# taz.de -- Vierschanzentournee-Finale am Samstag: Der lange Anlauf zum Gesamtsieg
       
       > Skispringer Andreas Wellinger geht mit nur kleinem Rückstand in das
       > Finale der Vierschanzentournee. Die Schanze in Bischofshofen liegt ihm.
       
 (IMG) Bild: Das Finale von Bischofshofen im Blick. Andreas Wellinger
       
       Innsbruck taz | Stephan Leyhe ist bei dieser 72. Vierschanzentournee so nah
       dran an Andreas Wellinger wie kein anderer. Und der Zimmerkollege des
       deutschen Überfliegers ist felsenfest davon überzeugt, dass das knappste
       Tournee-Duell seit sieben Jahren mit einem Triumph von „Welle“ gegen den
       Japaner Ryoyu Kobayashi endet: „Wenn man ihn länger kennt, weiß man, dass
       er für diese Situationen geboren ist.“
       
       Zweifellos ist im Kampf um den Tournee-Gesamtsieg die außergewöhnliche
       Nervenstärke und Coolness des Doppel-Olympiasiegers gefragt. Mit 4,8
       Punkten Rückstand – das sind umgerechnet knapp 2,67 Meter – geht Wellinger
       in das Finalspringen am Samstag (16.30 Uhr/ARD) in Bischofshofen. Knapper
       war es letztmals 2017, als der Norweger Daniel Andre Tande mit einem
       Vorsprung von 1,7 Zählern auf Kamil Stoch zum letzten Tournee-Springen
       reiste.
       
       Der Pole holte sich damals auch deshalb noch den Goldenen Adler für den
       Gesamtsieg, weil sich bei Tandes Sprung ein Teil der Skibindung löste.
       Andreas Wellinger hatte in diesem Drama von Bischofshofen eine kleine
       Nebenrolle. Am Tag vor der Entscheidung gewann er mit 144,5 Metern die
       Qualifikation – noch heute ist das der zweitweiteste Flug der
       Tournee-Geschichte. Und ein Fingerzeig darauf, wie gut Wellinger diese
       große Naturschanze liegt.
       
       „Ich mag die Schanze in Bischofshofen und bin dort schon extrem gut Ski
       gesprungen. Ich bin jetzt nicht mehr der Gejagte, sondern der Jäger – mit
       der Rolle kann ich sehr gut leben“, sagt Wellinger und fügt hinzu: „Die
       Devise heißt Angriff, und dann hoffe ich, dass ich am Ende ganz oben in der
       Ergebnisliste stehe. Alles ist im Flow.“ Am Donnerstag, dem zweiten Ruhetag
       der Vierschanzentournee, lud der 28-Jährige seine Akkus für das Finale auf.
       Ein Krafttraining stand auf dem Plan, dazu reiste das deutsche Team ganz
       entspannt von Innsbruck nach Bischofshofen.
       
       ## Gute Stimmung
       
       Zwar zeigt die Resultats-Kurve von Wellinger bei dieser Tournee nach unten:
       Nach dem Auftaktsieg von Oberstdorf und Platz drei beim Neujahrsspringen
       von Garmisch-Partenkirchen reichte es in Innsbruck mit Rang fünf erstmals
       nicht für das Podest. Die Stimmungskurve ist jedoch weiterhin ganz oben.
       „Wenn du den Bergisel überlebst und nur ein paar Punkte Rückstand hast,
       kannst du gelassen nach Bischofshofen fahren“, sagt [1][Bundestrainer
       Stefan Horngacher]: „Wir werden Andi so präparieren, dass er die Chance
       hat, am Ende ganz oben zu stehen.“
       
       Der Chefcoach baut ganz besonders auf den Geschwindigkeits-Vorteil von
       Wellinger in der Anfahrt, der auf der Naturschanze von Bischofshofen mit
       ihrem langem Anlauf noch wichtiger sein dürfte. 0,7 Stundenkilometer war
       Wellinger beim Finalsprung von Innsbruck schneller als sein Erzrivale
       Kobayashi. Bei gleichem Sprungniveau ist das etwa ein Vorteil von 3,5
       Metern in einem Sprung – damit hätte Wellinger seinen Tournee-Rückstand
       aufgeholt.
       
       Ryoyu Kobayashi ist jedoch ebenfalls in Topform. Allerdings nicht [2][in
       der Überform, in der er bei seinen überlegenen Gesamtsiegen von 2019 und
       2022 war] – nach drei zweiten Plätzen fehlt ihm bei dieser Tournee noch ein
       Tagessieg. Deshalb glaubt auch der letzte deutsche Tournee-Gesamtsieger
       Sven Hannawald noch an einen Triumph von Wellinger: „Ich will meinen
       Rucksack endlich loswerden, es wird nach 22 Jahren wirklich Zeit für einen
       deutschen Gesamtsieg. Andi muss dafür allerdings zwei überragende Sprünge
       zeigen.“
       
       Hannawald wird als ARD-Experte selbst vor Ort sein und würde Wellinger im
       Auslauf von Bischofshofen allzu gern gratulieren. Auch Wellingers
       [3][Flug-Kollegen aus dem schwächelnden deutschen Team] haben angekündigt,
       dass sie Wellinger beim großen Finale als „Cheerleader“ unterstützen
       wollen.
       
       Und dann ist da natürlich noch die mentale Unterstützung von Zimmerkollege
       Stephan Leyhe. Gemeinsam schauen sich die beiden Flieger aus dem
       „Kreuzband-Zimmer“ – das Duo hat sich nach schweren Knieverletzungen in die
       Weltspitze zurückgekämpft – abends eine Folge aus der Netflix-Serie über
       Fußball-Weltstar David Beckham an. Für Wellinger eine Inspiration vor dem
       Herzschlag-Finale, wie man es „ganz nach oben“ schaffen kann.
       
       4 Jan 2024
       
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