# taz.de -- Autorin Jacinta Nandi über den Dating-Horror: Was ist Liebe?
       
       > Alleinerziehende, Berlin-Typen und Dating – das passt nicht zusammen,
       > findet Autorin Jacinta Nandi. Warum wir trotzdem unbedingt lieben
       > sollten, erzählt sie hier und auf dem taz lab.
       
 (IMG) Bild: Rosen schenken beim Date? Eher nicht im Berliner Dating-Chaos.
       
       Von [1][JACINTA NANDI]
       
       [2][taz lab], 04.03.2023 | Leah ist eine englischsprachige alleinerziehende
       Freundin von mir, die, genau wie ich, weggentrifiziert worden ist.
       Weggentrifiziert zu werden ist nervig und deprimierend. „Kannst du dich an
       meinen neuen Typen erinnern?“, fragt sie.
       
       Wir sitzen in ihrem kleinen Hinterhof, ein kleiner süßer ostberlinerischer
       Garten mit einem kleinen Spielplatz.Leah hat ihren neuen Typen im
       Fitnessstudio kennengelernt. Sie treffen sich alle zwei Wochen, an ihrem
       kinderfreien Wochenende.
       
       ## Der Fitness-Hase
       
       Für die Menschen, die keine Kinder haben und die, die sie sich nicht mit
       ihrem Ex teilen: Leahs Kinder verbringen jedes zweite Wochenende beim
       Vater, und an diesem Wochenende verbringt Leah die Nacht mit ihrem neuen
       Typen aus dem Fitness-Studio. Ich nenne ihn den Fitness-Hasen. Ich habe den
       Fitness-Hasen einmal gesehen, er ist ganz hübsch.
       
       „Ja?“, sage ich. „Er hat Schluss gemacht.“„Oh nein“, sage ich.
       „Deprimierend“, sagt sie. „Warum?“, frage ich.
       
       ## Locker und ungebunden?
       
       „Mein Ex will die Kinder öfter haben. Jedes Wochenende und jeden Mittwoch:
       Also habe ich vorgeschlagen, dass wir uns jede Woche treffen könnten, nicht
       nur jedes zweite Wochenende.“
       
       Ich seufze. “Er sagte, ich wolle zu viel emotionale Bindung.“ “Ja“, sage
       ich. „Er sagte, ich habe zu viel von ihm erwartet.“ „Ja“, sage ich. „Er
       sagte, meine Erwartungen waren zu hoch!“ „Ja“, sage ich. “Er sagte, ich
       wäre eine anstrengende Person.“ „Ja“, sage ich und mein Herz explodiert vor
       Mitleid.
       
       ## What is love?
       
       “Jacinta!“, sagt Leah. “Denkst du, mit mir stimmt etwas nicht? Vielleicht
       bin ich einfach nicht liebenswert?“ „Du bist total liebenswert!“, rufe ich.
       Leah lacht. Ich lache auch.
       
       Was bedeutet es, liebenswert zu sein, wenn du nicht mal den Typen, der dich
       fickt, überreden kannst, dich einmal pro Woche statt alle zwei Wochen zu
       ficken? Was bedeutet das Wort Liebe überhaupt?
       
       Manchmal denke ich, die Männer in Berlin, diese Berlin-Typen, die
       Umzugshelfer und die Fitness-Hasen, sollten einfach Sexroboter ficken und
       uns Alleinerziehende in Ruhe lassen.
       
       ## Bloß keine Ansprüche!
       
       „Ich weiß nicht, wie ich weniger erwarten könnte“, sagt Leah. „Es ist sein
       Problem, nicht deines,“ lüge ich.
       
       Hier ist eine Liste von Gründen, weshalb Männer gerne mit Alleinerziehenden
       Schluss machen: Sie sehen uns weinen, weil die Waschmaschine kaputt ist.
       Sie sehen uns weinen, weil die Stromrechnung zu hoch ist. Sie sehen uns
       weinen, weil uns unser Ex beim Jugendamt verpetzt hat, weil wir den Kindern
       zu viel Fruchtzwerge geben.
       
       Wir haben sie gefragt, ob sie die Kinder kennen lernen wollen. Wir haben
       gesagt, dass wir vielleicht verliebt sind. Wir haben sie gefragt, ob sie
       mal einen Nachmittag mit in den Zoo kommen wollen, mit uns, und den
       Kindern.
       
       ## Kein zukunftsfähiges Match
       
       Berlin-Typen, Alleinerziehende und Dating, das passt nicht zusammen.
       Alleinerziehende in Berlin sollten sich Sexspielzeuge kaufen. Aber: wir
       sollten trotzdem lieben. Wir müssen lieben. Nur nicht die Männer.
       
       Wenn ich meine alleinerziehenden Freundinnen anschaue, denke ich: Sie sind
       total liebenswert. Total fähig, geliebt zu werden, Liebe zu finden. Wir
       können sogar die große Liebe finden.
       
       ## Gefunden, statt gesucht
       
       Wir lieben Bridgerton, wir lieben Amber Heard-Filme, wir lieben Bratwürste
       in Speck gewickelt. Wir lieben sogar unsere Nichten und Neffen und die
       Kinder unserer Freundinnen und, wenn wir ehrlich sind, lieben wir es auch,
       wenn die Kinder beim Vater sind und wir Drogen nehmen können und für einen
       Nachmittag so tun, als ob wir nicht wissen, was Schmerzen überhaupt sind.
       
       Wir können die Liebe suchen, die Liebe finden und wir können auch
       herausfinden, was Liebe bedeutet, indem wir unsere Kinder lieben, und
       beobachten. Guckt mal eure Kinder an, Ladies! Gucken wir ihre Nasen und
       ihre Wangen und ihre Ohren an. Gucken wir ihre Münder an und spüren dieses
       Gefühl dabei.
       
       ## Die wirklich wahre Liebe
       
       Dieses Gefühl, wie ein Stein im Bauch, aber ungefährlich, fast langweilig.
       Ein Gefühl, das fast befriedigend ist, aber immer, immer, ein kleines
       bisschen traurig: Das ist die wahre Liebe. Wir können lieben.
       
       „Der Fitness-Hase ist ganz hübsch“, sage ich. “Er ist okay“, sagt sie.
       “Aber er ist nicht heiß genug für total emotional ungebundenen Sex. Wenn er
       das will, muss er an seinem Körper arbeiten.“
       
       “Du hast recht“, sagt sie. „Wenn er von mir erwartet, dass ich total
       ungebunden bin, dann muss sein Körper härter sein.“ “Er ist ganz hübsch“,
       sage ich.
       
       ## Weil du meine Mama bist!
       
       Mein Kind kommt zu mir und gibt mir einen kleinen Stein. “Ich schenke dir
       diesen Stein“, sagt er, ernsthaft und betont, respektvoll und auch
       liebevoll, „weil ich dich liebe.“„Danke“, sage ich. Dann flüstert er: „Ich
       liebe dich nur, weil du meine Mama bist. Wenn du nicht meine Mama wärst,
       würde ich dich nur mögen.“
       
       Ich halte den Stein in meiner linken Hand und sage, wie in einem
       amerikanischen Film, der synchronisiert ist: „Ich weiß das zu schätzen.“
       Und das ist, merke ich, die totale Wahrheit.
       
       Aus dem Englischen von Jacinta Nandi. Eine englische Version dieses Textes
       erschien im ExBerliner.
       
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