# taz.de -- Tennisreporterin über Sport und Politik: „Man hat die Ukrainer satt“
       
       > Eine ukrainische Journalistin fühlt der Weltranglistenzweiten Aryna
       > Sabalenka aus Belarus in Paris auf den Zahn. Ihr wird das Mikro
       > weggenommen.
       
 (IMG) Bild: Im Krieg: Die Ukrainerin Elina Switolina und die Belarussin Aryna Sabalanka nach ihrem Match
       
       taz: Frau Meshcheriakova, Sie haben in Paris immer wieder die
       Weltranglisten-Zweite Aryna Sabalenka aus Belarus [1][mit Fragen zu ihrer
       Haltung zum Krieg konfroniert]. Warum eigentlich? 
       
       Daria Meshcheriakova: Seit Beginn des Krieges gab es immer nur sehr vage
       Äußerungen von ihr zum Regime und zum Angriffskrieg. Ihre Antwort war
       eigentlich immer: Ich unterstütze den Krieg nicht. Das war es. Dabei gab es
       Verbindungen von ihr zu Lukaschenko. Das ist bewiesen. Sie hat 2020 einen
       Brief zu seiner Unterstützung unterzeichnet. Sabalenka ist auch in einem
       Neujahrsfeier-Video zusammen mit Lukaschenko zu sehen. Plötzlich gab es für
       mich die Chance, sie direkt auf der Weltbühne zu fragen. Ich hatte zwei
       Fragen: Wie kann eine potenzielle Number One einen Diktator unterstützen?
       Und: Ob sie nicht auch mal für sich persönlich sprechen könnte, warum sie
       diesen einen Satz nicht schaffen würde: „Ich, Aryna Sabalenka, verurteile
       die Aggressionen meines Heimatlandes und Russlands gegen die Ukraine.“
       Leider bekam ich keine Antwort.
       
       Eine Pressekonferenz führte zu einem Eklat. Eine Offizielle nahm Ihnen das
       Mikrofon ab, als Sie nachfragen wollten. 
       
       Die Welt scheint die Ukrainer sattzuhaben. Jeder möchte sein Leben
       weiterleben, Sportveranstaltungen und Konzerte veranstalten. Einfach
       weitermachen. Super, das wollen wir auch. Aber wir öffnen unsere
       Social-Media-Accounts und sehen, dass ein Freund im Krieg gestorben ist.
       Den ukrainischen Profis bleibt nichts anderes übrig, als hier ständig über
       den Krieg zu reden, obwohl es den Organisatoren nicht gefällt. Das Thema
       ist ihnen einfach zu politisch. Man will es nicht haben in Paris.
       
       Auf abermalige Nachfrage hat sich Sabalenka nun von Lukaschenko
       distanziert. Nehmen Sie ihr das ab? 
       
       Aryna Sabalenka ist das Sportgesicht der belarussischen Propaganda. Dafür
       hat sie selber viel getan. Wenn sie sich jetzt vom Diktator distanziert,
       ist das unglaubwürdig. Ihre Antwort war zögerlich. Es dauerte zwei, drei
       Sekunden, bis ihr über die Lippen kam: „I don’t support him right now.“ Das
       lässt ja offen, dass sie es irgendwann doch wieder tun wird. Und übrigens:
       Jetzt wird über ihr Visum für Großbritannien entschieden. Sie will ja in
       Wimbledon spielen. Sabalenka muss taktisch sprechen.
       
       Sabalenka erschien zwei Mal nicht auf der Pressekonferenz. Wie fanden Sie
       das? 
       
       Sie sagte, sie fühle sich unsicher. Es sei nicht gut für ihre mentale
       Gesundheit. Ich biete ihr an, in meiner Kyjiwer Wohnung zu wohnen, die ich
       verlassen musste, weil dort ständig Raketen auch aus Belarus flogen.
       Sabalenka kann hier die beste Tennisspielerin der Welt werden. Sie trägt
       eine Verantwortung. Sich vor der Presse „unsafe“ zu fühlen, ist lächerlich.
       
       Was machen die Spielerinnen aus der Ukraine auf solch großen Turnieren
       durch? 
       
       Unsere Spielerinnen mussten ihre Familien mitnehmen und fliehen. Seitdem
       haben viele kein Zuhause und keine Trainingsbasis mehr. Ich habe mit Dajana
       Jastremska gesprochen. Sie weint viel. Es gibt für sie keine
       Erholungsphasen, weil es immer irgendwelche Nachrichten gibt, die einen
       nicht gut schlafen lassen. Davon berichten alle. Sie wachen auf und sehen,
       wie ukrainische Städte beschossen wurden, wie das Kraftwerk Kachowka
       zerstört wurde und wie ihre Freunde sterben. Sie alle spielen immer noch
       Tennis. Denn ihre Siege bringen den Ukrainern zumindest eine paar gute
       Nachrichten.
       
       Sie sind selbst aus der Ukraine geflohen. Wo leben Sie jetzt und wie
       schaffen Sie es, über Tennisturniere zu berichten? Die sind ja überall auf
       der Welt. 
       
       Ich bin im März 2022 geflüchtet. Ich habe nur meinen Kater mitgenommen. Als
       Kijyw schwer beschossen wurde, bin ich nach Maastricht zu Verwandten
       gefahren. Da ich mittlerweile nicht weit von Paris entfernt lebe, habe ich
       mich dazu entschlossen, zumindest eines der vier großen Grand-Slam-Turniere
       zu besuchen, um dort den Russen und Belarussen Fragen zu stellen.
       
       Befürworten Sie einen Bann russischer und belarussischer Spieler [2][wie in
       Wimbledon 2022]? 
       
       Sicherlich. Warum müssen wir sterben, unser Zuhause verlassen, alles
       verlieren und sie können einfach ihr Leben weiterleben? Glauben Sie mir,
       viele russische Sportler unterstützen den Krieg. Aber bei jeder Gelegenheit
       verstecken sie sich hinter der Floskel: Sport ist nicht Politik, und
       umgekehrt. Aber wenn es ihnen zugutekommt, unterstützen sie die Diktatoren.
       Wenn man aber danach fragt, sagen sie: Sie sind doch nur Sportler. No
       politics, please!
       
       8 Jun 2023
       
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