# taz.de -- „Tatort“ aus Kiel: Wacken – und mittendrin Borowski
       
       > Wer Heavy Metal nicht mag, wird hier keine Freude haben. Es geht um eine
       > verschwundene junge Frau, die kurz vor dem Festival nach Wacken getrampt
       > war.
       
 (IMG) Bild: Borowski (Axel Milberg) im Gespräch mit der schwangeren Sarah Stindt (Anja Schneider)
       
       Sagen wir so: Wenn man alle paar Minuten dem Reflex nachgibt, den Film auf
       lautlos zu schalten, bekommt man nicht viel mit. Oder anders: Wenn Sie kein
       Heavy Metal mögen, dann werden Sie mit diesem „Tatort“ keine Freude haben.
       Das hat erst mal nichts mit der Handlung selbst zu tun, mit der Story, die
       rund um [1][das alljährliche Wacken-Festival] angesiedelt ist.
       
       Aber da ist eben die Musik. Sie ist überall, kriecht in jede Ritze, als
       Teil der Filmrealität. Da sind trotzende Jugendliche ganz in Schwarz mit
       Kajal-umrandeten Augen, die zu Hause aufdrehen, in einer Metal-Band
       spielen, mittelalte Metal-Podcast-Macher, Typen mit Metal-Fanshop. Also
       dauernd laut.
       
       Nur: Stumm gestellt fallen die Dialoge eben mit weg. Wenn Borowski (Axel
       Milberg) und Sahin (Almila Bagriaçik) die Strategie besprechen, wenn sie
       Leute vernehmen, im Dorf rumfragen.
       
       Die Lage der [2][NDR-Folge „Borowski] und das unschuldige Kind von Wacken“:
       ein totes Baby, eine verschwundene junge Frau, die kurz vor Festivalstart
       nach Wacken getrampt war, eine Kommune im Vorbereitungsstress, ein
       Bauernhofehepaar mit Dorfkneipe, allen voran der echte Gründer und
       Festivalchef (wirklich rührend übrigens, wie er sich im Presseheft freut,
       dass er mitmachen durfte, vom Stolz seiner Mutter erzählt und dem Kostüm,
       das fast besser gewesen sei als sein echtes.). Und ein Mann, der sich von
       Polen aus auf den Weg macht und seine Frau samt Baby sucht.
       
       ## Verzweiflung und Sturheit
       
       Das Ermittlungsduo kommt also im Sommer von Kiel aus in die Pampa
       gezuckelt. Sie wohnen und arbeiten im Bestattungsunternehmen des Dorfs, das
       Dröhnen des Teenagers des Hauses permanent im Ohr. Und sie wissen weniger
       als das Publikum: Es ist einer dieser Filme, der uns, auf dieser Seite des
       Bildschirms, schneller offenbart, was läuft. Peu à peu wird der Vorhang zur
       Seite gezogen, bis der Blick frei ist auf das ganze Drama. Derweil sucht
       die Kripo noch nach Spuren.
       
       Auch ohne Ton unübersehbar: die sanfte Dynamik zwischen Milberg und
       [3][Bagriaçik], das feine Spiel von Anja Schneider und Andreas Döhler als
       Bauernhof-Wirts-Paar, seit Schulzeiten zusammen, sie hochschwanger, beide
       aufs Festival wartend, des Geldes wegen. Die Verzweiflung und Sturheit, die
       Irina Potapenko ihrer Christina, der jungen Frau, verleiht.
       
       Wer [4][Ayşe Polats „Im toten Winkel“] gesehen hat – lief auf der Berlinale
       und startet Januar 2024 im Kino, eine bemerkenswert erzählte Geschichte
       über eine kurdische Familie in der Türkei –, wird zwischendurch, wenn’s mal
       ruhig ist, diese Momente wiedererkennen: den Mut der Regisseurin, eine
       Szene für sich wirken zu lassen, ohne Worte. Damit hilft Polat, den Dreh-
       und Angelpunkt der Geschichte der österreichischen Drehbuchautorin Agnes
       Pluch besser sichtbar zu machen: Zwei Paare, die in ein Desaster
       schliddern, dann in noch eins, sich ineinander verhakend. Weil sie sich
       nach einem anderen Leben sehnen.
       
       Der Kontrast zur Sommerkulisse wirkt hervorragend: Denn währenddessen
       tauchen drumherum immer mehr Menschen in Schwarz auf. Hände in die Luft
       reckend, Finger zu Hörnern gespreizt, feist grölend.
       
       Und mittendrin Borowski, der sein 20-Jähriges im „Tatort“-Universum feiert.
       Nachts in der Festivalmeute, kurz vorm Headbangen. Kurz vor der
       Schlussblende ist damit auch klar: An die [5][Kai-Korthals-Storys] mit Lars
       Eidinger, die die Legende der Kommissarsfigur über die Jahre geprägt haben,
       kommt diese Folge um Längen nicht ran.
       
       26 Nov 2023
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anne Haeming
       
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