# taz.de -- Nach Rauswurf zweier US-Abgeordneter: „Keine Demokratie in Tennessee“
       
       > Die republikanische Mehrheit in Tennessee zwang zwei afroamerikanische
       > Demokraten, ihre Parlamentssitze aufzugeben. Einer darf vorläufig zurück.
       
 (IMG) Bild: Ohne Justin kein Frieden: Unterstützter mobilisieren für die geschassten Abgeordneten in Tennessee
       
       Washington taz | „Schockierend“ und „undemokratisch“, sagt US-Präsident Joe
       Biden. „Gegen alles, wofür Amerika steht“, erklärt Ken Paulson, Direktor
       des Free Speech Centers an der Middle Tennessee University. Die Nation habe
       nun gesehen, dass es in Tennessee keine Demokratie gebe. Was die Empörung
       auslöste: Im Repräsentantenhaus des US-Bundesstaats Tennessee wurden
       vergangene Woche zwei Abgeordnete der Demokratischen Partei wegen eines
       Regelverstoßes aus dem Parlament ausgeschlossen – eine drakonische
       Maßnahme, durchgesetzt von der republikanischen Mehrheit.
       
       Die beiden rausgeworfenen Abgeordneten heißen [1][Justin Jones] und
       [2][Justin Pearson]. Beide sind Afroamerikaner und Ende zwanzig. Am 30.
       März protestierten beide, zusammen mit ihrer weißen Parteikollegin Gloria
       Johnson, im Parlament für stärkere Waffengesetze.
       
       Jones, dessen Wahlbezirk sich in Tennessees Hauptstadt Nashville befindet,
       wurde am Montag in einer einstimmigen Entscheidung zurück ins
       Repräsentantenhaus berufen. Dort wird er bis zum Ende der aktuellen
       Legislaturperiode auf vorläufiger Basis seinen alten Sitz einnehmen. Sowohl
       Jones als auch Pearson müssen sich jeweils in einer Sonderwahl behaupten,
       um ihre verlorenen Sitze zurückzugewinnen. Wann diese Wahlen abgehalten
       werden, steht noch nicht fest.
       
       „Es ist einfach beispiellos, dass jemand wegen einer Kleinigkeit, in diesem
       Fall wegen schlechten Verhaltens, aus seiner Rolle als Abgeordneter
       entfernt wird“, sagt [3][Ken Paulson] der taz. Einem gewählten Abgeordneten
       zu sagen, dass er seine Wähler nicht mehr vertreten dürfe, nur weil er im
       Parlament für die Forderungen genau dieser eingestanden habe, sei gegen den
       amerikanischen Geist.
       
       ## Abgeordneten ist es untersagt, die Tagesordnung zu stören
       
       Der Grund war ein [4][Schulmassaker], welches sich nur wenige Tage zuvor
       und unweit des Repräsentantenhauses zugetragen hatte: Insgesamt sechs
       Menschen, davon drei neunjährige Kinder, kamen dabei ums Leben. Proteste
       für eine Verschärfung des Waffenrechts im Bundesstaat halten seither an –
       bisher ohne Erfolg.
       
       Sowohl Jones als auch Pearson gestanden später ein, dass sie mit ihrem
       Protest im Repräsentantenhaus gegen eine Regel verstoßen hatten, die es
       Abgeordneten untersagt, die Tagesordnung zu stören. Doch beide hätten wohl
       nie geglaubt, dass ihnen dafür der Ausschluss drohen könnte.
       
       Die Republikaner verteidigten den Ausschluss der beiden Abgeordneten so:
       Jones und Pearson hätten mit ihrem Verhalten nicht nur die Sitzung gestört,
       sondern auch Demonstranten, die an diesem Tag im Parlament anwesend waren,
       weiter angestachelt.
       
       Eine Zweidrittelmehrheit des Parlaments stimmte für den Ausschluss von
       Jones und Pearson. [5][Gloria Johnson, eine weiße Abgeordnete], die
       ebenfalls am Protest beteiligt war, überstand die Wahl knapp. Die
       Entscheidung der republikanischen Mehrheit wurde von lauten „Shame on
       you“(„Schämt euch“)- und „Fascists“(„Faschisten“)-Rufen aus den
       Besucherrängen des Repräsentantenhauses begleitet.
       
       ## Ken Paulson: „Sollte ein Weckruf sein“
       
       Es war erst das vierte Mal in der Geschichte Tennessees, dass Abgeordnete
       aus dem Repräsentantenhaus verwiesen wurden. Die Gründe zuvor: Sklaverei,
       Betrug und sexuelle Belästigung. Und nun eben auch freie Meinungsäußerung,
       so Paulson. „Dass dies zu einer Annullierung eines Wahlergebnis führen
       könnte, ist eigentlich undenkbar in Amerika.“ Die Strafe stehe in keinem
       Verhältnis zum Verstoß, sagt er.
       
       Auch wenn Paulson nicht glaubt, dass sich solche Szenen in anderen
       Bundesstaaten mit ähnlichen Mehrheitsverhältnissen wiederholen würden,
       sollte es doch ein Weckruf sein, sagt er: „Parteien, die über sogenannte
       Supermehrheiten verfügen, könnten diese dazu nutzen, ihre politischen
       Gegner zum Schweigen zu bringen oder sich an ihnen zu rächen. Es wäre das
       Ende des [6][Zweiparteiensystems].“
       
       11 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/brotherjones_?ref_src=twsrc%5Egoogle%7Ctwcamp%5Eserp%7Ctwgr%5Eauthor
 (DIR) [2] https://twitter.com/Justinjpearson
 (DIR) [3] https://twitter.com/kenpaulson1
 (DIR) [4] /Waffendebatte-in-den-USA/!5855495
 (DIR) [5] https://twitter.com/VoteGloriaJ
 (DIR) [6] /Zwischenwahl-in-den-USA/!5893451
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hansjürgen Mai
       
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