# taz.de -- Faktotum der Vierschanzentornee: Breitensport ist fein
       
       > Der Schweizer Simon Ammann springt aus Gewohnheit immer noch von der
       > Schanze. Seine 25. Tournee bewältigt er als umjubelter Altstar.
       
 (IMG) Bild: Und ewig lockt der Bakken: Simon Ammann auf der Partenkirchner Schanze
       
       Schon wenn Simon Ammann bei dieser 72. Vierschanzentournee oben auf der
       Schanze kurz vor dem Losfahren ist, brandet ein Jubel in Orkanstärke auf.
       „In Oberstdorf hat mir die Jury noch ein paar Sekunden extra Zeit gegeben,
       um das richtig zu genießen. Das war richtig genial“, schwärmt der
       Schweizer. Es sind diese Gänsehaut-Momente, für die der inzwischen
       42-jährige Oldie das harte Training auf sich nimmt. Der Star der
       Skisprung-Szene wird in Deutschland [1][bei seiner 25. Tournee-Teilnahme]
       genauso so abgefeiert wie Andreas Wellinger.
       
       Wenn Ammann dann wie zum Tournee-Auftakt als 21. „dieses einmalige Gefühl
       des echten Fliegens“ spürt und nach der Landung bei all den TV-Stationen
       über seine Leidenschaft fabuliert, kann man sich das Skispringen ohne den
       ewigen Flieger fast nicht mehr vorstellen. Die Fans reißen sich um ein
       Selfie mit dem Routinier, der an guten Tagen immer noch zur erweiterten
       Weltspitze zählt. Eine bemerkenswerte Leistung in seinem Alter, aber nichts
       im Vergleich zu den früheren Erfolgen des viermaligen Olympiasiegers,
       zweimaligen Weltmeisters und Gesamtweltcupsiegers.
       
       Sein letzter Sieg datiert aus dem Jahr 2014. „Ich habe größten Respekt vor
       Simon. Aber für mich wäre das nichts, weil einfach mitspringen mich nur
       kaputt machen würde“, sagt Sven Hannawald, der vor 22 Jahren als letzter
       Deutscher die Vierschanzentournee gewinnen konnte. Den Skisprung-Grand-Slam
       hat Ammann nie für sich entscheiden können, es ist der einzige fehlende
       Titel in seiner Erfolgssammlung. 2009 und 2011 war er als Zweiter knapp
       dran.
       
       Vielleicht hofft Ammann, der vom neuen Schweizer Cheftrainer Rune Velta
       (Norwegen) noch einmal „neue Impulse“ bekommen hat, in seinen wildesten
       Träumen noch auf ein Wunder in Sachen Tournee. Aber vor allem ist er noch
       dabei, weil ihm „dieses Projekt“ noch Spaß macht: „Ich bin der einzige
       Breitensportler im Weltcup“, sagt er scherzhaft.
       
       ## Bauen und BWL
       
       Sein Leben richtet sich längst auch nach anderen Prioritäten. Und natürlich
       hält Ammann, der eine Privatpilotenlizenz für Flugzeuge besitzt, gekonnt
       mehrere Bälle gleichzeitig in der Luft. Im Zentrum steht derzeit sein
       Betriebswirtschaftsstudium, in dem zuletzt Prüfungen anstanden und der
       Bachelor das Ziel ist. Ammann ist zudem gemeinsam mit Martin Schmitt
       Inhaber der Sportmarketing-Agentur ASP Sports. [2][Bei den Toggenburger
       Bergbahnen] sitzt der ewige Flieger im Verwaltungsrat. Und dann ist da noch
       ein Hotel- und Gastro-Projekt, weil Ammann schon vor Jahren ein
       sanierungsbedürftiges Gasthaus in seiner Heimatgemeinde Wildhaus-Alt St.
       Johann erworben hat.
       
       Beim Hausbau für seine Familie, zu der neben Ehefrau Yana auch die drei
       kleinen Kinder Théodore, Charlotte und Aaron gehören, hat er im vergangenen
       Jahr auch mitgeholfen. Es gibt also auch abseits des Skispringens genug zu
       tun für Simon Ammann. Doch der nur 1,71 Meter kleine Mann fliegt einfach
       immer weiter. Zehn Jahre ist es inzwischen her, dass er zum ersten Mal
       seinen Rücktritt angekündigt hat. Auch in den Jahren nach seinem schweren
       Sturz beim Vierschanzentournee-Finalspringen in Bischofshofen (2015)
       fabulierte Ammann regelmäßig vom Absprung ins Privatleben.
       
       Davon ist inzwischen keine Rede mehr. „Ich werde nie zurücktreten. Nur,
       wenn mein Körper das sagt“, hat er während seiner 12. WM-Teilnahme im
       Februar gesagt. In diesem Winter absolviert Ammann seine 27.
       Weltcup-Saison. Als er 16-jährig 1997 beim Vierschanzentournee-Auftakt in
       Oberstdorf seine Weltcup-Premiere feierte, war der heutige deutsche
       Hoffnungsträger Andreas Wellinger gerade zwei Jahre alt.
       
       Es folgte eine einzigartige Karriere, die Ammann zum Weltstar machte. 2002
       wurde der Mann mit der Brille in Salt Lake City Doppel-Olympiasieger und
       bekam den Titel „Harry Potter der Lüfte“ wegen seiner äußerlichen
       Ähnlichkeit mit dem Magier verpasst. Er schaffte es danach sogar in die
       legendäre Late-Night-Show von David Letterman.
       
       2026 gehen auf den Schanzen im italienischen Predazzo die Wettbewerbe der
       Olympischen Winterspiele von Mailand und Cortina über die Bühne. Dort
       schaffte Ammann erstmals in seiner Karriere zwei Podestplätze binnen 24
       Stunden. Das war 2001 – da war mancher seiner heutigen Konkurrenten noch
       nicht einmal geboren.
       
       1 Jan 2024
       
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