# taz.de -- Indiens Auftritt bei Olympia: Modisch kaum ein blasser Abdruck
       
       > Die Trikots der indischen Teams sind eine Blamage – und eine Missachtung
       > von Indiens reicher und vielfältiger Textilkunst.
       
 (IMG) Bild: Indische Spitzensportlerinnen warten auf die Eröffnung der Spiele im unstrittenen Trikot
       
       Das Spektakel [1][der Olympia-Eröffnungsfeier] sorgte in Indien für
       Gesprächsstoff. Die Vorfreude schlug schlagartig um in große Enttäuschung.
       Der Grund? Die wenig ansprechenden Uniformen der indischen Athleten.
       
       Denn während diese sichtlich begeistert schienen, endlich zu zeigen, wofür
       sie jahrelang trainiert hatten, fühlte sich der Rest Indiens durch die für
       sie entworfenen Trikots bloßgestellt. Die Uniformen aus weißem,
       geknittertem Stoff waren an den Rändern mit orangefarbenen und grünen
       Aufdrucken versehen. Es sah billig aus und wirkte, als wäre alles in
       letzter Minute und ohne jegliche Abmessung den Athleten übergeworfen
       worden.
       
       Auf Social Media entlud sich die Kritik. Ausgerechnet der bekannte
       Modedesigner Tarun Tahiliani, der seit drei Jahrzehnten aufwendige, der
       indischen Ästhetik entsprechende Kleidungsstücke entwirft, war mit der
       Gestaltung der Trikots beauftragt. Tahiliani versuchte seinen Kritikern zu
       erklärten, dass er ausreichend recherchiert hätte, dass Baumwolle als Stoff
       leicht knittern würde und dass insgesamt 300 Uniformen für die Athleten und
       das Begleitpersonal angefertigt werden mussten. Doch das, so die Kritik,
       rechtfertige noch immer nicht das schlampige Design.
       
       Was einen Teil Indiens verärgert hat – den privilegierten Teil, der bei der
       Eröffnungsfeier vor dem Fernseher saß und sich keine Sorgen machen musste,
       einen Hitzschlag zu erleiden oder mit ansehen zu müssen, wie sein Haus von
       Monsunfluten weggespült wird –, ist, dass die Designs die reiche und
       vielfältige Geschichte der indischen Textilkunst verleugnen.
       
       ## Stark zerknittert
       
       Man kann sich zwar gut vorstellen, dass es eine praktische Entscheidung
       war, auf Baumwollstoffe zu verzichten, aber die Fotos zeigen, dass auch das
       stattdessen gewählte Material stark zerknittert war. Es half auch nicht,
       dass das Ikatmuster – das seine Wurzeln in einem Batikverfahren aus
       Südostasien hat – auf den Stoff der Uniform aufgedruckt war und damit die
       mühsame Arbeit, die diese Kunstform erfordert, entwertete.
       
       Das breite Spektrum an Kunsthandwerk, welches in ganz Indien zu finden ist,
       kann nach einem speziellen Gesetz registriert werden, das ihm die
       Bezeichnung geografischer Angaben (GI) verleiht. Das GI-Label – das ein
       strenges Antragsverfahren erfordert – schützt die Schöpfer sowie die
       Standards ihrer Produkte, es verhindert, dass Dritte diese als ihre eigenen
       verkaufen oder sie nachahmen.
       
       Im Juli 2024 sind 605 eingetragene GI-Erzeugnisse aus ganz Indien
       aufgelistet, darunter 103 Handweberzeugnisse. Sechs davon – Mugaseide aus
       Assam, Kulluschals aus Himachal Pradesh, Banarasbrokate aus Uttar Pradesh,
       Kota-Doria-Gewebe aus Rajasthan und Navalgundteppiche aus Karnataka –
       tragen ein spezifisches individuelles Logo. Landesweit gibt es gut 3,5
       Millionen Handweber.
       
       Diese Zahlen belegen das reiche textile Erbe Indiens – von dem nun nichts
       auf den Körpern der Sportler bei der Eröffnung der Olympischen Spiele zu
       sehen war. Die drei Medaillen, die Indien bisher gewonnen hat, haben die
       kollektive Wut über das Modefiasko verdrängt.
       
       Doch angesichts der Tatsache, dass Indien als Land mit einem Kaleidoskop an
       farbenfrohen Textilien bekannt ist und vermarktet wird, in dem sich die
       Bundesstaaten deutlich voneinander unterscheiden, sehen die schlecht
       sitzenden Uniformen nur wie vergrößerte Versionen von Getreidesäcken aus.
       
       In einer Zeit, in der Vielfalt zählt, war dies eine verpasste Gelegenheit
       für den Designer und das Team India. Glücklicherweise sind alle, die Indien
       einmal besucht haben, weiterhin von den Farben verzaubert, die für einen
       Moment helfen, von den alltäglichen Ungleichheiten abzulenken.
       
       4 Aug 2024
       
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