# taz.de -- Ukrainische Weihnachten im Krieg: Feiern oder trauern
       
       > Darf man Bäume mit Lichterschmuck aufstellen, während der Strom knapp ist
       > und an der Front Soldaten sterben? In der Ukraine wird heftig diskutiert.
       
 (IMG) Bild: Blackoutmodus auch zu Weihnachten? Hier Kyjiw während eines Stromausfalls am 23. November
       
       Luzk taz | Mehrmals in der Woche kommt Igor Politschuk, der Bürgermeister
       von Luzk, in die orthodoxe Kathedrale der westukrainischen Stadt. Er nimmt
       dort an Beerdigungen im Krieg gefallener Soldaten teil. Nun sollen in der
       Nähe, auf dem zentralen Platz, bald Weihnachtsbäume im Lichterglanz
       erstrahlen und in Luzk sowie Dutzenden anderer Städte in der Ukraine wird
       heftig diskutiert: Weihnachten feiern und für einen Moment das Leben
       genießen – oder Schluss mit lustig und im Dunkeln sitzen? Und wie soll man
       unter solchen Bedingungen von den toten Soldaten Abschied nehmen? Denn in
       Luzk führt der Weg des Sarges am Weihnachtsbaum vorbei.
       
       Einige Leute sind überzeugt davon, dass Russlands Präsident Wladimir Putin
       den Ukrainer*innen oder zumindest den Kindern Weihnachten und Neujahr
       nicht wegnehmen dürfe. Fernab der Front müsse es kleine Momente
       menschlicher Freude geben dürfen, auch wenn Soldaten kämpften und stürben.
       
       „Ein Weihnachtsbaum kostet keine astronomische Summe, mit der man einen
       Panzer oder ein Flugzeug kaufen kann“, sagt etwa der freiwillige Helfer
       Witali Dejne. „Aber einen Baum zu haben zeigt, dass uns russische Raketen
       und Propagandageschrei gleichgültig sind. Trotzdem leben, genießen und
       feiern wir.“
       
       Ein weiteres Problem ist [1][die Stromknappheit nach russischen Angriffen
       auf Energieanlagen]. Energieingenieure haben angekündigt, dass die
       Ukrainer*innen mindestens bis Ende März im Blackoutmodus leben müssten.
       Lichtdekorationen dürfen derzeit weder außerhalb von Häusern noch auf den
       Straßen eingeschaltet werden. Für viele Einwohner*innen von Luzk sind
       batteriebetriebene Lichterketten bei Stromausfall die einzige zuverlässige
       Beleuchtungsquelle in ihren Wohnungen.
       
       Bürgermeister Igor Politschuk hat erklärt, für ihn werde es schwierig,
       Leuten, die nur wenige Stunden am Tag ihr Licht einschalten, das Aufstellen
       eines beleuchteten Weihnachtsbaums im Stadtzentrum zu erklären.
       Gleichzeitig ist der Preis dafür vergleichsweise niedrig – nur etwas mehr
       als 15 Euro pro Tag.
       
       In den Städten, die sich dafür entschieden haben, Weihnachtsbäume
       aufzustellen, werden diese daher so „energiebewusst“ wie möglich sein und
       es wird weder traditionellen Märkte noch Unterhaltungsveranstaltungen oder
       Konzerte in ihrer Nähe geben.
       
       In Luzk wurde beschlossen, Weihnachtsbäume mit selbst gemachtem Spielzeug
       aus reflektierendem Material zu schmücken. Geld aus dem städtischen
       Haushalt wird auch gespart, weil die Behörden seit vielen Jahren keinen
       Neujahrsbaum mehr extra kaufen.
       
       Stattdessen werden die drei Bäume geschmückt, die ohnehin auf dem zentralen
       Platz der Stadt gepflanzt sind. In der westukrainischen Stadt
       Iwano-Frankiwsk wird es anstelle eines Weihnachtsbaumes eine symbolische
       Installation mit Kinderzeichnungen über den Krieg geben.
       
       Aus dem Russischen Barbara Oertel 
       
       Juri Konkewitsch lebt und arbeitet in Luzk. Seit dem Beginn des Krieges am
       24. Februar 2022 schreibt er regelmäßig für die taz.
       
       4 Dec 2022
       
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