# taz.de -- Pentagon-Leaks in den USA: Verschlossene Augen in Washington
       
       > US-Präsident Joe Biden gibt sich angesichts der Pentagon-Leaks „nicht
       > besorgt“. Der Umgang mit den Enthüllungen erinnert an die Zeit von
       > Wikileaks.
       
 (IMG) Bild: Saubere Nacken, schmutzige Geschäfte: Sicherheitskräfte vor dem Pentagon am Mittwoch
       
       New York taz | „Guckt da nicht hin“, raten Sprecher von Washingtoner
       Regierungsstellen ihren Landsleuten. Sie meinen die mehreren Dutzend –
       möglicherweise mehr als 100 – geheimen US-Dokumente, die auf verschlungenen
       Wegen durch das Internet an die Öffentlichkeit geraten sind. [1][Die
       Papiere enthalten Informationen über die Befindlichkeit und Stärke der
       Kriegsparteien in der Ukraine], aber auch über die US-Diplomatie im Nahen
       Osten und Afrika.
       
       Die Fragen, wie echt sie sind, wie manipuliert sie sind und wer sie geleakt
       hat, beschäftigen gegenwärtig zumindest die Regierungen in den USA, der
       Ukraine und Russland.
       
       Während Verteidigungsminister Lloyd Austin in Washington nötigenfalls
       „jeden Stein umdrehen“ will, um die undichte Stelle herauszufinden, besteht
       US-Präsident Joe Biden darauf, dass er „nicht besorgt“ sei. Bei einer
       Pressekonferenz am Donnerstag erklärte er, dass eine „umfassende
       Untersuchung“ laufe und man „nah der Antwort“ sei. Nach seiner Ansicht
       enthält das Datenloch „nichts Kontaminiertes“.
       
       Ex-Präsident Donald Trump nennt die ganze Sache das „Peinlichste“, das den
       USA je passiert sei, und macht Biden persönlich verantwortlich. Offiziell
       tappen die Ermittler weiterhin im Dunkeln.
       
       ## Abgetippte Details
       
       [2][Die Washington Post hingegen hat einen – nicht namentlich genannten und
       nicht volljährigen – Interviewpartner gefunden], der den Informanten im
       Internet gekannt haben will. Der Interviewpartner nennt den Informanten
       „OG“ und sagt, dieser habe auf einer „US-Militärbasis“ gearbeitet, sei mit
       Regierungsgeheimnissen vertraut, sei über 20 Jahre alt und „sehr schlau“.
       Nach Ansicht des Interviewpartners habe der Leaker gewusst, dass er
       Illegales tat. „Er war der Leader unserer Gruppe“, sagte der
       Interviewpartner der Washington Post, „er wollte, dass wir informiert und
       fit sind“.
       
       Das Weggucken in Washington erinnert an die Zeit vor einem Jahrzehnt, als
       die Enthüllungsplattform Wikileaks der Hauptfeind der US-Behörden zu sein
       schien. Damals sperrte die US-Regierung den Zugang zu Wikileaks-Webseiten
       auf den Dienstcomputern ihrer Beschäftigten.
       
       Auch die „Pentagon Files“ sind erstmals im Internet erschienen. Nach
       Informationen von US-Medien und des niederländischen Recherchediensts
       Bellingcat tauchten erste Details bereits vor Jahreswechsel auf. Es soll
       sich dabei um abgetippte Inhalte aus Geheimdokumenten gehandelt haben. Ab
       Januar speiste jemand fotografierte Dokumente in eine Chatgruppe des
       Servers Discord, der auf Computerspiele und ein jugendliches Publikum
       spezialisiert ist.
       
       Die Chatgruppe, die inzwischen gelöscht ist, trug zeitweise den Namen „Thug
       Shaker Central“. Sie soll während der Pandemie entstanden und gewachsen
       sein und oft auch andere Namen gehabt haben – darunter auch offen
       rassistische.
       
       Die rund zwei Dutzend jungen User der privaten Chatgruppe teilten die
       Faszination für Schusswaffen, Militärgerät (inklusive Kleidung), Gott und
       Rennwagen. Gemeinsam waren ihnen auch die Sympathie für das orthodoxe
       Christentum, für einen Youtuber namens „Oxide“. Oxide läuft vor der
       Videokamera mit schwerem Geschütz herum und ballert und vertritt die bei
       Rechten in den USA weit verbreitete Einschätzung, dass man „der Regierung“
       nicht trauen könne. Aber längst nicht alle ihre Postings sollen politischen
       Charakter gehabt haben.
       
       ## „Die Spitze des Eisbergs“
       
       Es ist unklar, wie und wann das Material von der kleinen Chatgruppe auf dem
       Server Discord auf die Plattform „4Chan“ geraten ist, auf der sich radikale
       Rechte in den USA tummeln und die auch im Vorfeld des gewalttätigen Sturms
       auf das US-Kapitol vom 6. Januar 2021 eine Rolle gespielt hat.
       
       Die US-Ermittler wurden offenbar erst hellhörig, nachdem die geleakten
       Dokumente von 4Chan auf prorussische Telegram-Kanäle weitergeleitet worden
       waren. Auf diesen Kanälen sind nach Recherchen von Bellingcat Versionen der
       Dokumente erschienen, deren Daten manipuliert waren. Unter anderem
       schrumpften die Todeszahlen der russischen Militärs radikal zusammen.
       
       Die US-Regierung und die große Öffentlichkeit hat erst kurz vor Ostern von
       den Dokumenten erfahren. Auch in dieser Woche weiß Präsident Bidens
       Sprecher für die Nationale Sicherheit, John Kirby, noch nicht, wie viele
       Dokumente tatsächlich in Umlauf sind und noch an die Öffentlichkeit geraten
       könnten. Aus dem Verteidigungsministerium in Washington verlautet, dass
       bislang erst die „Spitze des Eisbergs“ bekannt sei.
       
       In der Ukraine und in Russland liefern die Regierungen unterschiedliche
       Dementis. Sie reichen von „falsche Angaben“ bis hin zu der Mitteilung
       „grobe Manipulation“.
       
       Auf mehreren der Fotos von Dokumenten, die jetzt im Internet kursieren, ist
       im Hintergrund Handwerkszeug zu sehen, darunter der Klebstoff „Gorilla
       Glue“. Beobachter folgern daraus, dass die Dokumente vor den Augen der
       Behörden in den USA manipuliert worden sind. Da in dem aufgeblähten
       Sicherheitsapparat der Vereinigten Staaten mindestens 1,25 Millionen
       Menschen Zugang zu offiziellen Geheimnissen haben, ist die Zahl der
       potenziell Verdächtigen erheblich.
       
       13 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Pentagon-Leaks/!5927138
 (DIR) [2] https://www.washingtonpost.com/national-security/2023/04/12/discord-leaked-documents/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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