die
       Auslandswählerin einen Briefumschlag im US-Format. Endlich ab in die Post
       damit – und auf die nächsten four more years. Mist! Den Link habe ich
       leider zu speichern vergessen.
       
       10 Oct 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pia Frankenberg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) Donald Trump
 (DIR) Kamala Harris
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Spendierhosen bitte
       
       Tagebuch einer Nehmerin: Wenn sich der Januar von seiner freigiebigen Seite
       zeigt, stecken oft Verwirrte oder Möchtegern-Tycoons dahinter
       
 (DIR) Die Wahrheit: Alles muss raus
       
       Tagebuch einer Gebeutelten: Wenn das Universum einem gerade nicht grün ist,
       heißt es, oh weh, mühsam zu fahnden nach verlorenem Eigentum.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Fluchtwege
       
       Tagebuch einer Gewässerten: Wer den Wasserschaden hat, braucht für den
       nächsten nicht zu sorgen und wird von ihm bis nach Portugal verfolgt.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Mist und Mief
       
       Tagebuch einer Untergrundistin: Wenn die Reinigungskraft und ihr leidlich
       funktionierendes Übersetzungsprogramm Assoziationen in der U-Bahn auslösen.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Olympias Tränen
       
       Tagebuch einer Gefluteten: Der deutsche Sommer lässt es überall sprudeln –
       aus den Wolken, aus den Augen von Athleten, aus geplatzten Rohren.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Aperitif für Nörgler
       
       Tagebuch einer Verhörerin: Missverständnisse allüberall, aber vor allem bei
       diesem Gin von der Alm, aus dem Allgäu, von der Spezial-Biodestillerie.