# taz.de -- Die Wahrheit: „Und Buddha sah, es war gut“
       
       > Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (161 – Teil 2 und Ende):
       > Wie geht es den chinesischen Sternzeichentieren? Und was bedeuten sie?
       
 (IMG) Bild: Nur das Schwein von Tönnies ist im chinesischen Tierkreiszeichenhoroskop vertreten
       
       Als Buddha die Erde verlassen wollte, rief er alle Tiere zu sich.
       Nacheinander kamen sie zu ihm, um sich zu verabschieden – in folgender
       Reihenfolge: 
       
       ## Ziege
       
       Von den Ziegen ist ein beträchtlicher Teil verwildert, also frei. „Schafe
       zu bewachen ist ein Kinderspiel, verglichen mit dem Ziegenhüten“, meint der
       Ökologe Josef Reichholf. Er sieht einen Unterschied zwischen den zwei
       Tierarten vor allem in ihrem Grad an Eigensinnigkeit. Die schwäbische
       Schäferin Ruth Häckh bewundert Ziegen, aber „aus Sicht des Schäfers sind
       sie eigentlich unmöglich. Wie Schafe hüten lassen sie sich jedenfalls
       nicht, dafür sind sie zu ausgeprägte Individualisten.“
       
       Schafe fressen Gras, Ziegen lieber Blätter, die sie sich suchen. Dazu
       springen sie über Zäune und plündern Gärten. Für Ruth Häckh gibt es „keinen
       wirtschaftlichen Grund, Ziegen zu halten. Sie tun aber der Seele gut, sie
       steuern sozusagen ein abenteuerliches Element bei“.
       
       Das trifft sich mit der chinesischen Charakterisierung der Ziege: kreativ,
       künstlerisch, großzügig.
       
       ## Affe
       
       Der französische Kardinal Melchior de Polignac soll zu dem im Pariser
       Jardin du Roi gezeigten Menschenaffen einst gesagt haben: „Sprich – und ich
       taufe dich!“ Die indigene Dayakbevölkerung auf Borneo behauptet, dass diese
       von ihnen „Waldmenschen“ genannten Orang-Utans nicht sprechen, weil sie
       sonst arbeiten müssten. Die einheimischen Angolaner unterstellen den
       Schimpansen ebenfalls mutwilliges Schweigen. Der amerikanische
       Primatenforscher Robert Yerkes ging davon aus, dass sie unfähig sind,
       Gedanken durch Laute wiederzugeben, dennoch haben sie viel zu erzählen:
       „Vielleicht können sie sich eine einfache nichtlautliche ‚Zeichensprache‘
       aneignen.“
       
       Das taten sie auch, schon bald gab es Menschenaffen, die über 100 Wörter in
       der Gebärdensprache beherrschten. Eine Primatenforscherin brachte einem
       Bonobo statt Handzeichen eine Reihe von Symbolen („willkürliche
       geometrische Formen“) auf einer elektronischen Tastatur bei, mit deren
       Hilfe sowie mit Gesten und Lauten er mit den Menschen kommunizieren sollte.
       „Eine Methode, die eine normale, gesellige Unterhaltung nicht gerade
       fördert“, kritisierte der Gebärdensprachlehrer Roger Fouts, der eine
       „computerfeste Schimpansin“ namens „Lana“ erwähnt, die traurige Sätze wie
       „Bitte, Maschine, kitzle Lana“ tippte.
       
       Affen werden als einfallsreich, lustig, gesellig charakterisiert.
       
       ## Hahn
       
       Der Pater Athanasius Kircher hypnotisierte 1646 einen Hahn, danach auch
       noch andere Vögel, aber mit Hühnern war es am leichtesten, so leicht, dass
       auch Leute wie Helmut Kohl, Al Gore und Werner Herzog es Kircher
       nachgemacht haben. Einmal hypnotisiert, bleiben die Hühner so lange
       liegen, bis der Hypnotiseur sie ein paarmal mit dem Finger anstupst. „Sie
       scheinen so etwas wie die Stars der Tierhypnose zu sein“, schrieb die
       Nordwest-Zeitung, die gleich eine ganze Reihe von Hühner-Hypnotiseuren
       erwähnte.
       
