# taz.de -- orte des wissens: Einer, der Mensch und Natur sensibel umwebt
       
       > Die Theodor-Storm-Gesellschaft begreift den Dichter als so natursensibel
       > wie ökologisch
       
       Wir alle kennen Theodor Storm – sein Märchen „Der kleine Häwelmann“ lehrt
       uns, dass die Erde nachts auf dem Kopf steht, sein Husum-Gedicht beschwört
       den Zauber der „grauen Stadt am Meer“ („Die Stadt“) und „Von draußen, vom
       Walde komm ich her“ („Knecht Ruprecht“) gehört zur Weihnachtszeit wie die
       gewaltige Natur zum „Schimmelreiter“.
       
       Storm (1817–1888), der große Erzähler von der Nordseeküste, hat, wie Thomas
       Mann, der andere berühmte Epiker aus Schleswig-Holstein, eine literarische
       Gesellschaft. Seit 1948 widmet sich die Theodor-Storm-Gesellschaft (TSG)
       dem „schleswig-holsteinischen Literaturnationalhelden“ (Robert Habeck) und
       hat beachtliche 1.300 Mitglieder. Philipp Theisohn ist seit 1995 Präsident
       der TSG in Husum. Sie residiert in der Wasserreihe 31, dem einstigen
       Wohnhaus des namensgebenden Dichters.
       
       Für Philipp Theisohn, Germanistik-Professor an der Universität Zürich, ist
       Theodor Storm eine Herzensangelegenheit: „Ich lese Storm seit meiner
       Jugend. Was für ein toller Autor. Storm ist kein Heimatdichter! Vielmehr
       arbeitet er analytisch, auf der Höhe der Erkenntnisse seiner Zeit. Gerade
       das unsichere Wissen zieht ihn an: Vererbungslehre, Krebsforschung,
       Wirtschaftsspekulation, Spiel- und Alkoholsucht. Alles bleibt ihm
       problematisch und wird doch unter seinen Händen poetisiert.“
       
       Die Novelle sei eine Schwester des Dramas, so Storms griffige Formel. Dabei
       bezeugen gerade seine Novellen – ob „Schimmelreiter“, „Immensee“ oder
       „Carsten Curator“ – das dramatische Geschick ihres Verfassers: „Storm kann
       Handlung schürzen. Er ist meisterhaft darin, eine unaufdringliche, aber
       wirksame Dramaturgie einzuziehen“, sagt Theisohn.
       
       Storm-Kenner Theisohn erläutert das genauer anhand von „Carsten Curator“,
       dieser autobiografisch grundierten Erzählung über Storms ältesten
       alkoholkranken Sohn Hans. „Schieb nicht mehr die Scheidewand Deines
       Bummeltons zwischen uns“, bittet Storm darin. Doch Hans entzieht sich den
       fordernden Erwartungen des Vaters. Der frühe Tod des Sohnes ist für Storm,
       der auch seine erste Frau Constanze verloren hatte, eine Katastrophe.
       
       „Carsten Curator“, jene Erzählung, die Thomas Mann als ergreifendes Denkmal
       des beklommenen Vatergewissens gepriesen hat, beweist zugleich die
       Sensibilität des großen Realisten Storm. Eine weitere Stärke seines
       plastischen Schreibens ist es, die Sensibilität einer Landschaft, ihre
       Berührbarkeit begreiflich zu machen und zu zeigen, dass der Mensch nicht
       allein ist, dass er die Natur lesen muss – eben weil die Menschheit von
       Landschaft und Natur abhängig ist.
       
       Dass die Jahrestagung der Theodor-Storm-Gesellschaft im Herbst 2024 „Storms
       Tiere“ in den Mittelpunkt stellt, ist daher nur zu plausibel. Denn Storms
       Werk bietet Möwen, Kiebitzen und anderem Getier eine Heimstatt, allen voran
       dem geliebten Schimmel, mit dem sich Hauke Haien in die Flut stürzt. Gerade
       am Naturverhältnis, so Theisohn, werde der ökologische Storm sichtbar: „Er
       arbeitet die Konflikte zwischen Menschen ganz tief in deren Umgebung
       hinein.“
       
       Die reichen Erträge der internationalen Storm-Forschung sind nachzulesen in
       den jährlich publizierten „Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft“; in
       loser Folge erscheinen überdies die „Husumer Beiträge zur Storm-Forschung“.
       Hinzu kommt die Edition der wichtigsten Briefwechsel Storms, die inzwischen
       17 Bände umfasst.
       
       Bei all dieser Fülle weiß Theisohn: „Wie jede literarische Gesellschaft
       unserer Zeit steht auch die Storm-Gesellschaft beständig vor der Aufgabe,
       einer gewissen Überalterung entgegenzuwirken und trotz der
       Traditions-Umklammerung relevante Fragestellungen zu bearbeiten.“ Sie
       bekommt das hin. Schließlich ist unermesslich, was Storm seiner Heimatstadt
       und Husum Storms Schreiben verdankt. Frauke Hamann
       
       3 Jun 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frauke Hamann
       
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