# taz.de -- Ist Klimapolitik nur mit der CDU möglich?: Transformation als Waffe
       
       > Die Zukunft der liberalen Demokratie wird sich am gemäßigten
       > Konservatismus entscheiden, glaubt Politologe Thomas Biebricher.
       
 (IMG) Bild: Geht die sozialökologische Transformation nicht ohne die CDU?
       
       Von [1][THOMAS BIEBRICHER]
       
       Only Nixon could go to China: Dieser Satz beschreibt die Vorstellung, dass
       es bestimmte politische Projekte gibt, die die Unterstützung von früheren
       Gegnern, in diesem Fall des Konservativen und erklärten Antikommunisten
       Richard Nixon, brauchten, um gesellschaftliche Akzeptanz gewinnen und
       implementiert werden zu können. Andersherum wäre in Deutschland die
       Arbeitsmarktreform »Agenda 2010« vermutlich von Schwarz-Gelb nicht
       umzusetzen gewesen. Bestimmte Themen können nur von der »falschen«
       politischen Seite angepackt werden.
       
       Das wird gern gesagt, ich weiß, aber das inhaltliche Argument in diesem
       Fall lautet, dass eine ökologische Transformation sehr gut als Waffe gegen
       den benutzt werden kann, der sie letztendlich verantwortet. Konservative
       Parteien haben eher die Möglichkeit konservative oder sogar weiter rechts
       außenstehende Milieus zu binden, die oppositionellen Energien gegen dieses
       Projekt zu kanalisieren und eine nachhaltige Akzeptanz zu gewährleisten.
       Das steckt hinter meiner Vermutung, dass diese Transformation nur
       funktioniert, wenn die Konservativen im Boot sind.
       
       Das Soziale sei mal dahingestellt, aber die ökologische Transformation der
       Marktwirtschaft bietet viele Wege für Konservative. Nicht nur die Bewahrung
       der Schöpfung, sondern auch einen moralischen Weg analog zu
       verantwortungsvoller Fiskalpolitik, also Verantwortungsübernahme für die
       nachfolgenden Generationen. Und dann gibt es auch noch den rechtlichen Weg,
       der vorgezeichnet ist vom Bundesverfassungsgericht, dessen Urteil
       Klimaschutz zum Verfassungsrecht erhoben hat. Mit diesen Elementen könnte
       man eine ökologische Marktwirtschaft konservativ bestücken. Dazu kommt eine
       entscheidende strategische Frage der nächsten zwanzig Jahre: Man muss als
       konservative Partei auch jüngere Leute ansprechen können, die eher in der
       Mitte zu Hause sind, und da braucht man eine klimapolitische Positionierung
       und ein entsprechendes Narrativ.
       
       Auf der anderen Seite sind Konservative bei allem Gerede von Bewahrung der
       Schöpfung auch große Anhänger nahezu ungebremster technischer Innovation,
       am besten im kapitalistischen Rahmen eines möglichst freien Wettbewerbs.
       Das kann in ein unkonservatives Zutrauen in die Zukunft kippen, in der man
       ein paar Technologien aus dem Ärmel schüttelt, mit denen alles ohne
       Verzicht gemeistert wird. Dabei ist Opferbereitschaft eigentlich ein
       urkonservativer Diskurs, Disziplin und Sparsamkeit, sich für kommende
       Generationen einzuschränken: Aber darüber zu sprechen, weigert man sich
       derzeit noch.
       
       Meine Wahrnehmung ist, dass die Union, oder sagen wir, die CDU insgesamt
       noch keine Linie gefunden hat, wo sie hinwill und wie sie sich eigentlich
       inhaltlich aufstellen will. Meine Kernthese lautet, dass sich am gemäßigten
       Konservatismus die Zukunft der liberalen Demokratie entscheidet. Ich kann
       aber noch nicht sehen, ob es in der Union eine stärker rechtspopulistische
       Richtung sein soll oder ein konsequenter Mittekurs inklusive
       sozialökologische Transformation. Ich habe also aktuell keine begründete
       Zuversicht, dass die Union das macht, aber ich erkenne den
       Möglichkeitsraum.
       
       [2][THOMAS BIEBRICHER] ist Professor für Politikwissenschaft an der
       Goethe-Universität Frankfurt am Main. Zuletzt erschienen: Mitte/Rechts. Die
       internationale Krise des Konservatismus. Suhrkamp 2023 – 638 Seiten, 30
       Euro.
       
       Aufgezeichnet von [3][Peter Unfried].
       
       4 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Thomas-Biebricher/!a77218/
 (DIR) [2] /Thomas-Biebricher/!a77218/
 (DIR) [3] /Peter-Unfried/!a75/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Biebricher
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA