# taz.de -- Beerdigung von Wagner-Chef Prigoschin: Ein Verwirrspiel bis ins Grab
       
       > Am Tag nach der Beerdigung von Söldnerchef Prigoschin deutet der Kreml
       > erstmals an, dass sein Flugzeugabsturz kein Unfall war.
       
 (IMG) Bild: Jewgeni Prigoschin soll auf dem Porochow-Friedhof-Friedhof in St. Petersburg liegen
       
       Moskau taz | Der Porochow-Friedhof in Sankt Petersburg ist am Mittwoch
       streng bewacht. Einen Tag nach der Beerdigung des mit einem Flugzeug
       abgestürzten Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin umstellt Russlands
       Nationalgarde die Ruhestätte im Nordosten der Stadt. Pfeile an den Bäumen
       weisen den Weg zum Grab des skrupellosen Milizenführers. An dem Ort ist ein
       Holzkreuz in die Erde gesteckt, darunter Sträuße roter Rosen und ein Bild
       des Toten im golden wirkenden Rahmen. „Prigoschin Jewgeni Wiktorowitsch,
       1961–2023“ steht auf der Namensplakette.
       
       Einzelne Männer und Frauen legen Nelken ab und wundern sich darüber, dass
       „so wenig Menschen dem größten Patrioten Russlands die letzte Ehre erweisen
       wollen“. So äußern sie sich in die Kameras der Petersburger
       Journalist*innen des unabhängigen Mediums „Fontanka“. Die meisten
       russischen staatlichen Fernsehsender schenken Prigoschins Beerdigung keine
       Beachtung.
       
       Am Tag zuvor war der „Held Russlands“, zu dem der russische Präsident
       Wladimir Putin Prigoschin einst – im Geheimen – gemacht hatte, in
       „geschlossener Runde“ beigesetzt worden. Die Verwandtschaft habe keine
       Öffentlichkeit gewollt, hatte es im offiziellen Telegram-Kanal des
       zeitweiligen Rebellen geheißen. Putin hatte rechtzeitig mitgeteilt, er
       werde nicht zugegen sein. Prigoschin liegt nun neben seinem Vater auf
       einem Friedhof, der lange Zeit für die Beerdigungen von Arbeitern einer
       nahen Sprengstofffabrik benutzt wurde.
       
       Seit Tagen war in Russland spekuliert worden, wo und wie Prigoschin
       beerdigt werden würde. Der skrupellose Chef der [1][Gruppe Wagner] war am
       vergangenen Mittwoch mitsamt einiger Führungspersonen seiner Paramilitärs
       bei einem Flugzeugabsturz in der russischen Region Twer ums Leben gekommen.
       
       ## Moskau schließt Absicht hinter Absturz nicht aus
       
       Beobachter*innen in- und außerhalb Russlands sprachen schnell von
       einer Rache des Kremls. [2][Über die Ursache, warum die Embraer-Maschine
       mit zehn Menschen an Bord vom Himmel taumelte, ist weiterhin nichts
       bekannt]. Dmitri Peskow, der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir
       Putin, wies solche Behauptungen sogleich als „absolute Lüge“ zurück.
       Zugleich ließ er am Mittwoch erstmals durchklingen, dass der Absturz des
       Flugzeugs absichtlich herbeigeführt worden sein könnte. „Es ist
       offensichtlich, dass verschiedene Versionen in Erwägung gezogen werden,
       einschließlich der Version – Sie wissen, worüber wir sprechen –, sagen wir
       mal: einer absichtlichen Grausamkeit.“ Russland will den Absturz „vorerst“
       nicht nach internationalen Regeln untersuchen.
       
       Am Tag von Prigoschins Beerdigung spielte sich in [3][Sankt Petersburg]
       eine regelrechte Maskerade ab. An unterschiedlichen Friedhöfen der Stadt
       waren Polizeiwagen postiert, Metalldetektoren waren an den Eingängen
       aufgestellt worden, Menschen in Schwarz eilten durch die Tore, Leichenwagen
       fuhren hinein, sie fuhren wieder hinaus, Journalist*innen waren nicht
       zugelassen.
       
       Viele Beobachter*innen waren davon ausgegangen, Prigoschin werde auf
       dem Seraphim-Friedhof im Nordwesten der Stadt beerdigt. Das ist ein
       Friedhof, wo viele namhafte sowjetische und russische Militärs begraben
       sind. Als „Held Russlands“ hätte der Abgestürzte eigentlich mit
       militärischen Ehren beerdigt werden müssen, samt Militärgarde,
       Militärkapelle und Salutschüssen.
       
       ## Gescheiterte Mini-Meuterei
       
       Durch [4][seine gescheiterte Mini-Meuterei] in diesem Juni, als Prigoschin
       mit Tausenden seiner Kämpfer einen Marsch auf Moskau geplant und schnell
       wieder abgeblasen hatte, war er in den Augen Putins zum Verräter geworden.
       Merkwürdig verklausuliert hatte der Kremlherrscher gesprochen, als er nach
       Prigoschins Absturz sein Beileid ausdrücken wollte, und war rasch zur
       Tagesordnung übergegangen. Prigoschin sollte schnell verscharrt werden und
       noch schneller vergessen sein.
       
       Ein stark bewachter Friedhof und Behörden, die immer wieder Dinge
       mitteilen, die sich schnell als Tarnmanöver entpuppten. Letzlich lief die
       Beerdigung geradezu im Geiste Prigoschins ab: verwirrend-grotesk. Der
       russische Journalist Dmitri Kolesew spottete: „Es bliebe nur, dass
       Prigoschin an seinem eigenen Grab auftaucht und darauf Blumen ablegt.“
       
       29 Aug 2023
       
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