# taz.de -- Rätselhafter Rückzug
       
       > Borussia Dortmund verabschiedet sich von den Ansprüchen eines
       > Spitzenteams und sichert sich mit defensivem Außenseiter-Fußball ein
       > Remis bei Bayer Leverkusen
       
 (IMG) Bild: Defensivarbeit am Limit: Mats Hummels blockt einen Schuss von Exequiel Palacios
       
       Aus Leverkusen Andreas Morbach
       
       Bis zur Winterpause in der Bundesliga sind es noch gut zwei Wochen hin, aus
       gegebenem Anlass warf Edin Terzic aber gerade schon mal einen Blick ins
       neue Jahr. Am 13. Januar beginnt in der Elfenbeinküste der Afrika-Cup – und
       Dortmunds Cheftrainer sagte dazu nun mit einem wissenden Lächeln: „Ich
       glaube, Leverkusen hat im Januar eine spannende Phase.“ Hinter diesem
       Hinweis steckt die zarte Hoffnung des 41-Jährigen, der gewaltige
       Zehn-Punkte-Rückstand auf den Spitzenreiter könnte Anfang 2024 irgendwie
       mit fremder Hilfe verringert werden. Beim 1:1 im direkten Duell in der am
       Ende tief verschneiten BayArena gelang dies den Schwarz-Gelben am frühen
       Sonntagabend jedenfalls nicht.
       
       Mit den Innenverteidigern Edmond Tapsoba (Burkina Faso) und Odilon
       Kossounou (Elfenbeinküste) sowie den Angreifern Victor Boniface (Nigeria),
       Amine Adli (Marokko) und Nathan Tella (Nigeria) könnten den Leverkusenern
       im Maximalfall fünf Akteure wegen des Afrika-Cups fehlen. Bayer-Coach Xabi
       Alonso, der in der Liga bislang fast immer auf dieselbe Startelf setzte,
       würde das zu einigen personellen Veränderungen zwingen. Entsprechend
       gespannt ist der Kollege Terzic schon jetzt, wie gut der Spanier das dann
       hinbekommt.
       
       Bei der Punkteteilung mit dem BVB schafften es die Rheinländer auf alle
       Fälle schon mal, sich durch die frühe Führung der Gäste durch Julian
       Ryerson (5.) nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Unbeeindruckt
       praktizierten sie weiter ihr bekannt dominantes Spiel, häuften bis zum
       Abpfiff eine Bilanz von 23:6 Torschüssen, 16:1 Ecken und mehr als doppelt
       so vielen Pässen wie die extrem defensiv agierenden Dortmunder an. Diese
       ungewöhnliche Spielweise der Westfalen, die man sonst nur von krassen
       Außenseitern kennt, verwunderte ihre Gegner mächtig.
       
       „Ich habe Dortmund noch nie so spielen sehen – alle hinter dem Ball“,
       staunte Angreifer Patrik Schick, der lediglich 40 Sekunden nach seiner
       Einwechslung nach einem Zuspiel von Kossounou Passgeber für den Torschützen
       Boniface wurde. „Es waren in der Vergangenheit häufig offenere Spiele gegen
       Dortmund. Aber jeder wählt halt seine Taktik“, blies Leverkusens Sportchef
       Simon Rolfes in dasselbe Horn wie Schick.
       
       Und auch Granit Xhaka hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg.
       „Dortmund hat den Anspruch, vorne mitzuspielen. Und wenn die schon hierher
       kommen und nur hinten drinstehen, dann zeigt das, was für einen Respekt sie
       vor uns haben“, hob Bayers Mann aus dem defensiven Mittelfeld nicht ohne
       Stolz hervor. Und wo er schon dabei war, lästerte der Schweizer
       Rekordnationalspieler auf die Frage nach einer Phase mit leichten
       Leverkusener Ballverlusten nach der Pause noch: „Wir haben dem Gegner nur
       kurz etwas Hoffnung gegeben. Damit sie denken, sie können jetzt ein
       bisschen mehr machen. Aber da kam auch dann nix.“
       
       Bei der von Xhaka beschriebenen Diskrepanz zwischen dem eigentlichen
       Anspruch des BVB – am Mittwoch im Pokal in Stuttgart zu Gast – und der
       Realität wollte Terzic auch gar nicht widersprechen. „Leverkusen spielt
       eine außergewöhnliche Saison, das muss man neidlos anerkennen“, erklärte er
       – nachdem es seiner Mannschaft zumindest gelungen war, Bayers pralle Serie
       von zuletzt 14 Pflichtspielsiegen zu stoppen. „Xabi Alonso und sein Team
       haben in den letzten Wochen und Monaten sehr viel richtig gemacht. Und sie
       sind immer noch unbesiegt – das ist das, was uns am meisten stört“, führte
       Terzic seinen Gedanken weiter aus. Ehe er schließlich seine ausgesprochen
       vorsichtige Taktik erläuterte.
       
       „Die letzten Spiele gegen Leverkusen waren oft sehr torreich und
       spektakulär. Deshalb wollten wir diesmal anders rangehen und schauen, dass
       ein, zwei Tore für den Sieg reichen. Das hat nicht ganz geklappt“, räumte
       Borussias Chefübungsleiter ein und erklärte einsichtig: „Es gibt
       Kompromisse, die man gegen eine so dominante, so schnelle, physisch so
       starke Mannschaft eingehen muss.“
       
       Was Edin Terzic fürs Erste bleibt, ist das Prinzip Hoffnung. „Unser
       Rückstand auf Leverkusen ist groß“, weiß der gebürtige Sauerländer, betont
       aber auch: „Da ist noch so viel, was auf uns zukommt. Auf uns – und auch
       auf Leverkusen.“ Zum Beispiel der Afrika-Cup im Januar – bei dem der BVB
       mit dem am Sonntag krank fehlenden Ramy Bensebaini (Algerien) und Sébastien
       Haller (Elfenbeinküste) maximal zwei Spieler entbehren muss. Leverkusen
       kann zumindest im Pokalachtelfinale am Mittwoch gegen den Zweitligisten SC
       Paderborn noch aus einem vollen Kader schöpfen. Zu erwarten ist, dass der
       Außenseiter sich an der Mauertaktik von Dortmund orientieren wird.
       
       5 Dec 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Morbach
       
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