# taz.de -- Scholz durch Südafrika, FPÖ und Bali: Wien ist immer noch Wien
       
       > In Brasilien steht Scholz bedröppelt da, Gottfried Waldhäusl von der FPÖ
       > gibt sich fremdenfeindlich – und die Letzte Generation ist geflogen.
       
 (IMG) Bild: Die Umarmung zwischen Scholz und Da Silva am Montag in Brasilia
       
       Frau Dr. Bohne, meine Hündin und Assistentin, fragt mich: „Was bedeutet
       eigentlich der Spruch ‚Gute Miene zum bösen Spiel machen‘?“ Ich antworte
       ihr: „Es bedeutet, etwas Unangenehmes notgedrungen und widerwillig
       hinzunehmen, ohne es sich anmerken zu lassen.“ Bohne ist irritiert. „Warum
       sollte man so etwas tun?“, fragt sie. Das war mir klar, dass sie das nicht
       versteht. Impulskontrolle ist nicht so ihr Ding. Menschen haben das besser
       drauf als Hunde.
       
       Olaf Scholz zum Beispiel. Ich erzähle ihr, dass der deutsche Bundeskanzler
       diese Woche auf [1][Südamerika-Tour war]. Dort traf er unter anderem den
       brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva. Der Brasilianer
       schien bald ein Jahr nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine immer noch
       nicht ganz kapiert zu haben, [2][wer schuld an diesem Konflikt ist]. Auf
       einer gemeinsamen Pressekonferenz sagte Lula allen Ernstes: „Ich habe nicht
       ganz verstanden, wer diesen Krieg angefangen hat.“ Scholz stand ziemlich
       bedröppelt da. „Bedröppelt?“, fragt Bohne. „Ja, bedröppelt. Das sagt man
       so, wenn man unerwartet in Verlegenheit gebracht wird.“
       
       Jedenfalls machte Scholz da gute Miene zum bösen Spiel. Er beschwor, und
       das wirkte dann etwas bizarr, ständig eine „klare gemeinsame Haltung“
       Deutschlands mit Brasilien und umarmte Lula umso herzlicher. „Warum tat er
       sowas?“, will Bohne wissen. „Ganz einfach: Scholz will Fortschritte beim
       Freihandel, außerdem sucht Deutschland neue Rohstoffquellen, und deshalb
       musste das Treffen unbedingt ein Erfolg werden, Ukraine hin, Russland her.“
       Bohne staunt. „Ihr Menschen seid wirklich merkwürdige Wesen“, sagt sie.
       „Fast möchte ich sagen: charakterlos.“
       
       „Den Eindruck kann man in der Tat haben“, antworte ich. Ich erzähle ihr von
       dem österreichischen Politiker Gottfried Waldhäusl von der in Teilen
       rechtsextremistischen FPÖ, der diese Woche in einer Talkshow von einer
       Schülerin gefragt wurde, wie er eigentlich die Schließung der
       EU-Außengrenzen bewerkstelligen wolle, was die FPÖ ständig fordere.
       
       ## Was für a deppata Oasch
       
       „Wenn Sie Ihre Maßnahmen schon vor Jahren umgesetzt hätten, würde die
       Hälfte dieser Klasse das Gymnasium in Wien heute nicht besuchen. Was sagen
       Sie dazu?“, fragte die Schülerin. Waldhäusl antwortete: „Wenn das schon
       lange geschehen wäre, dann wäre Wien noch Wien.“ Bohne schaut mich
       schockiert an. „Was für a deppata Oasch, Volltrottl, bleeder“, sagt sie und
       lässt die Wienerin raushängen. „Und wieder ‚gute Miene zum bösen Spiel‘?“
       
       „Nein, zum Glück nicht“, sage ich. Und zähle auf, dass doch Menschen aus
       allen Richtungen diesen Typen kritisiert haben: Seine Aussage sei
       rassistisch, menschenverachtend, eine Unverschämtheit, vor allem und gerade
       gegenüber einer Schülerin, der Typ sei untragbar und spreche Menschen mit
       Migrationsgeschichte pauschal die Existenzberechtigung in Wien ab. Eine
       konservative Ministerin sagte, sie sei „fassungslos“. Ihr fehlten
       „eigentlich die Worte“, weil sie das „an die dunkelsten Kapitel in der
       Geschichte dieses Landes“ erinnere. Ich sage zu Bohne: „Eine gute Miene hat
       da zum Glück niemand gemacht.“
       
       „Also ist dieses Gute-Miene-machen so etwas wie Doppelmoral, richtig?“
       fragt Bohne. „Nein, das kann man so pauschal nicht sagen.“ Ich berichte ihr
       davon, dass zwei Aktivisten der Klimaschutztruppe „Letzte Generation“, die
       in Stuttgart vor Gericht erscheinen sollten wegen einer Straßenklebeaktion,
       [3][nach Thailand in den Urlaub geflogen waren]. „Das ist Doppelmoral“,
       sage ich.
       
       Nicht, dass ich es schlimm fände, zum Vergnügen zu fliegen, aber dann
       [4][anderen das Gefühl vermitteln, dass Fliegen schlecht sei, fände ich
       schon doppelmoralisch]. „Jedenfalls haben ihre Buddies sie dann verteidigt:
       Sie seien schließlich als Privatleute geflogen, nicht als Klimaaktivisten.
       Das sei also gar nicht so schlimm.“ Haha! Entweder glauben die das
       wirklich, dann sind sie doppelmoralisch. Oder sie ärgern sich in Wahrheit
       selbst über das, nun ja, ungünstige Bild, dass das Ganze abgibt, und reden
       das nun gezwungenermaßen klein. Dann ist das schon so etwas wie „gute Miene
       zum bösen Spiel“.
       
       4 Feb 2023
       
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