# taz.de -- Ruanda – 30 Jahre nach dem Völkermord: Paul Kagames Grund zum Lächeln
       
       > 30 Jahre nach dem Völkermord ist Ruanda eine einzige Erfolgsgeschichte.
       > Allerdings regiert Paul Kagame mit strenger Hand.
       
 (IMG) Bild: Paul Kagame (l.), Präsident von Ruanda, bei einer Veranstaltung zum 30. Jahrestag des ruandischen Völkermords
       
       Ruanda begeht in diesen Wochen den 30. Jahrestag des Völkermords, in dem
       binnen 100 Tagen 1 Million Menschen getötet wurden, weil sie Tutsi waren.
       Ein Video vom Gedenken ist viral gegangen: Auf einer Pressekonferenz fragt
       ein französischer Journalist Präsident Paul Kagame, wieso er das Image
       eines finsteren Diktators pflegt. Als Antwort bricht Kagame in Gelächter
       aus.
       
       Es gab früher tatsächlich wenig zu lachen, sagt der General, der mit seinem
       bewaffneten Kampf 1994 [1][dem Völkermord] ein Ende setzte. Aber jetzt, wo
       seine Regierung Stabilität hergestellt hat und das Wohlergehen des Volks
       beharrlich steigert, sagt er, lernt er zu lächeln. Die meisten Länder
       Afrikas sind neidisch auf Ruanda, und sie haben Grund dazu. Es gehört immer
       noch zu den ärmsten Ländern der Welt, aber die jährliche
       [2][Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung] hat sich seit 1994 auf rund 1.000
       US-Dollar verzehnfacht, und sie ist heute gleicher verteilt als vorher.
       
       Ruandas Fortschritte sind zumeist auf harte Disziplin zurückzuführen. Im
       Gesundheitsranking gehört Ruanda in Afrika zu den obersten drei, neben den
       viel reicheren Inselstaaten Mauritius und Seychellen, und das liegt an
       strengen vorbeugenden Gesundheitsmaßnahmen. Sanitäre Hygiene wird sehr
       ernst genommen. Asozialer Umgang mit Müll ist eine Straftat. Die Hauptstadt
       [3][Kigali ist extrem sauber], was sogar europäische Besucher einschüchtern
       kann.
       
       Und Ruanda ist eines der wenigen Länder in Afrika mit allgemeiner
       Krankenversicherung. Kagame findet es rückständig, Kranke für ihre
       Versorgung zahlen zu lassen, weil sie dann nicht mehr ihre Lebensplanung
       verfolgen können. Es gibt auch soziale Sicherheit und Mechanismen zum
       Erwerb von Wohneigentum auch für einfache Bürger. Die Impfquote zum Schutz
       von Kindern vor tödlichen Seuchen liegt bei 100 Prozent.
       
       Schulbildung ist kostenlos, und die kostenlosen staatlichen Schulen sind
       oft besser als die kostenpflichtigen Privatschulen. Der Fokus liegt auf dem
       Umgang mit modernen Kommunikationstechnologien, um Kinder auf die Realität
       des „global village“ vorzubereiten. Die meisten afrikanischen Länder
       stecken in einer Schuldenkrise, Ruanda nicht.
       
       Wegen seiner Haushaltsdisziplin und Intoleranz gegenüber Korruption gilt es
       Kreditgebern als risikoarm. Ruanda nutzt seine Kredite für den Aufbau
       eines Straßennetzes, das weniger Geld pro Kilometer kostet als in
       vergleichbaren Ländern. Kritiker zeigen lieber auf die Einschränkung von
       Bürgerrechten. Sie sagen, die Presse sei weniger frei als in Nachbarländern
       und Ruanda sei eine Art Polizeistaat, in dem sich niemand traut, Kagame
       offen zu kritisieren.
       
       Sie sagen auch, dass politische Opposition nicht geduldet wird. Sie zeigen
       aber nicht auf die gezielte Förderung von Frauen, die die Hälfte der
       Abgeordnetensitze im Parlament und andere Führungspositionen einnehmen,
       während in den meisten Ländern Geschlechtergleichheit nur auf dem Papier
       stattfindet. Kagame entschuldigt sich nicht für seinen harten Stil. Er
       macht einfach, was er für richtig hält, damit es keinen neuen Genozid gibt.
       
       [4][Es gibt Schutz für alle], die sich innerhalb des Gesetzes bewegen, und
       von Ethnien ist offiziell keine Rede mehr, Tutsi und Hutu sind als
       Kategorien abgeschafft. Bald stellt sich Paul Kagame zur Wiederwahl für
       seine letzte siebenjährige Amtszeit. Er drängt seine Regierungspartei dazu,
       eine Nachfolge zu finden. Bis dahin ist Ruanda hoffentlich zu einer
       wahrhaft geeinten Gesellschaft geworden, in der politischer Wettbewerb
       entlang dessen, was man früher ethnische Identitäten nannte, bedeutungslos
       geworden ist.
       
       Aus dem Englischen: Dominic Johnson
       
       29 Apr 2024
       
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