# taz.de -- eu-migrationspolitik: Roms ewige Leier vom „Notstand“
       
       > Giorgia Meloni ist mit dem Versprechen gewählt worden, die „illegale
       > Zuwanderung“ zu beenden. Damit ist Italiens postfaschistische
       > Regierungschefin gescheitert. Da immer mehr Bootsflüchtlinge das Land
       > erreichen, verlangt sie nun Hilfe von der EU
       
       Aus Rom Michael Braun
       
       „Italien wird allein gelassen“: Ministerpräsidentin Giorgia Meloni greift
       immer wieder zu diesem Satz, wenn es um Migrationspolitik geht, und sie
       steht mit dieser Sicht keineswegs allein da – über alle Parteiengrenzen
       hinweg geben sich Politiker*innen überzeugt, dass ihr Land nicht die
       notwendige Unterstützung durch Europa erfahre, um mit den
       Migrationsbewegungen übers Mittelmeer fertig zu werden.
       
       Gerne fällt auch ein zweites Wort, das von der „emergenza“, dem Notstand,
       mit dem Italien auf diesem Feld konfrontiert sei. In der Tat stellt die
       zentrale Mittelmeerroute, von Libyen und Tunesien aus Richtung Norden,
       einen der Hauptmigrationswege dar. Und: Tatsächlich stechen immer wieder
       Schiffe von der Türkei und Ägypten aus Richtung Süditalien in See.
       
       Meloni hatte im Herbst 2022 die Wahl auch mit dem Versprechen gewonnen, mit
       der „illegalen“ Zuwanderung werde unter ihr Schluss ein. Allein, das
       Versprechen konnte sie nicht halten: Im laufenden Jahr kamen bisher etwa
       52.000 Migrant*innen übers Mittelmeer, 2,5-mal so viele wie im selben
       Zeitraum 2022.
       
       Von „Notstand“ kann jedoch angesichts einer solchen Zahl keineswegs die
       Rede sein, auch weil weiterhin ein Gutteil der Ankommenden weiter zieht,
       etwa nach Deutschland, Frankreich oder Skandinavien. So hat das
       Forschungsinstitut ISPI errechnet, dass von rund einer Million
       Flüchtlingen, die in den vergangenen zehn Jahren übers Mittelmeer ankamen,
       nur die Hälfte Italien als Transitland nutzte.
       
       Trotzdem hat Meloni den Kampf aufgenommen und zuallererst den NGOs ihre
       Arbeit erschwert. Wann immer diese Menschen aus dem Meer retten, wird ihnen
       ein Hafen im Norden des Landes zugewiesen – die Seenotretter*innen
       sind so tagelang aus dem Verkehr gezogen. Auch die Migrant*innen bekamen
       Roms harte Hand zu spüren: Ihnen wurde die Möglichkeit gestrichen, als
       Fälle anerkannt zu werden, denen humanitärer Schutz zusteht, wenn sie nicht
       als klassische Asylfälle anerkannt wurden.
       
       Zielführend sind solche Maßnahmen nicht, und das weiß die postfaschistische
       Regierungschefin genau. Von der EU fordert sie deshalb Ressourcen, um nicht
       anerkannte Flüchtlinge in deren Heimatländer zurückzuschicken. Italien
       kommt bisher über jährlich rund 6.000 Rückführungen nicht hinaus, vor allem
       nach Tunesien, dem einzigen Land, mit dem das Rücknahmeabkommen
       funktioniert.
       
       Roms grundlegende Haltung: Die Probleme sollen bei der Abfahrt der
       Migrant*innen gelöst werden, und nicht erst bei der Ankunft. Einem
       Prüfverfahren von Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen wie für die
       Brüsseler Asylreform diskutiert steht man folglich positiv gegenüber.
       Zugleich soll Brüssel Ressourcen bereitstellen, damit Länder wie Libyen die
       Abfahrten der Migrant*innen verhindern. Am Dienstag besuchte Meloni dazu
       Tunesien. Ginge es nach ihr, sagte sie beim Treffen mit Präsident Kais
       Saied, werde sie bald schon nach Tunis zurückkehren – dann in Begleitung
       von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von derLeyen.
       
       8 Jun 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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