# taz.de -- Diversität und Alter: Neue Vorbilder braucht das Alter
       
       > Für eine alternde Frau gab es früher nur wenige Rollenmodelle. Das ändert
       > sich zum Glück. Neue Maßstäbe setzten zuletzt Jodie Foster oder Joni
       > Mitchell.
       
 (IMG) Bild: Jodie Foster als Ermittlerin in „True Detective“
       
       Ich war schon früher ein Fan von Jodie Foster und jetzt, wo die
       Hollywoodschauspielerin über 60 ist, schaut man natürlich genauer hin: Also
       wie sieht die das so [1][mit dem Alter]? „Erwarte nichts und akzeptiere
       alles – das macht das Leben leichter“, sagt Foster und das finde ich einen
       brauchbaren Glaubenssatz. Denn zu akzeptieren gibt es ja eine ganze Menge,
       wenn die eigenen Körperzellen immer schlampigere Kopien ihrer selbst
       anfertigen. Nachts schaue ich Folgen von „True Detective“, wo Foster durch
       eine Polarnacht in Alaska stapft und erfrorene Mordopfer auftaut.
       Unfreundlich, blass und spitz im Gesicht ist sie. Gefällt mir.
       
       Foster, nicht heteronormativ, ist eins der neuen Rollenmodelle für das
       Altern, die eine gewisse Diversität versprechen. Und das ist dringend
       nötig. Denn damit wird das bisherige Spektrum erweitert, das vor allem aus
       dem Rollenmodell „Mit 50 immer noch sexy“ bestand.
       
       Die auch mit 50 oder 60 „Noch-sexy-Frau“ war das vorherrschende Modell in
       den Nullerjahren, das älteren Frauen „Mut machen“ sollte, wie es immer
       hieß. Aber im Grunde bestand es aus der scheinbaren Beruhigung: Du kannst
       auch mit 55 noch aussehen wie 30 und attraktiv sein für einen Mann.
       
       Dieses Rollenmodell verkörperten damals zum Beispiel TV-Schauspielerinnen
       wie Iris Berben, womit übrigens nichts gegen deren Schauspielkunst gesagt
       ist. Das Geschäftsmodell basierte auf dem dicken Unterhautfettgewebe,
       genetisch vorgegeben, das manche Frauen im Gesicht lange jung aussehen
       lässt. Aber Himmel, man muss alt aussehen dürfen, ohne als hässlich zu
       gelten!
       
       ## Ein neues Vorbild
       
       Es braucht weitere Modelle, auch für die Hochaltrigkeit, vor der alle
       Babyboomer:innen so eine Panik haben. Neue Maßstäbe setzt zum Beispiel
       Joni Mitchell, 80. Bemerkenswert war ihre Performance auf dem Newport Folk
       Festival.
       
       Sie saß mit Kappe, dunkler Brille und langen blonden Zöpfen in diesem
       thronähnlichen Sessel mit der vergoldeten Lehne und sang, „I’ve looked at
       life from both sides now“. Eine schwere [2][neurologische Erkrankung lag
       hinter ihr]. Das Publikum tobte.
       
       Die eigene Vulnerabilität zu integrieren, ohne sich darauf zu fokussieren
       und ohne Mitleid zu erwecken, das entfacht Begeisterungsstürme. Doch es
       sollte nicht schon wieder um neue Zwänge gehen, welches Modell nun das
       moralisch beste ist. Die Vielfalt zu akzeptieren, das ist wichtig.
       
       ## Sich selbst erfinden, auch mit 80
       
       Deshalb ist es auch völlig okay, was [3][Madonna] macht: Sie darf an sich
       herumspritzen lassen und auftreten, so lange sie will, wie und in welchen
       Kostümen sie will. Man sollte einfach auf niemanden hören, der sagt: „Also
       in dem Alter sollte sie doch nicht … muss sie doch nicht …“ Falsch. JedeR
       kann sich selbst erfinden, auch mit 80. Man fährt sogar besser damit.
       
       Ein Vorbild für mich ist die österreichische Autorin Ilse Helbich
       („Grenzland. Zwischenland“) mit ihren psychedelischen Texten über das hohe
       Alter, über diesen Übergang vom Tun ins Schauen und Sein. Sie beschreibt
       die plötzliche Euphorie, wenn etwa der Wind durch Pappeln fährt und
       glückliche Erinnerungen triggert auf der gut gefüllten Festplatte im Hirn
       einer 90-Jährigen. Helbich ist für mich ein Versprechen: Man behält im
       hohen Alter den Kontakt zum Schönen, wenn man will. Einmal habe ich länger
       mit ihr telefoniert, sie freute sich, dass ich ihre Texte meiner Mutter am
       Krankenbett vorlas. Jetzt ist Helbich in Wien gestorben, 100 Jahre alt. So
       this is for her.
       
       5 Feb 2024
       
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