# taz.de -- Fußball bizarr
       
       > Ein Doppelelfmeter bringt den bayerischen Dauermeister aus dem Rhythmus.
       > Ausgerechnet vor dem deutschen „Klassiko“ gegen Dortmund
       
       Aus Leverkusen Andreas Morbach
       
       Joshua Kimmich schaute aufmerksam in die Runde – und ließ sich bei seinen
       Ausführungen zur Münchner Pleite in Leverkusen auch nicht von dem
       fröhlichen Gejohle um ihn herum ablenken. Weiter hinten in der
       Interviewzone der BayArena kickten sich Werkself-Stürmer Moussa Diaby und
       sein dreijähriger Sohnemann gerade munter einen bunten Ball hin und her.
       Kimmich dagegen, seinen Rucksack ordentlich geschultert, legte die Stirn
       ein wenig in Falten. „Viel davon ist eine Konzentrationsgeschichte, die wir
       ganz klar angehen müssen“, meinte der Münchner Nationalspieler zum 1:2
       seines Teams schließlich. Zudem monierte er „Nachlässigkeiten“ in den
       Reihen des Serienmeisters – der deshalb nun plötzlich um sein Abonnement
       bangen muss.
       
       Gleich nach der Länderspielpause steht der große Liga-Showdown im Kalender.
       Dortmund ist dann zu Gast in München, und das, dank der Niederlage des FCB
       in Leverkusen, zur Abwechslung mal als Spitzenreiter. Mit einem Punkt
       Vorsprung auf den frisch gestrauchelten Rivalen reisen die Schwarz-Gelben,
       beim Gang in die lange Winterpause noch neun Zähler hinter den Bayern
       zurück, in den Freistaat. Weswegen Kimmich die Ausgangslage für das
       ultimative Gipfeltreffen am 1. April sehr genau kennt. „Die Situation“,
       weiß der 28-Jährige, „hat sich so verändert, dass wir gewinnen müssen.“
       
       Die plötzliche Anspannung im Liga-Alltag machte auch vor dem Trainer des
       stolzen Viertelfinalisten der Champions League, der zuletzt Paris
       Saint-Germain aus dem Wettbewerb beförderte, nicht Halt. „Jedem ist klar:
       Wir müssen gewinnen, um die Schale in München zu behalten. Wenn wir nur
       unentschieden spielen oder – im worst case – verlieren, wird es schwierig.
       Bei dem Lauf, den Dortmund momentan hat“, blickte Julian Nagelsmann recht
       angestrengt auf den Samstagabend in einer Woche. „Das wird nicht leicht“,
       fügte der 35-Jährige noch hinzu, denn ihm ist klar: „Wir haben uns jetzt
       selbst viel Druck gemacht.“
       
       Ausgesprochen unbeschwert segeln dagegen die Leverkusener gerade durch die
       Wettbewerbe. Fünf Pflichtspielsiege in Folge haben die Mannschaft von Xabi
       Alonso ins Viertelfinale der Europa League bugsiert. Zudem ist der
       Rückstand auf die internationalen Plätze in der Liga erstaunlich rasch auf
       nur noch drei Punkte geschmolzen. Und der verdiente Triumph über die
       Bajuwaren dürfte Bayers Fußballer weiter beflügeln.
       
       „Es ist unglaublich für uns, wir haben gegen die beste Mannschaft in Europa
       gewonnen“, strahlte Coach Alonso nach dem Coup vom Sonntag – zu dem der
       Weltmeister von 2010 selbst mit einem besonderen Kniff beigetragen hatte.
       So beorderte er den im August 2021 von Union Berlin an den Rhein
       gewechselten Robert Andrich aus dem defensiven Mittelfeld in die
       Innenverteidigung. Eine Umstellung, die, wie der kurzfristig verpflanzte
       Spieler erklärte, „uns immer mehr Möglichkeiten mit dem Ball gegeben hat“.
       Dabei war Alonsos Idee gar nicht mal brandneu. Beim 1:1 in Freiburg Ende
       Februar hatte der bärtige Baske den gebürtigen Potsdamer schon einmal eine
       Linie weiter nach hinten ins Zentrum der Leverkusener Dreierkette
       geschickt. „Ich habe mir sehr viel überlegt“, berichtete Alonso später über
       die gedankliche Höchstarbeit vor dem Duell gegen seinen Ex-Klub. 
       
       Andrich plauderte aus, unter welch ungewöhnlichen Umständen er von seinem
       neuerlichen Sondereinsatz erfuhr: „Nach dem Mittagsschlaf hatte ich auf
       meinem Handy die Nachricht vom Trainer: ‚Heute spielst du Libero‘“,
       erzählte der kantige Kicker amüsiert. Während Thomas Müller beim Start in
       die knapp zweiwöchige Ligapause mächtig ins Grübeln kam. „Wir stehen in der
       Bundesliga nicht da, wo wir stehen sollten“, befand der Kapitän der Bayern.
       „Da müssen wir uns schon einige Fragen stellen.“
       
       Eine erste Antwort hatte Mitspieler Joshua Kimmich mit seinem Hinweis auf
       bajuwarische Schlampereien und Konzentrationsschwächen schon gegeben. Um
       einiges deutlicher wurde Hasan Salihamidzic. Der Sportvorstand des FCB
       tauchte gleich nach Kimmich im Tiefgeschoss der Leverkusener Arena auf, wo
       er umgehend fauchte: „So wenig Antrieb, so wenig Mentalität, so wenig
       Zweikampfführung, so wenig Durchsetzungsvermögen habe ich selten erlebt.“
       
       Einig waren sich Cheftrainer und Sportboss der Münchner in ihrem Urteil,
       auf der Dienstreise ins Rheinland eine „träge“ Bayern-Mannschaft erlebt zu
       haben. Und das, obwohl Leverkusen und nicht das Nagelsmann-Ensemble unter
       der Woche international gefordert gewesen war. „Das war nicht das, was
       Bayern München bedeutet“, zürnte Salihamidzic. „Wir haben alles vermissen
       lassen.“ Sollte sich das am 1. April gegen Dortmund wiederholen, dürfte der
       elfte Meistertitel in Folge endgültig auf der Kippe stehen.
       
       21 Mar 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Morbach
       
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