       Aber wozu macht man so etwas Unsinniges? Wir hatten zu Hause sechs Hühner
       und einen Hahn, der sehr umsichtig war. Er rief die Hennen, wenn er etwas
       zu fressen fand, und verteidigte sie mutig gegen Feinde, aber nicht gegen
       uns: Dass wir den Hennen täglich die Eier aus dem Nest klauten und seine
       Schar sich deswegen nicht vergrößerte, nahm er schicksalsergeben hin.
       
       Der Hahn wird als ordentlich, gewissenhaft und ehrenhaft charakterisiert.
       
       ## Hund
       
       Er kann nicht so gut sehen wie wir, dafür viel besser riechen, was ein
       anderes Weltbild ergibt als eines, das auf optischen Eindrücken beruht.
       Nietzsche hatte wohl recht, als er sagte: „Ich erst habe die Wahrheit
       erkannt – indem ich sie roch. Mein Genie liegt in meinen Nüstern.“ Was
       manch Engländer für die einzig angemessene Wahrnehmungsweise eines
       Philosophen hielt.
       
       Inzwischen ist es jedoch mit unserem Geruchssinn nicht mehr weit her,
       deswegen nimmt man dafür gerne Hunde. Mit ihrer feinen Nase müssen sie
       immer mehr erschnüffeln: Trüffel und Drogen, Bomben, Vermisste und Leichen.
       Man kann ihre Nase auf alles trainieren. Eine Gruppe in Deutschland
       phänomenologisch ausgebildeter Reporter aus den USA um Robert Ezra Park
       gründete 1920 die Chicago School of Sociology, in ihr gehört das „Nosing
       Around“ bis heute zum Unterrichtsprinzip.
       
       Hunde werden als ehrlich, zuverlässig und fürsorglich charakterisiert.
       
       ## Schwein
       
       „Als aufs Land geschickter jugendlicher Intellektueller hatte ich Schweine
       gezüchtet“, schreibt Wang Xiaobo in seiner Geschichte eines Schweines, „das
       so geschickt wie ein Steinbock war, es sprang mit einem Satz über den Zaun
       des Schweinestalls hinweg. Deshalb trieb es sich überall herum und blieb
       nie im Stall.“
       
       Es war sein Lieblingsschwein, „weil es sich nichts vorschreiben ließ und
       solch ein freies und unbändiges Leben führte. Unsere Leiter veranstalteten
       speziell deswegen eine Sondersitzung und erklärten den Schweinbruder zum
       bösen Element, das die Frühlingsarbeit sabotiere. Sie beschlossen, Mittel
       der proletarischen Diktatur gegen ihn einzusetzen.“
       
       Aber das Schwein konnte entkommen und mied fortan die Menschen. Xiaobo
       meint dazu: „Nun habe ich vierzig Jahre gelebt. Außer diesem Schwein habe
       ich in meinem Leben noch kein anderes Wesen getroffen, das es wie dieses
       Tier gewagt hätte, dem vorgesehenen Leben die Stirn zu bieten. Ganz im
       Gegenteil, ich habe viele Menschen getroffen, die das Leben anderer mit
       Inhalten zu versehen versuchen und Menschen, die ein von anderen
       vorgegebenes Leben führen und damit glücklich sind. Aus diesem Grund kann
       ich dieses Schwein, das seine eigenen Wege ging, nicht vergessen.“
       
       Schweine gelten als hilfsbereit, gefühlvoll und treu.
       
       Und Buddha verließ zufrieden die Erde. Und Ende.
       
       4 Jan 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Helmut Höge
       
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