# taz.de -- Eine Segellegende geht von Bord: Wilfried Erdmann muss aufhören
       
       > Wilfried Erdmann hat viele Segler inspiriert und Weltumsegelungen
       > geschafft, die kaum jemand vorher oder nachher gelangen. Jetzt hat er
       > Krebs.
       
 (IMG) Bild: Wilfried Erdmann 2000 in Cuxhaven, vor seiner legendären Weltumsegelung
       
       Bremen taz | Wenn Segler den Namen „Wilfried Erdmann“ hören, dann kriegen
       sie feuchte Augen. Generationen von ihnen hat er inspiriert und motiviert,
       auch zu segeln, und natürlich haben sie viele seiner beinahe zahllosen
       Bücher in ihrer Bordbibliothek stehen. In seinem Falle ist das gelegentlich
       überstrapazierte Wort „Legende“ ausnahmsweise mal völlig angebracht.
       
       Als er im letzten Jahr sagte, dass er mit dem Segeln aufhört, ja: aufhören
       muss, weil er krank ist, dann ist es ehrliche Trauer, die viele in der
       Szene bewegt. Es ist ein langer Abschied: Am Sonntag endete die Messe
       [1][„boot“ in Düsseldorf], die weltgrößte ihrer Art. Um die 50-mal war
       Erdmann da, zweimal mit Schiff und Buch. Jetzt aber gar nicht. „Schon
       seltsam“, [2][sagt er.]
       
       [3][Wilfried Erdmann] ist keiner, der gerne viel Aufhebens um sich macht,
       also quasi das Gegenteil eines Influencers. 1940 in Pommern geboren, machte
       er extreme Reisen schon, als das noch nicht modern war: Mit 17 verließ er
       nach einer Tischlerlehre die DDR, radelte nach Südfrankreich. Kurz danach
       fuhr er nach Indien, allein, auch mit dem Rad.
       
       Ein paar Jahre später kaufte er sich in Spanien ein verwahrlostes Holzboot,
       die „Kathena“, ein Kielschwerter, der nicht mal acht Meter lang war und
       segelte damit allein um die Welt; rund 60.000 Kilometer sind das. Als er
       1968 wieder in Helgoland festmachte, war das hierzulande so unvorstellbar,
       dass ihm viele zunächst nicht glaubten, was er da soeben geschafft hatte.
       
       ## Nonstop um die Welt
       
       Seitdem lebte Erdmann fürs und vom Segeln und ansonsten in Goltoft an der
       Schlei. Etwas anderes als große Törns kam für ihn nie infrage, er ist
       keiner, der nachmittags mal eben mit seinem Boot rausfährt. 1985 war er der
       erste Deutsche, der alleine nonstop um die Welt gesegelt war, von West nach
       Ost, mit der „Kathena nui“, einer nicht mal elf Meter langen, motorlosen
       Aluyacht, die er selbst ausgebaut hatte. Neun Monate war er unterwegs, ohne
       auch nur einmal irgendwo anzulegen. Das haben nach ihm noch viele Deutsche
       versucht, mit größeren, schnelleren, besser ausgestatteten Booten. Der
       Einzige, der es geschafft hat, war Boris Herrmann – mit einem
       Millionenbudget auf einer doppelt so großen Rennyacht aus Carbon.
       
       Aber abgesehen von einem ordentlichen Segelschiff braucht man für so einen
       Trip vor allem Ausdauer, Zähigkeit, den unbedingten Wunsch, sich radikaler
       Einsamkeit auszusetzen und viel, sehr viel Durchhaltevermögen.
       
       Dieser Wille fehlt den meisten, die es Erdmann nachtun wollten. Wer nicht,
       ja: besessen ist von seiner Idee, gibt irgendwann auf und übersteht nicht
       die schweren Stürme in antarktischen Breiten, denen man nicht entgehen
       kann. Streng genommen ist dieses Einhandsegeln aber weder mit der Idee von
       guter Seemannschaft noch mit dem Seerecht vereinbar, weil man ja nicht
       ständig Ausguck halten kann, wie es vorgeschrieben ist.
       
       Als Erdmann beinahe schon im Rentenalter war, segelte er noch mal alleine
       um die Welt – 343 Tage lange lang, und zwar gegen die vorherrschende
       Windrichtung. Eine brutale Reise. Eine, die völlig zu Recht nur sehr wenige
       Menschen auf der Welt überhaupt je versucht haben. Es gibt nur vier Segler,
       die sie vor Erdmann überhaupt geschafft haben. Das Buch dazu, [4][„Allein
       gegen den Wind“], stand 32 Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste.
       
       Im Spätsommer erschreckte er die Segelwelt [5][mit einem bewegenden Post].
       Den richtigen Zeitpunkt, um aufzuhören, habe er leider verpasst, heißt es
       da. Er hat Krebs. Und Kranksein ist etwas Unbekanntes für ihn. Er kann
       damit schlecht umgehen, anders als mit schweren Stürmen. „Seine Stimme“,
       schreibt das Magazin [6][Yacht ] im letzten Interview, „ist leicht brüchig,
       wenn er antwortet.“
       
       30 Jan 2023
       
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 (DIR) [3] http://www.wilfried-erdmann.de/
 (DIR) [4] https://www.delius-klasing.de/allein-gegen-den-wind-10683
 (DIR) [5] http://www.wilfried-erdmann.de/aktuell/2022/segeln.htm
 (DIR) [6] https://www.yacht.de/special/menschen/interview-wilfried-erdmann-nimmt-abschied-ein-ende-gehoert-dazu/
       
       ## AUTOREN
       
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