# taz.de -- Religion in der Zukunft: Zum Lachen in die Kirche
       
       > In der Zukunft hat sich der Glaube verbessert: Niemand wird getauft,
       > gesegnet, beschnitten oder verbrannt. Wer beten will, tut das zu Hause.
       
 (IMG) Bild: Ab 2048 wird das mit der Religion super entspannt, veganes Speiseeis kann angebetet werden oder auch nicht
       
       Wir schreiben das Jahr 2048. [1][Das Verhältnis der Menschen zu ihren
       Religionen] hat sich längst entspannt. Der ganze alte Krampf, mit dem wir
       uns über Jahrtausende gequält haben, ist endlich weg: All diese
       Vorschriften, was man zu tun und zu lassen hat; all das Düstere,
       Bedrohliche, dieser ganze ultranegative Angstkram wurde zum Teufel
       geschickt, wo er hingehört.
       
       Auch die notorische Spaßbefreitheit, die dem Glauben immer innewohnte, hat
       ein Ende. Bei den neuen Religionen wird unheimlich viel gekichert. Wer
       früher zum Lachen in den Keller ging, geht heute zum Lachen in die Kirche.
       Alles kann, nichts muss. Bunte Cocktails und Rundlauf-Pingpong prägen die
       Gottesdienste jeder Glaubensrichtung.
       
       ## Attraktive Angebote
       
       Doch der Weg dahin war steinig. Mitte der 2030er Jahre war [2][der
       Islamische Staat] auf einmal wieder schwer im Kommen, als er zulasten
       seines spirituellen Markenkerns aus Morden, Vergewaltigen und Verwüsten
       taktisch clever auf vermittelbarere Angebote umschwenkte: die weltweite
       Aufhebung der Tempolimits, Brausepulver für die Kinder und eine ebenfalls
       global angelegte Lotterie, in der man von grillfertig marinierten
       Nackensteaks über Kompakt-SUVs bis hin zum Wellnessurlaub an der Ostsee
       alles gewinnen konnte, was der schlichten Seele ein kleines bisschen Freude
       bereitet.
       
       Und selbst da, wo die Brand Recognition des good old IS, wie wir ihn
       fürchten und schätzen gelernt hatten, unvermindert stark aufschien, wurde
       ein populistisches Zuckerl für die Neugläubigen integriert:
       
       Wer sich auf die Fahrbahn klebt, der oder dem wird die Klebhand abgehackt –
       da kniet die brave Gemeinde doch in Dankbarkeit und Ehrfurcht nieder. So
       stellen sich fromme Deutsche eine Religion vor, die dem Menschen nutzt und
       nicht dem Götzen.
       
       Zwar scheiterten die Islamisten letztlich an den hohen Werbekosten, doch
       ihre Ideen gelten im Nachhinein als Auslöser einer umfassenden Entstaubung
       des Religionsbegriffs. Neben den in Liberalität frisch erblühenden alten,
       finden sich jetzt viele neue Glaubensgemeinschaften.
       
       Die meisten machen irgendwas mit Tantra, Origami oder veganem Speiseeis.
       Man kann kommen und gehen, wie man will; niemand wird getauft, gesegnet,
       beschnitten oder verbrannt. Wer beten will, tut das zu Hause.
       
       Auch mein Futurologe Zbigniew wirkt erleichtert, dass er nunmehr einen
       Katholizismus pflegen kann, der komplett auf neunmalkluge Ratschläge und
       nervtötendes Verbotsgedröhn verzichtet. „Wo der Paffe schweigt, spricht der
       liebe Gott zu uns“, seufzt er erlöst. 250 Jahre nach dem Ende der
       Aufklärung ist diese endlich doch noch bei uns angekommen.
       
       26 Jun 2023
       
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