# taz.de -- Zugunglück in den USA: Die Katastrophe von East Palestine
       
       > Anfang Februar entgleiste in Ohio ein Güterzug mit Chemikalien, eine
       > riesige Rauchwolke entstand. Jetzt klagen Anwohner über Beschwerden.
       
 (IMG) Bild: Rauchwolke über East Palestine am 6. Februar nach der Sprengung eines Waggons mit Chemikalien
       
       New York taz | „Willkommen in East Palestine“, steht auf der [1][Webseite]
       des Dorfes, „der Ort, an dem Sie sein wollen.“ Seit am Abend des 3.
       Februars ein mit Chemikalien beladener Lastenzug im Ortszentrum entgleist
       und in Flammen und tiefschwarzen Rauch aufgegangen ist, die erst Tage
       später gelöscht werden konnten, ist die ländliche Region im Südosten von
       Ohio eine Katastrophenszene. Das Ausmaß der Schäden und Vergiftungen ist
       noch lange nicht erfasst. Aber der Eisenbahnbetreiber, Norfolk Southern,
       schickt längst wieder neue Güterzüge durch den 5.000-Einwohner-Ort.
       
       „Dies ist eine Sache auf Leben und Tod“, mahnte der republikanische
       Gouverneur von Ohio, Mike DeWine, als er drei Tage nach der Entgleisung
       alle Bewohner im Umkreis von zwei Meilen von dem entgleisten Zug drängte,
       ihre Häuser zu verlassen. Katastrophenhelfer in Schutzanzügen mit
       Atemmasken und Handschuhen klopften an jede Haustüre. Auf den Bahngleisen
       rauchten und brannten immer noch die Reste von 50 entgleisten und wie
       Klappmesser ineinander verkeilten Waggons und Tankwagen.
       
       Neben zahlreichen anderen Chemikalien befand sich in ihrem Inneren auch
       Vinylchlorid, das bei Erhitzung Dioxin freigibt. Als direkte Folge kann
       Dioxin Schwindel auslösen. Langfristig ist es unter anderem für das
       Entstehen von Leberkrebs verantwortlich.
       
       „Wir hatten zwei schlechte Optionen“, fasste der Gouverneur zehn Tage
       später bei einer [2][Pressekonferenz] die Lage vor Ort zusammen: „Entweder
       wir warteten auf eine Explosion, oder wir lösten eine kontrollierte
       Entladung aus.“ Letztlich optierten die Experten und die Gouverneure von
       Ohio und dem Nachbarbundesstaat Pennsylvania für eine kontrollierte
       Entleerung – die eine neue schwarze Rauchwolke in den Himmel schickte.
       
       ## Chemikalen im Zug nicht vorab angemeldet
       
       Die meisten der mehreren Tausend Evakuierten sind inzwischen wieder in ihre
       Häuser zurückgekehrt. [3][Anwohner beschreiben], dass es in ihren
       Wohnräumen stinkt. Dass Straßenkehrmaschinen tiefschwarzen Staub
       aufwirbeln. Und dass kleine Kinder und Hunde sich häufiger übergeben. Außer
       den 3.500 toten Fischen, die die Umweltbehörde EPA in den umliegenden
       Gewässern gefunden hat, sprechen Anwohner auch von toten Hühnern. Viele im
       Ort haben Angst vor der Zukunft. Und sie fühlen sich nicht ausreichend über
       die Risiken informiert.
       
       Umweltexperten haben die Luftqualität in mehreren Hundert Häusern geprüft
       und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass diese nicht belastet seien. Auch in
       den umliegenden Gewässern und im Grundwasser hätten sie keine gefährlichen
       Werte gemessen. Aber mehr als eine Woche nach der Entgleisung fordern die
       Behörden die Anwohner dazu auf, kein Leitungswasser zu trinken.
       
       Der Unfall des Zugs mit 150 Waggons fand am Freitagabend kurz vor 21 Uhr
       statt. 50 Waggons entgleisten. Wie die Behörden erst später erfuhren,
       befanden sich in zehn davon potenziell gefährliche Chemikalien, die unter
       anderem für die Herstellung von Klebstoff, Plastik und Baumaterial benutzt
       werden.
       
       Dass der Betreiber diese Schadstoffe den Behörden nicht vorab gemeldet hat,
       nennt der republikanische Gouverneur von Ohio jetzt „absurd“. Er verlangt,
       dass sich der Kongress mit dem Thema befasst.
       
       ## Ärger über die Eisenbahngesellschaft
       
       Auch der Bürgermeister von East Palestine ist wütend darüber, wie die
       Eisenbahngesellschaft mit ihm Umgeht. „Wir werden nicht zulassen, dass sie
       diese Geschichte unter den Teppich kehren“, sagte er am Dienstag dieser
       Woche bei einer Pressekonferenz.
       
       Die Norfolk Southern ist eine von sieben riesigen Konzernen, die den
       Konzentrationsprozess auf der Schiene der letzten 40 Jahre überlebt haben.
       Ihr langer Arm reicht bis zu den Gesetzgebern nach Washington. Unter
       anderem haben sie dort dafür gesorgt, dass unter Donald Trump eine in der
       Obama-Ära eingeführte Regel über elektronisch kontrollierte Bremsen wieder
       abgeschafft wurde.
       
       Der gegenwärtige Transportminister [4][Pete Buttigieg] hat bislang nichts
       unternommen, um die Regel wieder einzuführen. Nach dem Unglück in East
       Palestine schwieg Buttigieg mehr als eine Woche lang. Erst am Montag
       veröffentlichte er ein paar Tweets, in denen er Aufklärung verlangte.
       
       In den sechs zurückliegenden Jahren haben die Monopolkonzerne ihre
       Belegschaften um mehrere Zigtausend Beschäftigte reduziert. Sie haben die
       Güterzüge verlängert und ihre Belegschaften auf nur noch eine oder zwei
       Personen verringert. Die Eisenbahnbeschäftigten benutzen für die Konzerne
       einen Begriff aus dem 19 Jahrhundert: „Räuberbarone“.
       
       16 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://eastpalestine-oh.gov/
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=5HRSAqXUDcE
 (DIR) [3] https://www.youtube.com/watch?v=BGN81SEmoPU
 (DIR) [4] /Uebergang-der-US-Praesidentschaft/!5739512
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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