# taz.de -- Silvester in Zeiten der Krisen: Hauptsache, ein Funken Licht
       
       > Nahost, Ukraine, Antisemitismus – Früher konnte man sich noch über
       > Silvesterfeuerwerk aufregen. Heute muss man sich um echte Probleme
       > sorgen.
       
 (IMG) Bild: Möge es für Sie und uns alle ein gutes 2024 werden
       
       Mannomann, noch nie war ich so froh, dass ein Jahr zu Ende ging. Und noch
       nie hatte ich so wenig Hoffnung, dass im nächsten Jahr irgendetwas besser
       wird. Wie sehr sich alles geändert hat, zeigt sich schon daran, dass ich
       mich nicht mal mehr – [1][wie früher], als ich offenbar ein ansonsten
       sorgenfreies Leben führte – über die Silvesterböllerei aufrege.
       
       Sollen die Leute sich halt die Hände und Augenbrauen wegknallen und ihr
       sauer verdientes Geld verpulvern. Ich hätte nicht mal mehr was dagegen,
       selbst und eigenhändig mein dürres taz-Gehalt in die Luft zu jagen. Weil:
       Böse Geister gibt es gerade genug zu verjagen. Tatsächlich also freue ich
       mich in diesen Tagen zum ersten Mal über jedes Fünkchen Leuchten.
       
       An echte Erleuchtung, enlightenment gar – glaube ich nach der
       [2][erbärmlichen Performance], die Student:innen und Präsidentinnen
       ehemaliger Leuchttürme wie Harvard und Co kürzlich abgeliefert haben, nicht
       mehr. Erst waren jüdische Studierende nach dem 7. Oktober drangsaliert,
       bedroht, beschimpft worden, woraufhin die Präsidentinnen von drei der
       international bekanntesten Ivy-League-Universitäten vor einen Ausschuss des
       Repräsentantenhauses geladen wurden. Dort konnten auch die sich zu keinem
       klaren Bekenntnis der Solidarität oder zum Schutz der jüdischen
       Student:innen durchringen. Sie faselten von „Kontext“.
       
       Die Befragung war nur eine Inszenierung rechter Abgeordneter, die die
       Debatten über den Krieg gegen die Hamas für ihren Wahlkampf nutzen wollen,
       sagen viele. Das mag sogar sein, greift aber trotzdem viel zu kurz.
       
       Und zwar schlicht, weil die Kategorien „links“ und „rechts“ in diesem
       Konflikt einfach nicht funktionieren. Weil Rechte da plötzlich Partei
       ergreifen für eine angegriffene Minderheit, die sie sonst natürlich
       verachten – Juden, Israelis – einfach nur, weil es ihnen einen Vorwand
       bietet, gegen Muslime zu hetzen. Und weil Linke, zumindest enttäuschend
       große Teile der Linken einer kindisch-binären Weltsicht anheimgefallen
       sind, in der es nur Unterdrücker und Unterdrückte gibt. Das wird nur jetzt,
       nach dem 7. Oktober endlich in seiner ganzen Falschheit deutlich.
       
       Dafür biegen selbst Intellektuelle wie [3][Masha Gessen sich die Tatsachen
       zurecht, dass es nur so kracht], vergleichen Gaza mit dem Ghetto und
       verkennen den eklatanten Unterschied zwischen Rassismus und Antisemitismus.
       Und jammern später, wie so rechte Boomer, auf allen Edelkanälen, dass sie
       ja nichts sagen dürften. Schlimmer noch, sie werden sogar mit Preisen
       beworfen.
       
       Diese Art [4][Gaslighting], die völlige Verwirrung der Tatsachen, hat diese
       Art Linke natürlich mit Rechten wie Trump gemein. Noch [5][so ein böser
       Geist, der schon vor Anbruch des neuen Jahres mit den Hufen scharrt]. Wie
       viele Knaller braucht es, damit er nicht wieder Präsident wird?
       
       ## Die endgültige Verwirrung
       
       Wobei – so grotesk wie dieses Jahr war, kann ich mir sogar vorstellen, dass
       er – erst einmal wieder Präsident – den Palästinensern einen guten Deal
       macht und sie unverhofft doch noch einen [6][eigenen Staat] bekommen. Das
       wäre famos, würde zugleich all diejenigen „Linken“, die ein Massaker einer
       islamofaschistischen Terrororganisation gebraucht haben, um sich „Free
       Palestine“ zu wünschen (ohne den Zusatz: „from Hamas“ hinterherzuschieben),
       ziemlich verwirren. Grund genug, sich dieses Szenario herbeizuwünschen.
       
       Aber auch der einzige. Die Ukraine muss schon jetzt um die dringend nötigen
       Hilfen bangen, ich mag mir nicht ausmalen, was passiert, wenn Mr. America
       First wieder am Hilfshebel sitzt. Dann müssen wir vielleicht nächstes Jahr
       unser Böllergeld zusammenkratzen, um die Ukraine und den Rest von Europa
       gegen die loose cannon im Kreml zu verteidigen.
       
       Damit es nicht so weit kommt, investieren Sie bitte all ihre guten Vorsätze
       in die Vertreibung böser Geister. Mit Sicherheit fallen Ihnen (so wie auch
       mir) noch viele weitere unliebsame Gesell:innen ein, die Sie im
       kommenden Jahr nicht mehr sehen wollen. Über ein AfD-Verbot etwa haben wir
       noch gar nicht gesprochen. Aber das Jahr fängt ja gerade erst an. Möge es
       für Sie und uns alle ein gutes werden.
       
       30 Dec 2023
       
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