# taz.de -- Die Wahrheit: Was geht?
       
       > Tagebuch einer Scrollerin: Geht Ihnen die Fragerei auf
       > Nachrichtenportalen auch so auf den Keks? Ist das nicht alles etwas
       > Sesamstraße?
       
       Das Jahr begann in Gesellschaft entspannter Gäste. Ein Elternpaar ließ sein
       zufriedenes Baby am in der Krippe eroberten fremden Schnuller nuckeln und
       unterhielt die Runde mit Anekdoten von der letzten Kitabesichtigung. Die
       eindrucksvollste handelte von einem Paar, dessen Nachwuchs noch darauf
       wartete, das Licht der Welt zu erblicken, das aber schon mal wissen wollte,
       welche Maßnahmen der Hort zu ergreifen gedenke, sollte der Sprössling
       zukünftig unter Allergien leiden. Selten war ich dankbarer für die Gnade
       meiner frühen Geburt, die dafür verantwortlich ist, dass Elternabende und
       ähnliche Prüfungen weit hinter mir liegen.
       
       Doch auch die Gegenwart hält Herausforderungen für mich bereit. Beim
       Scrollen durch die Online-App eines Nachrichtenmagazins fällt auf, dass
       diese zwar pflichtschuldig über Krieg- und Klimagedöns informiert,
       hauptsächlich aber drängendere Fragen behandelt wie „[1][Warum Tiktok so
       interessant ist – und trotzdem ein Problem]“, „Was gegen Mundgeruch hilft“
       oder „Wie sage ich meinen Schwiegereltern, dass sie den Kontakt zur Ex
       meines Mannes abbrechen sollen?“.
       
       Ja, wie? Die Suche nach weitergehendem Rat im Text führt ins Leere, denn
       die Fiesigkeiten der Familie und die seelische Gesundheit von
       Schwiegertöchtern scheinen nur ein Vorwand, um das fünfzigjährige Jubiläum
       der „[2][Sesamstraße]“ mit „Wiesoweshalbwarum?“-Fragen der Sorte „Wie kann
       Patchwork endlich funktionieren?“ zu feiern. Ich vermute, die Redaktion
       bringt sich vor Arbeitsbeginn mit „Wer nicht fragt, bleibt dumm“-Gesängen
       in Stimmung und besorgt zur Beantwortung von „Wie gefährlich ist der
       Cannabisrausch vom Kiosk?“ auch mal Stoff für ein paar Joints beim Büdchen
       gegenüber. Kollektives Bekifftsein würde immerhin erklären, weshalb der
       Leserschaft etwas weiter im Text „Eine Ode an den Penis“ geschenkt wird,
       denn „sich als Frau dem Penis anzunähern ist nicht leicht“. Davon könnten
       wir Frauen weiß Gott ein Lied singen, aber auf unser Wissen wird ja gern
       verzichtet; stattdessen beantwortet „Familienberater Mathias Voelchert“
       ungefragt „warum es wichtig ist loszulassen“.
       
       Die weitere Lektüre führt dann doch zu einer echten Nachricht für das noch
       junge 2023: Anne Will lässt zum Jahresende los, was die Hoffnung auf
       wenigstens eine kubickifreie Zone weckt. Von Kubicki ist Loslassen
       erfahrungsgemäß eher nicht zu erwarten, er wird sich wohl weiterhin an die
       verbliebenen Talkshowsessel kleben und mit vertraut getrübtem Blick in die
       Kameras nölen.
       
       Vorher aber muss hier in Berlin – das zwar, wie man inzwischen weiß, nicht
       Bullerbü, sondern eine weitläufig verwinkelte Sesamstraße ist – erst mal
       wieder gewählt werden, und angesichts des „Täglich grüßt das
       Murmeltier“-Politpersonalangebots kann man schon mal entnervt „Wer? Wie?
       Was?“ fragen. Bei der Bearbeitung dieser sowie anderer wichtiger
       Angelegenheiten helfen dann Ernie und Bert.
       
       19 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.spiegel.de/netzwelt/web/sascha-lobo-warum-tiktok-interessant-und-trotzdem-ein-problem-ist-a-b09b98ef-1b01-43fd-af9b-b5ad3e09ce70
 (DIR) [2] https://www.ardmediathek.de/sesamstrasse?isChildContent=
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pia Frankenberg
       
       ## TAGS
       
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