# taz.de -- Bremer Bürgerschaftswahl 2023: Wutbürger mit Wahlerfolg
       
       > Die Rechtsaußen von „Bürger in Wut“ erreichen bei der Bremen-Wahl
       > Fraktionsstatus - dank der AfD. Ihr Personal ist dubios.
       
 (IMG) Bild: Hatte Grund zum Jubel: Piet Leidreiter, Spitzenkandidat der „Bürger in Wut“, am Sonntag in Bremen
       
       Hamburg taz | Der Erfolg kam erwartet. Kurz nach 18 Uhr am Sonntag lagen
       die „Bürger in Wut“ (BiW) bei der Bürgerschaftswahl in Bremen [1][in ersten
       Prognosen bei 10,5 Prozent]. Die Kleinstwählervereinigung um die
       Spitzenkandidaten Jan Timke und Piet Leidreiter, die sich selbst als
       „bürgerlich-konservativ“ bezeichnet, zieht damit erstmals in
       Fraktionsstärke in der Bremer Bürgerschaft ein und könnte 10 Mandate
       erhalten.
       
       Auf der Wahlparty mit rund 100 Anhänger*innen in einem Festsaal einer
       Sportkneipe am Bremer Stadtrand war von einem „Erdbebensieg“ die Rede. Der
       Jubel war euphorisch. Der Erfolg hatte sich in den vergangenen Monaten
       abgezeichnet. Noch bei der vergangenen Wahl 2019 hatte die BiW nur 2,4
       Prozent der Stimmen erhalten. Im Oktober 2022 kam die Vereinigung dann
       schon knapp an die Fünf-Prozent-Hürde heran, ab Februar 2023 lagen sie bei
       bis zu 10 Prozent.
       
       Im Wahlkampf hatten sich die selbsternannten Wutbürger*innen erneut
       [2][als Law-and-Order-Partei inszeniert], auch mit Fake News. „Bremen ist
       ein El Dorado für Straftäter“, erklärten die BiW. Unter dem Slogan
       „Klartext im Wahlkampf“ behauptete Leidreiter in einem Rundbrief, dass
       Bremen durch „Jugendliche und Kinder aus Marokko, Tunesien und Algerien“ zu
       einer „Hochburg des Verbrechens“ geworden sei. Dass die Daten des Senats
       dies nicht hergeben, störte ihn nicht.
       
       Die BiW tönten zudem, „die Bremer“ sollten nicht bloß „aufwachen“, sondern
       sich wehren. Auf einem Wahlplakat prangte: „Bremer Autofahrer, wehrt
       Euch!“. Leidreiter erklärte der FAZ unumwunden: „Unsere Wahlkampfthemen
       sind darauf ausgerichtet: Wo sind die Menschen wütend?“ Und in der
       neu-rechten „Jungen Freiheit“ erklärte Timke, man profitiere davon, dass
       die Arbeit des rot-grün-roten Senats „stark ideologiegetrieben ist und an
       der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeigeht“. Eine klassische
       extrem-rechte Argumentation, nach der nur sie selbst nach dem reinen
       Menschenverstand und wahren Volkswunsch handeln würden, ohne jede
       Ideologie.
       
       ## Ein AfD-Streit ermöglichte den BiW-Erfolg
       
       Die BiW weiß aber selbst, dass ihnen nicht ihr Wahlkampf allein, sondern
       auch das AfD-Versagen den Wahlerfolg ermöglichte. Die AfD lag im März in
       Umfragen noch bei sieben Prozent. Doch durch einen parteiinternen Streit
       zwischen zwei konkurrierenden AfD-Landesvorständen, die beide für sich
       beanspruchen, die Partei nach außen zu vertreten, [3][scheiterte die
       Kandidatur]. Beide Vorstände hatten eigene Listen beim Wahlausschuss
       eingereicht – laut Wahlgesetz darf aber jede Partei nur mit einer Liste
       antreten.
       
       In einer Umfrage von Radio Bremen hatten 54 Prozent der Befragten erklärt,
       die BiW zu wählen, weil die AfD nicht kandidierte. Timke sagte auch selbst,
       dass seine Vereinigung einige „gemäßigte Wähler des bürgerlichen Spektrums“
       anziehe, die früher AfD gewählt hätten. Aus der AfD kamen aber auch
       einzelne Kandidaten direkt zur BiW. Spitzenkandidat Leidreiter selbst ist
       ein Ex-AfDler, genauso wie der Listenzweite Sven Schellenberg.
       
       ## Kandidat musste nach taz-Bericht zurückziehen
       
       Drei Tage vor der Wahl muss die BiW [4][nach einem taz-Bericht] einräumen,
       dass auf ihrer Liste auch ein Rechtsextremer plaziert war: Heiko Werner.
       Der nahm 2018 an einem Solidaritätsmarsch von gewaltbereiten Rechtsextremen
       für die inhaftierte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck teil. Die BIW
       legte Werner daraufhin nahe, die Wählervereinigung zu verlassen. Dort sei
       kein Platz für rechtsextremes Gedankengut, behauptete Timke. Werner selbst
       versicherte, kein Mandat anzunehmen.
       
       Aber auch andere Kandidaten sind dubios. Auf Platz 3 der BiW-Liste trat
       André Minne an. Der neu gewählte Bürgerschaftsabgeordnete ist via Facebook
       mit der Rocker-Rotlichtgröße Stefan Ahrlich befreundet. Ahrlich ist seit
       Jahren an der Weser eine Größe im Milieu zwischen Rockern und
       Rechtsextremen. Mit einem Tattoo auf der linken Brust bekennt er sich zu
       „Odin statt Jesus“, mit einem T-Shirt „Endstufe-Crew“ zeigte er offen seine
       Nähe zu der Rechtsrockband. Über Facebook ist Minne zudem mit einem
       Kampfsporttrainer verbunden, der sich in der rechtsextremen Szene bewegt.
       
       Im Wahlkampf unterstützte die Kleinstpartei „Bündnis Deutschland“ (BD) die
       BiW. Auf seiner Website erklärt das BD, rund 300.000 Euro in den Wahlkampf
       investiert zu haben. Die „Bürger in Wut“ überlegen derweil, sich von Bremen
       aus auch bundesweit aufzustellen. Die BiW könnten damit „den politischen
       Wirkungskreis für unsere Mitglieder über die Grenzen des Landes Bremen
       hinaus erweitern“, erklärte Timke.
       
       14 May 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Speit
       
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